Biologika bei CRSwNP11. Mai 2021 Foto: ©Natallia – stock.adobe.com Biologika, die gezielt in die ursächlichen Krankheitsmechanismen eingreifen, können Menschen mit chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP) in Zukunft das Leben erleichtern. Wie die Antikörper-Präparate wirken und wann sie eingesetzt werden berichteten Experten anlässlich der 92. & 91. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO-KHC), die vom 12. bis 16. Mai stattfindet, vor Pressevertretern. Weit verbreitetes Krankheitsbild mit hohem Leidensdruck Zehn bis fünfzehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung leiden sowohl an einer chronischen Entzündung der Schleimhaut der Nase (Rhinitis) als auch an einer Entzündung der Schleimhaut der Nasennebenhöhlen (Sinusitis); man spricht dann von einer chronischen Rhinosinusitis (CRS). Bei manchen Betroffenen wuchert zusätzlich die Schleimhaut und bildet Polypen – ein Krankheitsbild, das man chronische Rhinosinusitis mit nasalen Polypen nennt (CRSwNP). Die Symptome reichen von behinderter Nasenatmung, laufender Nase und Riechstörung bis hin zu Verlust des Geruchssinns, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. „Zum Teil ist die Lebensqualität – vor allem bei Patienten mit Nasenpolypen – sehr stark eingeschränkt. So leiden 30 bis 70 Prozent der CRSwNP-Patienten zusätzlich unter Asthma. Auch psychische Begleiterkrankungen treten auf“, erklärte Prof. Heidi Olze, Vorstandsmitglied der DGHNO-KHC Arbeitsgemeinschaft Klinische Immunologie, Allergologie und Umweltmedizin. Diagnose und herkömmliches Therapieverfahren Die Diagnose erfolgt anhand der klinischen Symptome, einer Nasenendoskopie und einer Computertomografie. Behandelt wird die CRSwNP in der Standardtherapie durch Nasenspülungen mit Salzlösung und nasalen Glukokortikosteroiden (kortisonhaltigen Nasensprays, zusätzlich auch durch eine Nasennebenhöhlen-Operation mit Entfernung der Nasenpolypen und mit systemischen Glukokortikosteroiden (Tabletten). Bei schweren Verlaufsformen ist dies jedoch häufig nicht ausreichend und bei einige Patienten entwickeln sich die Polypen immer wieder. Therapieansatz der Biologika Die immunologischen Mechanismen, die zu einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung mit nasalen Polypen führen, sind heute gut untersucht. Bei 80 Prozent liegt eine Typ-2-Inflammation zugrunde, wie man sie auch von allergischen Entzündungen kennt. Hier spielen bestimmte Botenstoffe oder Zellen des Immunsystems – die Interleukine IL-4, IL-13, IL-5 und IgE – eine wichtige Rolle. „Auf diese Erkenntnisse aufbauend, konnten Wissenschaftler Biologika, monoklonale Antikörper, entwickeln, die exakt bei den Botenstoffen Interleukin 4 und Interleukin 13 und IgE oder bei den Zellen, den Eosinophilen, also spezialisierten weißen Blutkörperchen, ansetzen und so die Entzündung reduzieren“, erklärte Olze, Direktorin der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde an der Charité-Universitätsmedizin Berlin. „Wir sind sehr froh, dass wir diese Therapieoption haben“, betonte Olze. „Lebensqualität verbessert sich entscheidend“ Sie bieten damit therapeutische Alternativen für Patienten, die unter der bisherigen Behandlung immer wieder Polypen bilden und keine dauerhafte Verbesserung des Geruchssinns und/oder der Nasenatmung erfahren. „Wie Studien an vielen Patienten zeigen konnten, reduzieren die zwei Wirkstoffe Dupilumab (Antikörper gegen IL4/13) und Omalizumab (Antikörper gegen IgE) Nasenpolypen und weitere Symptome der CRSwNP wirksam und sicher; die Lebensqualität der Patienten verbessert sich entscheidend“, berichtet die Expertin. Dupilumab und Omalizumab sind die ersten beiden Biologika die dafür in Deutschand zugelassen wurden. Dupilumab ist seit 2019, Omalizumab seit 2020 verfügbar. Aber auch für weitere Biologika laufen derzeit klinische Studien und die Phase-III-Studie für den Anti-IL-5-Antikörper Mepolizumab konnte kürzlich abgeschlossen werden. Eine wichtige Voraussetzung für den Therapieerfolg ist der Nachweis einer schweren, unkontrollierten CRSwNP und eine zugrunde liegende Typ-2-Inflammation. Ein Positionspapier eines Expertengremiums unter Mitwirkung der DGHNO-KHC nimmt daher zur Anwendung von Biologika bei diesem Krankheitsbild ausführlich Stellung und unterstützt die behandelnden Ärzte bei den Fragestellungen zur Indikation. Biologika seien schon heute unverzichtbar bei der Behandlung der schweren CRSwNP, so Olze. Die Therapie solle nicht nur in spezialisierten Zentren stattfinden, sondern sollte laut Olze „in die Breite und muss auch in den Praxen passieren“. Doch auch in Zukunft werden örtlich angewendete Glukokortikoide die Grundlage der Therapie darstellen und auch Operationen bleiben notwendig. „Moderne diagnostische Methoden werden aber dazu beitragen, weitere Indikationen für den Einsatz von Biologika bei diesem Krankheitsbild zu etablieren und eine personalisierte Medizin auszubauen“, so Olze. Dann könne man beispielsweise anhand der Bestimmung von Biomarkern im Rahmen einer personalisierten Medizin noch genauer vorhersagen, welche Patienten von den Biologika profitieren. Derzeit sei dies allerdings noch nicht möglich. „Aber da ist eine Menge in Bewegung“, betonte die Expertin.(red/ja) Literatur: Jappe U et al. Biologika bei atopischen Erkrankungen: Indikationsstellung, Nebenwirkungsmanagement und neue Entwicklungen. Allergologie. 2021; 44 (1): 54-80.Hastan D et al. Chronic rhinosinusitis in Europe – an underestimated disease. A GA2LEN study. Allergy. 2011; 66 (9): 1216–1223.Fokkens WJ, Lund VJ, Hopkins C, et al. 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