Blausäure im Tierfutter: Neues Mess-System soll Produktion überwachen

Daniel Ruf (WHZ), Dr. Tobias Baselt (FTZ), Christin Lehmann (Ölmühle Dörnthal), Gerd Lehmann (Covac GmbH) und Prof. Dr. Wolfram Scharff (IFU GmbH) (v.l.). besprechen die Arbeitsschritte zum Projekt-KickOff am 10.09. in der Ölmühle Dörnthal. Quelle: Ivonne Mallasch/FTZ Copyright: FTZ/WHZ

Neue EU-Grenzwerte für Blausäure stellen Lebensmittel und Futtermittelproduzenten vor große Herausforderungen. Leinsamen, Bittermandeln und Aprikosenkerne enthalten von Natur aus cyanogene Glykoside, die Blausäure freisetzen können. Hilfe ist in Arbeit.

Wissenschaftler des Forschungs- und Transferzentrums (FTZ e.V.) und der Westsächsischen Hochschule Zwickau (WHZ) entwickeln gemeinsam mit der Ölmühle Dörnthal, dem Institut für Umweltanalysen (IfU) und der COVAC Elektro und Automation GmbH ein mobiles Messsystem zur Detektion von Blausäurekonzentrationen in der Lebensmittelproduktion.

„Leinsamen können beim Zermahlen, Pressen und beim Kontakt mit Wasser geringe Mengen an Blausäure freisetzen. Diese Verbindungen müssen durch angepasste Prozesse aus dem Presskuchen entfernt werden. Leinöl selbst ist frei von Blausäure“, erklärt Christin Lehmann, stellvertretende Geschäftsführerin der Ölmühle Dörnthal.

Erfassung von Blausäurekonzentrationen inline und in Echtzeit

Das neue cyber-physische Messsystem soll Blausäurekonzentrationen im Leinsamen, in der Luft und im Wasser während der Verarbeitung inline und in Echtzeit erfassen. „Wir wollen die Prozesse direkt im laufenden Betrieb überwachen, um Grenzwertüberschreitungen zu verhindern und Kosten für die Hersteller zu senken“, betont Prof. Dr. Peter Hartmann, Leiter der Arbeitsgruppe Optische Technologien an der WHZ. Das System soll herkömmliche, teure und zeitaufwändige Stichprobenanalysen in externen Laboren ersetzen. Die Technologie bietet zudem Potenzial für andere Mühlen und Lebensmittelproduzenten, die Lebensmittel mit cyanogenen Verbindungen verarbeiten.

Die Leinpflanze, auch Flachs genannt, wird nur in kleinen Mengen in Sachsen angebaut. Hauptlieferant der Ölmühle ist Kasachstan. Quelle: © Christin Lehmann/Öhlmühle

WHZ und FTZ entwickeln optisches Messverfahren und Steuerungselektronik

Ziel ist es, ein robustes und praxisnahes Sensorsystem aufzubauen, das Grenzwertüberschreitungen frühzeitig signalisiert und so zur Prozessüberwachung und Sicherheit beiträgt. Die WHZ entwickelt dafür ein optisches Messverfahren, das die Konzentration von Blausäure sowohl in der Luft als auch im Wasser zuverlässig bestimmen kann. Zum Einsatz kommt dabei die Multipass-Absorptionsspektroskopie mit durchstimmbaren Laserdioden. Das FTZ konzentriert sich auf die Entwicklung der notwendigen Elektronik und Software. Dazu gehören die präzise Ansteuerung der Laserdioden, die Anbindung der Detektoren sowie eine Auswertesoftware, die die Messergebnisse in konkrete Konzentrationswerte übersetzt.

Partner liefern Proben, Messtechnik und Elektronik

Die Ölmühle Dörnthal stellt Messproben bereit und untersucht Herstellungsverfahren und Prozessbedingungen, die die Freisetzung von Blausäure beeinflussen. Das IfU entwickelt praxistaugliche Messtechnik für Proben und Voruntersuchungen. COVAC übernimmt die Entwicklung von Elektronik, Software und Hardware zur Steuerung, Auswertung und Integration in den Produktionsprozess.

EU-Grenzwerte

Für den Einsatz in Lebens- und Futtermitteln gelten Höchstgehalte an Blausäure, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die EU legt für Leinsamen, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, einen Grenzwert von 150 mg/kg fest. In der Futtermittelwirtschaft orientieren sich Zertifizierungssysteme wie GMP+ an Richtwerten von bis zu 350 mg/kg für Leinkuchen. Diese Grenzwerte stellen sicher, dass Leinsamen und ihre Nebenprodukte in der Praxis sicher eingesetzt werden können – sei es in der Ernährung oder in der Tierfütterung.

Über das Projekt

Das Projekt Cyber-Safe („Cyber-physisches System zur Inline-Erfassung von Hydrogencyanid als wesentliche Komponente von Blausäure in der Lebensmittelindustrie“) startete am 1. Juli 2025 und läuft bis 31. Dezember 2027. Koordinator ist die Ölmühle Dörnthal.
Fördermittelgeber: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
Förderprogramm: ZIM
Förderkennzeichen: KK5016610DF4

Über die Arbeitsgruppe Optische Technologien der WHZ

Die Arbeitsgruppe „Optische Technologien“ am Leupold-Institut für angewandte Naturwissenschaften der WHZ entwickelt moderne Lösungen für messtechnische Herausforderungen in Industrie, Gesundheit und Umwelt. Studierende sind aktiv in die Forschung eingebunden – von Praktika über studentische Hilfstätigkeiten bis hin zu Abschlussarbeiten.