Blutdrucksenkung bei Typ-2-Diabetes: Angepasste Schwellenwerte sind unnötig

 

OXFORD (Biermann) – Es ist umstritten, ob der Schwellenwert für eine blutdrucksenkende Behandlung bei Personen mit und ohne T2D unterschiedlich hoch angesetzt werden sollte.

Ein Team aus britischen, US-amerikanischen, kanadischen und australischen Forschern setzte es sich zum Ziel, die Auswirkungen einer blutdrucksenkenden Therapie auf das Risiko schwerer kardio­vaskulärer Ereignisse in Abhängigkeit vom T2D-Status sowie von den Ausgangswerten des systolischen Blutdruckes zu analysieren.

Dazu führten sie eine Meta­analyse verschiedener randomisierter kontrollierter Studien durch und verwendeten den Datensatz der „Blood Pressure Lowering Treatment Trialists‘ Collaboration“. Studien mit Informationen zum T2D-Status zu Studienbeginn wurden berücksichtigt, wenn sie blutdrucksenkende Medikamente vs. Placebo oder andere blutdrucksenkende Medikamente oder vs. eine Standard-Blutdrucksenkungsstrategie verglichen und ≥1000 Personenjahre Nachbeobachtung in jeder Gruppe aufwiesen. Ausgeschlossen wurden zudem  ­Studien, die ausschließlich Teil­nehmer mit Herzinsuffizienz oder mit Kurzzeittherapien und akutem Myokardinfarkt oder anderen akuten Situationen betrafen.

Die Forscher bewerteten Behandlungseffekte pro 5-mmHg-Senkung des systolischen Blutdruckes auf das Risiko, ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis zu entwickeln, definiert als das 1. Auftreten eines tödlichen/nichttödlichen Schlag­anfalls oder einer zerebrovaskulären Erkrankung, einer tödlichen/nichttödlichen ischämischen Herzerkrankung oder einer Herzinsuffizienz, die zum Tod führte oder einen Kranken­hausaufenthalt erforderte.

Cox-Modelle dienten dazu, die HR getrennt nach T2D-Status zu Studien­beginn zu schätzen. Zusätzlich erfolgte eine weitere Stratifizierung anhand der Kategorien des systo­lischen Blutdruckes zu Studien­beginn (in 10-mmHg-Schritten von <120 mmHg bis ≥170 mmHg). Zur Schätzung der absoluten Risiko­reduktion wurde ein Regressionsmodell über die Dauer des Follow-ups verwendet. Die Wirkung jeder der 5 wichtigsten blutdrucksenkenden Medikamentenklassen (Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptorblocker, b-Blocker, Kalziumkanalblocker und Thiaziddiuretika) wurde mittels Netzwerk-Metaanalyse geschätzt.

So konnten Daten aus 51 randomisierten klinischen Studien berücksichtigt werden, die zwischen 1981 und 2014 veröffentlicht wurden und an denen 358.533 Probanden (58 % Männer) teilnahmen, von denen 103.325 (29 %) bei Studienbeginn einen diagnostizierten T2D auf­wiesen. Der mittlere systolische/diastolische Blutdruck der Teilnehmer mit bzw. ohne T2D lag zu Studienbeginn bei 149/84 mmHg (SD 19/11) bzw. 153/88 mmHg (SD 21/12).

Während des medianen Follow-ups von 4,2 Jahren verringerte eine Senkung des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg das Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse in beiden Gruppen, allerdings mit einem schwächeren relativen Behandlungseffekt bei T2D-Patienten (HR 0,94; 95 %-KI 0,91–0,98) im Vergleich zu Personen ohne T2D (HR 0,89; 95 %-KI 0,87–0,92; pInteraktion=0,0013). Aufgrund des höheren absoluten kardio­vaskulären Risikos bei T2D-Patienten unterschieden sich die absoluten Risikoreduktionen jedoch nicht wesentlich zwischen Personen mit und ohne T2D. Zudem konnten in keiner der beiden Gruppen zuverlässige Hinweise auf eine Hetero­genität der Behandlungseffekte in Abhängigkeit vom systolischen Blutdruck zu Studienbeginn nachgewiesen werden. Schließlich ergab die Analyse mittels stratifizierter Netzwerk-Metaanalyse für keine der untersuchten Wirkstoffklassen Hinweise darauf, dass sich die relativen Behandlungseffekte zwischen Teilnehmern mit und ohne T2D wesentlich unterscheiden.

Zwar sind die relativen positiven Auswirkungen der Blutdruck­senkung auf schwer­wiegende kardio­vaskuläre Ereignisse bei T2D-Patienten schwächer als bei Personen ohne T2D, die absoluten Effekte sind jedoch ähnlich. Der Unterschied in der relativen Risikoreduktion ist dabei weder mit dem Ausgangs­blutdruck noch mit verschiedenen Medikamenten­klassen assoziiert. Die  Anwendung unterschiedlicher Blutdruckschwellenwerte, Intensitäten der Blutdrucksenkung oder Medikamentenklassen bei Personen mit und ohne T2D ist daher nicht gerechtfertigt. 

 

Autoren: Nazarzadeh M et al. 
Korrespondenz: Dr. Kazem Rahimi, University of Oxford, Department of Women‘s and Reproductive Health, Oxford, Großbritannien;
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Studie: Blood pressure-lowering treatment for prevention of major cardiovascular diseases in people with and without type 2 diabetes: an individual participant-level data meta-analysis
Quelle: Lancet Diabetes Endocrinol 2022;­10(9):645–654.
doi: 10.1016/S2213-8587(22)00172-3