Blutdrucksenkung bei Typ-2-Diabetes: Angepasste Schwellenwerte sind unnötig31. Oktober 2022 OXFORD (Biermann) – Es ist umstritten, ob der Schwellenwert für eine blutdrucksenkende Behandlung bei Personen mit und ohne T2D unterschiedlich hoch angesetzt werden sollte. Ein Team aus britischen, US-amerikanischen, kanadischen und australischen Forschern setzte es sich zum Ziel, die Auswirkungen einer blutdrucksenkenden Therapie auf das Risiko schwerer kardiovaskulärer Ereignisse in Abhängigkeit vom T2D-Status sowie von den Ausgangswerten des systolischen Blutdruckes zu analysieren. Dazu führten sie eine Metaanalyse verschiedener randomisierter kontrollierter Studien durch und verwendeten den Datensatz der „Blood Pressure Lowering Treatment Trialists‘ Collaboration“. Studien mit Informationen zum T2D-Status zu Studienbeginn wurden berücksichtigt, wenn sie blutdrucksenkende Medikamente vs. Placebo oder andere blutdrucksenkende Medikamente oder vs. eine Standard-Blutdrucksenkungsstrategie verglichen und ≥1000 Personenjahre Nachbeobachtung in jeder Gruppe aufwiesen. Ausgeschlossen wurden zudem Studien, die ausschließlich Teilnehmer mit Herzinsuffizienz oder mit Kurzzeittherapien und akutem Myokardinfarkt oder anderen akuten Situationen betrafen. Die Forscher bewerteten Behandlungseffekte pro 5-mmHg-Senkung des systolischen Blutdruckes auf das Risiko, ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis zu entwickeln, definiert als das 1. Auftreten eines tödlichen/nichttödlichen Schlaganfalls oder einer zerebrovaskulären Erkrankung, einer tödlichen/nichttödlichen ischämischen Herzerkrankung oder einer Herzinsuffizienz, die zum Tod führte oder einen Krankenhausaufenthalt erforderte. Cox-Modelle dienten dazu, die HR getrennt nach T2D-Status zu Studienbeginn zu schätzen. Zusätzlich erfolgte eine weitere Stratifizierung anhand der Kategorien des systolischen Blutdruckes zu Studienbeginn (in 10-mmHg-Schritten von <120 mmHg bis ≥170 mmHg). Zur Schätzung der absoluten Risikoreduktion wurde ein Regressionsmodell über die Dauer des Follow-ups verwendet. Die Wirkung jeder der 5 wichtigsten blutdrucksenkenden Medikamentenklassen (Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptorblocker, b-Blocker, Kalziumkanalblocker und Thiaziddiuretika) wurde mittels Netzwerk-Metaanalyse geschätzt. So konnten Daten aus 51 randomisierten klinischen Studien berücksichtigt werden, die zwischen 1981 und 2014 veröffentlicht wurden und an denen 358.533 Probanden (58 % Männer) teilnahmen, von denen 103.325 (29 %) bei Studienbeginn einen diagnostizierten T2D aufwiesen. Der mittlere systolische/diastolische Blutdruck der Teilnehmer mit bzw. ohne T2D lag zu Studienbeginn bei 149/84 mmHg (SD 19/11) bzw. 153/88 mmHg (SD 21/12). Während des medianen Follow-ups von 4,2 Jahren verringerte eine Senkung des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg das Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse in beiden Gruppen, allerdings mit einem schwächeren relativen Behandlungseffekt bei T2D-Patienten (HR 0,94; 95 %-KI 0,91–0,98) im Vergleich zu Personen ohne T2D (HR 0,89; 95 %-KI 0,87–0,92; pInteraktion=0,0013). Aufgrund des höheren absoluten kardiovaskulären Risikos bei T2D-Patienten unterschieden sich die absoluten Risikoreduktionen jedoch nicht wesentlich zwischen Personen mit und ohne T2D. Zudem konnten in keiner der beiden Gruppen zuverlässige Hinweise auf eine Heterogenität der Behandlungseffekte in Abhängigkeit vom systolischen Blutdruck zu Studienbeginn nachgewiesen werden. Schließlich ergab die Analyse mittels stratifizierter Netzwerk-Metaanalyse für keine der untersuchten Wirkstoffklassen Hinweise darauf, dass sich die relativen Behandlungseffekte zwischen Teilnehmern mit und ohne T2D wesentlich unterscheiden. Zwar sind die relativen positiven Auswirkungen der Blutdrucksenkung auf schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse bei T2D-Patienten schwächer als bei Personen ohne T2D, die absoluten Effekte sind jedoch ähnlich. Der Unterschied in der relativen Risikoreduktion ist dabei weder mit dem Ausgangsblutdruck noch mit verschiedenen Medikamentenklassen assoziiert. Die Anwendung unterschiedlicher Blutdruckschwellenwerte, Intensitäten der Blutdrucksenkung oder Medikamentenklassen bei Personen mit und ohne T2D ist daher nicht gerechtfertigt. Autoren: Nazarzadeh M et al. Korrespondenz: Dr. Kazem Rahimi, University of Oxford, Department of Women‘s and Reproductive Health, Oxford, Großbritannien;[email protected]Studie: Blood pressure-lowering treatment for prevention of major cardiovascular diseases in people with and without type 2 diabetes: an individual participant-level data meta-analysisQuelle: Lancet Diabetes Endocrinol 2022;10(9):645–654.doi: 10.1016/S2213-8587(22)00172-3