Bluthochdruck und sozioökonomische Aspekte: Präventionsbotschaften müssen alle erreichen

Foto: ©TIMDAVIDCOLLECTION/stock.adobe.com

Die Prävalenz von Bluthochdruck steigt, und zwar besonders rasant in den wirtschaftlich schwachen Regionen Deutschlands. Eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung von Präventionsbotschaften nehmen nach Ansicht der Deutschen Hochdruckliga Betriebsärztinnen und -ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker ein.

Da viele junge Menschen keinen Hausarzt mehr hätten, suchten sie nur medizinische Hilfe im Krankheitsfall. „Die Früherkennung von Bluthochdruck fällt dann oft hinten runter“, erklärt die Gesellschaft anlässlich des am Donnerstag, 01.12.2022, gestarteten Deutschen Hypertonie Kongresses in Berlin.  

Die Prävalenz von Bluthochdruck hat sich zwischen 1990 und 2019 verdoppelt – aufgrund des prognostizierten Bevölkerungswachstums, der zunehmenden (Über-)Alterung der Gesellschaft, aber auch der Zunahme des Körpergewichts wird sogar noch ein weiterer Anstieg erwartet.

Im Jahr 2018 wurde bei 19 Millionen gesetzlich Krankenversicherten (26,3 %) in Deutschland eine Hypertonie diagnostiziert. Die erfreuliche Nachricht: Nicht überall nimmt die Prävalenz gleichermaßen zu. Im Versorgungsatlas des Sozialinstituts für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland ist nachzulesen, dass in den neuen Bundesländern die standardisierte Prävalenz mit 30,3% höher lag als in den alten Ländern (24,0%). Darüber hinaus zeigte sich „ein deutlich mit dem Ausmaß an regionaler Deprivation des Wohnkreises stetig zunehmendes Risiko für eine Hypertonie“.

Nach Ansicht des Kongresspräsidenten Prof. Bernd Sanner spiegelt sich hier wider, dass Gesundheitsvorsorge auch eine gesellschaftliche Aufgabe sei – und überlegt werden müsse, wie Menschen in sozial prekären Situationen überhaupt mit Präventionsbotschaften erreicht werden können. „Es ist schwierig, Menschen, die akute soziale und ökonomische Probleme haben, die z. B. nicht wissen, wie sie Inflation und hohe Energiekosten bewältigen können, zu einem gesünderen Lebensstil zu bewegen, der sich erst in Jahren und Jahrzehnten im Hinblick auf die Gesundheit auszahlt.“ Dennoch dürfe man nicht müde werden, für die Erkrankung Bluthochdruck zu sensibilisieren. 

„Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen, die heute am unteren sozialen Rand der Gesellschaft leben, eine ebenso gute Überlebensprognose haben wie diejenigen, die sozial bessergestellt sind“, betont Sanner. Für besonders wichtig erachten die Experten der Deutschen Hochdruckliga dabei Informationen zum Thema. Um die Menschen aber überhaupt erst mit den Informationen zu erreichen, wünscht sich Sanner den Schulterschluss mit Ärztinnen und Ärzten anderer Fachgebiete – beispielsweise der Gynäkologie oder der Arbeitsmedizin – sowie mit Apothekerinnen und Apothekern. Letztere könnten dem Experten zufolge übergewichtige Kunden oder Menschen, die sich häufig Kopfschmerzmedikamente kaufen, ansprechen und für das Thema Bluthochdruck sensibilisieren. Auch ist in der Apotheke eine medizinisch korrekte Messung möglich.

Die gesicherte Diagnose ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Eine blutdrucksenkende Therapie ist nur wirksam, wenn sie auch angewendet wird. Laut dem Wuppertaler Experten liegen nur etwa bei der Hälfte der Behandelten die Blutdruckwerte im Zielbereich. Er führt dies vor allem auf eine mangelnde Therapietreue zurück. Eine wichtige Herausforderung für Ärztinnen und Ärzte sei es, ein Vertrauensverhältnis zu den Betroffenen aufzubauen, das vor eigenmächtigem Absetzen der Medikation aufgrund von unerwünschten Begleiterscheinungen schütze. „Wenn die Patientinnen und Patienten zu uns kommen, weil die Therapie Nebenwirkungen macht, ist das schon die halbe Miete. Dann haben wir die Chance, die Therapie umzustellen, so lange, bis wir die individuell optimale Therapie gefunden haben, die den Blutdruck effektiv und nebenwirkungsfrei senkt.“ 

Therapieoptionen gebe es ausreichend. Ein weiterer Faktor, der die Therapietreue ausbremse, sei die Tablettenlast. Bekannt ist, dass die Adhärenz mit der Zahl der Tabletten abnimmt. Die europäische Leitlinie zur Behandlung von Bluthochdruck empfiehlt daher seit 2018 den Einsatz von Fixdosiskombinationen, also von „2 in 1“ (oder „3 in 1“)-Blutdrucksenkern. „Diese Option müssen wir stärker nutzen, um das Behandlungsziel zu erreichen“, erklärte der Experte abschließend.

(ah)