Blutzucker normalisieren, Herzinfarkt-Risiko halbieren

Eine Normalisierung des Blutzuckers kann bei Betroffenen mit Prädiabetes nicht nur das Risiko für Typ-2-Diabetes, sondern auch für kardiovaskuläre Erkrankungen und Herzinfarkt erheblich senken. Symbolbild: Taras Vykhopen/stock.adobe.com

Eine Normalisierung des Blutzuckers bei Menschen mit Prädiabetes halbiert ihr Risiko für Herzinfarkt, Herzschwäche und frühen Tod. Diese Erkenntnis aus einer internationalen Analyse könnte die Prävention revolutionieren – und ein neues, messbares Ziel für die Leitlinien etablieren.

Millionen Menschen in Deutschland leben mit erhöhten Blutglukosewerten, ohne es zu wissen. Der Prädiabetes blieb bislang jedoch ohne klar definiertes Therapieziel. Betroffene erhalten in der Regel die Empfehlung, Gewicht zu verlieren, sich mehr zu bewegen und sich gesünder zu ernähren. Diese Lebensstiländerungen verbessern Fitness, Wohlbefinden und verschiedene Risikofaktoren. Doch schützen sie auch das Herz langfristig?

Bisher konnte kein Lebensstilprogramm für Menschen mit Prädiabetes überzeugend zeigen, dass es Herzinfarkte, Herzschwäche oder kardiovaskuläre Todesfälle über Jahrzehnte hinweg nachhaltig reduziert. Eine gemeinsame Auswertung zweier der weltweit größten Diabetespräventionsstudien – aus den USA und China – bringt nun Klarheit. Zusammen mit Kollegen aus den USA und China konnten Forschende des DZD, des Universitätsklinikums Tübingen und von Helmholtz Munich zeigen: Entscheidend ist offenbar nicht die Lebensstiländerung an sich, sondern eine Normalisierung des Blutzuckers.

Halbiertes Risiko für Herz und Gefäße

Die Langzeitdaten von mehr als 2400 Menschen mit Prädiabetes belegen: Menschen, denen es gelingt, ihren Blutglukosewert zu normalisieren, haben ein deutlich geringeres Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben oder wegen Herzschwäche ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, als diejenigen, deren Glukosewerte erhöht bleiben – selbst dann, wenn beide Gruppen in ähnlichem Ausmaß an Gewicht verlieren.

In beiden Studien war für die Teilnehmenden das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle um rund 50 Prozent geringer, auch die Sterblichkeit insgesamt sank signifikant. Die amerikanische Studie beobachtete ihre Probanden über einen Zeitraum von 20 Jahren, ihr chinesisches Pendant sogar über 30 Jahre. Unter Führung des Tübinger Teams wurden diese Datensätze harmonisiert und erneut ausgewertet, um Raten von kardiovaskulärem Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz bei Personen mit und ohne Prädiabetes-Remission zu vergleichen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift “The Lancet Diabetes & Endocrinology” veröffentlicht.

Ein neues, messbares Ziel für die Medizin

Bisher stützt sich die Herz-Kreislauf-Prävention auf drei Säulen: Blutdruckkontrolle, Senkung des LDL-Cholesterins und Rauchstopp. Mit den neuen Erkenntnissen könnte ein vierter Pfeiler hinzukommen: die nachhaltige Normalisierung der Blutglukose bei Prädiabetes. Ein nüchterner Blutglukosewert von ≤ 97 mg/dl erwies sich als einfacher Marker für ein dauerhaft geringeres Herzrisiko – unabhängig von Alter, Gewicht oder ethnischer Herkunft. Diese Schwelle könnte weltweit in der Hausarztpraxis Anwendung finden und so die Prävention greifbarer machen.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Remission des Prädiabetes nicht nur – wie bereits bekannt – den Ausbruch eines Typ-2-Diabetes verzögert oder verhindert, sondern Menschen auch langfristig vor schweren Herzkreislauferkrankungen schützt – und zwar über Jahrzehnte hinweg“, sagt Prof. Andreas Birkenfeld, Vorstandsmitglied des DZD und Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik IV am Universitätsklinikum Tübingen.

Deutschland im internationalen Vergleich abgeschlagen

Deutschland hinkt bei präventiver Gesundheitsversorgung hinterher. Laut dem aktuellen Public Health Index belegt das Land den vorletzten Platz von 18 untersuchten europäischen Ländern bei der Umsetzung wissenschaftlich fundierter Präventionsmaßnahmen. Dies hat zur Folge, dass das Risiko in Deutschland an einer Herzkreislauf-Erkrankung zu versterben signifikant erhöht ist im Vergleich mit europäischen Nachbarn.

Die neue Studie zeigt, welches Potenzial ungenutzt bleibt – und wie konkrete Zielwerte die öffentliche Gesundheit entscheidend verbessern können. „Wir sehen ein klares therapeutisches Fenster: Wenn die Glukosewerte bereits im Stadium des Prädiabetes normalisiert werden, kann das langfristige Risiko für Herzinfarkt, Herzinsuffizienz und vorzeitigen Tod deutlich reduziert werden. Unsere Daten sprechen dafür, Remission ausdrücklich als primäres Therapieziel in Leitlinien zur Prävention von Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verankern“, appelliert Birkenfeld.

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