Bonobos wachsen ähnlich wie Menschen

Bonobo-Mutter mit Jungtier. Foto: © Verena Behringer

Ausgeprägtes, menschenähnliches Wachstum in der Pubertät existiert auch bei Bonobos und vermutlich auch bei anderen Affen. Das ergab eine Studie des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen und der Vetmeduni Wien.

Der Mensch ist diesbezüglich also weniger außergewöhnlich als bisher gedacht. Eltern mit Kindern im Jugendalter kennen das nur zu gut: Eben reichen einem „die Kleinen“ gerade bis zur Schulter und plötzlich wachsen sie einem über den Kopf. Bisher wurde angenommen, dass es solche pubertären Wachstumsschübe in der Körperlänge nur beim Menschen, nicht jedoch bei anderen Primaten gibt. Eine Studie des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen und der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte diese gängige Hypothese nun an Bonobos (Pan paniscus). 

Es bestand bisher ein breiter Konsens darüber, dass der menschliche pubertäre Wachstumsschub in der Körperlänge evolutionär einzigartig ist und bei anderen Primaten fehlt. Allerdings gibt es solche jugendlichen Wachstumsschübe im Körpergewicht bei vielen Primatenarten, einschließlich dem Menschen. Die soeben in „eLife“ veröffentlichte Studie vermutete und bestätigte nun, dass der Grund dieser Divergenz an methodischen Problemen liegt.

Nur korrekte Skalierung führt zu korrekten Ergebnissen

In ihrer wissenschaftlichen Arbeit verwendeten die Forschenden drei Ansätze: Sie skizzierten zunächst, wie Skalierungsprobleme und falsche Vergleiche zwischen Wachstumsraten von Körperlänge (linear) und Gewicht (Volumen) zu irreführenden Interpretationen, quasi zu einem Vergleich von Äpfeln mit Birnen, führen können.

Anschließend wendete das Forschungsteam einen skalenkorrigierten Ansatz auf einen umfangreichen Datensatz von 258 in Zoos lebenden Bonobos an. Diese Daten umfassten Gewichts- und Längenwachstum sowie mehrere physiologische Marker in Bezug auf Wachstum und Pubertät. „Wir fanden bei beiden Geschlechtern ausgeprägte Wachstumsschübe in Körpergewicht und Körperlänge. Gewichts- und Längenwachstumskurven korrespondierten miteinander und mit Mustern von Testosteron- und IGFBP-3-Spiegeln, die pubertären Hormonschüben beim Menschen ähneln“, so Studien-Erstautor Andreas Berghänel vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Veterinärmedizinischen Universität Wien zu den neuen Ergebnissen.

Neue Interpretation von Studien liefert andere Erkenntnisse

In einem dritten Schritt wurden in anderen Studien veröffentlichte Daten zum Wachstum von Affen neu interpretiert. Im Ergebnis zeigte sich, dass es pubertäre Wachstumsschübe in Gewicht und Länge nicht nur bei Bonobos, sondern sehr wahrscheinlich auch bei anderen Affen gibt. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Berücksichtigung von Skalierungsgesetzen bei der Interpretation von Wachstumskurven im Allgemeinen“, resümiert Verena Behringer, Wissenschaftlerin im Hormonlabor am Deutschen Primatenzentrum und Seniorautorin der Publikation. „Ferner zeigen unsere Daten, dass ausgeprägte, menschenähnliche pubertäre Wachstumsschübe in Körpergewicht und Körperlänge nicht nur bei Bonobos, sondern wahrscheinlich auch bei vielen anderen Affen existieren.“

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit ForscherInnen der Odisee University of Applied Sciences, dem Antwerp Zoo Centre for Research and Conservation, der Universität Antwerpen, der Max-Planck-Institute für evolutionäre Anthropologie und für Verhaltensbiologie und des Instituts für Kognitionswissenschaft der Universität Osnabrück durchgeführt. Außerdem stellten 19 Zoos ihre Daten zur Verfügung und trugen maßgeblich zum Erfolg der Studie bei.