Bpt Intensiv läuft zu alter Form und Stärke auf2. Mai 2023 Bpt Intensiv 2023 in der Bielefelder Stadthalle Foto: © Sigrun Grombacher Vom 27.04. bis 30.04.2023 fand die diesjährige Intensiv-Fortbildung des Bundesverbandes Praktischer Tierärzte (bpt) in Bielefeld statt. Schwerpunktthema war „Der Notfallpatient“. Die Resonanz unter Tierärzten und Ausstellern war durchweg positiv. Vor Notfällen ist im tierärztlichen Arbeiten niemand gefeit. Und so trafen die praxisnahen Vorträge der bpt Intensiv 2023 auf ein dankbares Auditorium, was sich in der durchweg positiven Resonanz der teilnehmenden Tierärzte widerspiegelte. An der Fortbildung nahmen 1165 Tierärzte und Tierärztinnen teil, die überwiegende Mehrheit in Präsenz, sowie 282 Tiermedizinische Fachangestellte. Border Terrier “Breeze” feierte ihren zweiten Geburtstag am 29.04. und sahnte an jedem Stand ordentlich ab … Foto: © Sigrun Grombacher Dr. Bodo Kröll aus Erfurt startete am frühen Freitagmorgen in den Vortragszyklus mit den Instruktionen des Patientenbesitzers in der Notfallsituation. Er wies daraufhin, dass Tierärzte von der Berufsordnung her dazu verpflichtet seien, erste Hilfe zu leisten und damit Notfälle zu behandeln – zuweilen auch in Abwesenheit des Besitzers. Außerdem machte er deutlich, dass der reibungslose Ablauf der Notfallbehandlung ein Aushängeschild für die jeweilige Praxis respektive Klinik darstelle, was sich insbesondere im negativen Falle in entsprechenden Kommentaren im Internet dokumentiere. Der Umgang mit solchen Notsituationen, die Kommunikation mit dem Tierbesitzer und welche Utensilien benötigt werden, sollten mit dem Praxisteam immer wieder geübt werden. Die Einführung von Qualitätsstandards helfe bei der erfolgreichen Behandlung von Notfällen. Im Anschluss daran sprach PD Dr. Nadja Sigrist, Schweiz, über die Triage in den Notfallversorgung. Sie wies daraufhin, dass es zur korrekten Einschätzung des Patienten und damit zur Festlegung der optimalen Reihenfolge der Notfallpatienten absolut unerlässlich ist, die Tiere klinisch in Augenschein zu nehmen, anzufassen und die wichtigsten Parameter nach dem ABCD-Schema kurz einzuordnen. Falls dafür kein Tierarzt zur Verfügung stehe, sollte dies durch eine erfahrene TFA erfolgen. Bpt- Intensiv-Fortbildung 2023 Foto: © Sigrun Grombacher Sehr eindringlich erschien ihre Schilderung einer Fehleinschätzung, die ihr vor über 25 Jahren als junge Tierärztin unterlaufen war. Als sie bei drei gleichzeitig vor ihr stehenden bzw. liegenden Notfallpatienten, die Magendrehung einem blutenden Milztumor zeitlich vorgezogen hatte. Natürlich sei eine Magendrehung immer ein Notfall, aber es gäbe weitere Notfälle, die unter Umständen eine höhere Dringlichkeitsstufe haben könnten – je nach Konstellation der vorgestellten Fälle. Sigrist konnte den Hund mit dem blutenden Milztumor zwar noch im Behandlungszimmer untersuchen, da sie bei der Erstversorgung des Patienten mit der Magendrehung schnell gewesen war, doch für ihr eigenes tierärztliches Handeln und dem daraus resultierenden Lernvorgang hat sie die gewählte Reihenfolge als Fehleinschätzung verbucht. Die „Fehleinschätzung” hat sich im weiteren Verlauf jedoch insofern relativiert, als dass es sich bei dem Milztumor mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um ein Hämangiosarkom handelte und der Hundebesitzer sich der bescheidenen Prognose wegen zur sofortigen Euthanasie seines Tieres entschloss. Es sind diese Fehler – die einen selbst so sehr kränken und an der eigenen Ehre „rütteln”, dass man sie nie vergisst, auch nach Jahrzehnten nicht – an denen man wirklich lernt und wächst als Tierarzt. Welcher Patient die höchste Dringlichkeit hat, lässt sich stets nur am Patienten selbst feststellen und nicht etwa an den Aussagen des aufgeregten Tierbesitzers. Am Ende ihres Vortrages zeigte sie ein kurzes Video einer Tracheotomie an einem Hundekadaver. Zwar sei die Indikation zur Tacheotomie selten gegeben, mit Ausnahme der brachyzephalen Rassen, wenn sie aber wie etwa bei einem Zungengrundhämatom (durch eine Nadel z. B.) doch einmal unumgänglich sei, dann sei es gut, vorher zu wissen, wo man schneiden sollte. Der Vortrag ist wie alle Beiträge in der Mediathek bis zum 21.05.2023 abrufbar. Foto: © Sigrun Grombacher In einem Parforceritt stellte Dr. Hendrick Lehmann aus Wien, Österreich, die Grundsätze der Infusionstherapie beim Notfallpatienten dar. Er bot einen ausgezeichneten Überblick über die wichtigsten kristalloiden und kolloidalen Infusionslösungen und ihre Indikationsgebiete. Auch repetierte er die Berechnung der zu verabreichenden Volumina und machte deutlich, dass sowohl bei der Erstevaluierung als auch bei der in adäquaten Intervallen vorzunehmenden Neuevaluierung des Patienten immer auch eine Erfassung des Körpergewichtes vorgenommen werden sollte. Als hilfreich bei der Einschätzung des Dehydratationszustandes habe sich neben den üblichen Perfusionsparametern der Point of Care Ultraschall (POCUS) erwiesen. Er wies darauf hin, dass beim septischen Schock die Gefäße in der Regel weitgestellt seien, sodass es gelegentlich notwendig sei, diese Patienten zusätzlich mit blutdrucksteigernden Medikamenten zu versorgen. Dr. Alexandra Schütter von der TiHo Hannover sprach im Anschluss über die Narkose beim Risikopatienten: Agieren statt Reagieren, so ihr Credo. Am Freitagabend war Prof. Heide Glaesmer, Psychologische Psychotherapeutin von der Universität Leipzig, live für ihren Vortrag zugeschaltet. Sie stellte ihre Forschung zu psychischen Belastungen und Suizidrisiko bei Veterinärmedizinern in Deutschland vor. Auch gab Glaesmer Anregungen, wie Tierärzte einem Burnout vorbeugen können. Fotos: © Sigrun Grombacher Die Hunde hatten sichtlich Spaß. Genug Handtücher waren auch vorhanden … Am Samstag sorgten die Falldarstellungen wie immer für regen Austausch zwischen Referierenden und Auditorium. Dr. Anna Layer von der Tierklink Ismaning eröffnete den Reigen mit der Französischen Bulldogge „Franz“, die mit unproduktivem Erbrechen vorgestellt wurde. Der gefräßige kleine Rüde hatte einen Fremdkörper im Ösophagus, der sich endoskopisch nicht entfernen ließ, stattdessen in den Magen vorgeschoben und letzten Endes chirurgisch entfernt wurde. Layer, hochgradig heiser, arbeitete den Fall sorgfältig mit dem Auditorium auf. Im späteren Tagesverlauf sorgte Dr. Carsten Grußendorf für Heiterkeitsausbrüche beim Publikum durch seinen spröden, norddeutschen Humor. Der Klinikleiter des Tiergesundheitszentrums Bramsche, offensichtlich ein leidenschaftlicher Cineast und Anhänger ausdrucksstarker Charaktere, gab zu Beginn seines Vortrages die Parole aus, den Patientenbesitzern stets alles zu unterbreiten an therapeutischen Möglichkeiten, was die veterinärmedizinische Hexenküche zu bieten habe. Und er sollte recht behalten mit diesem Hinweis, denn es zeigte sich bei zahlreichen Fällen, wie viele Patientenbesitzer mittlerweile bereit sind durch die (finanzielle) Hölle für ihr Tier zu gehen. Dies bewies auch ein Fall, den Christoph Holtmeyer vorstellte – einen Kater mit Schwanzabriss und großflächigem Hautdefekt. Die Wunde verschloss sich zwar über die Zeit von 3-4 Monaten komplett unter Anwendung von Manuka-Honig, das Tier behielt jedoch trotz medizinscher Versorgung eine Kot- und Harninkontinenz zeitlebens zurück und wurde von seiner Besitzerin, einer examinierten Pflegekraft, die entgegen tierärztlichem Rat zu keinem Zeitpunkt im Verlauf hatte aufgeben wollen, liebevoll versorgt. Holtmeyer, ebenfalls zum Tiergesundheitszentrum Bramsche gehörig, stellte sich bereitwillig der Tierschutz-Diskussion, die eine Zuhörerin im Anschluss an den Fall aufwarf. Auch für die Vierbeiner war einiges geboten. Foto: © Sigrun Grombacher Dr. Charlotte Schlüter von der Tierklinik Hofheim sprach über den Hypoadrenokortizismus beim Hund und über die Therapie mit Desoxycorticosteronpivalat. Eigenen Untersuchungen als auch fremden Studien folgend, berichtete sie, dass das Medikament eher in einem etwas niedrigeren Dosisbereich zu verabreichen sei als in der Packungsbeilage aufgeführt. So genüge bei den meisten Patienten eine Initialdosis von 1,5 mg/kg. Bei vielen Fällen werde es im Verlauf nötig, etwas an der optimalen Dosis zu feilen bzw. diese anzupassen, gegebenenfalls auch nach unten. Das Feintuning erfordere regelmäßige Kontrollen. Die Glucokortikoiddosis sei je nach Stressaufkommen entsprechend anzupassen. Die Zecke im Notdienst – Flohbefall nachts um vier Zum Abschluss leitete Heiko Färber, Geschäftsführer des Bpt, eine Podiumsdiskussion zum Thema „Notfallpatient Notdienst“. Das noch immer brennende Dauerthema lieferte einigen Zündstoff: So hatte das Vorgehen der Uni-Kliniken Berlin und Leipzig, die kurzfristig ihren Klinikstatus aufgegeben hatten, für viel Diskussionsstoff in der Tierärzteschaft gesorgt. Dr. Maren Püschel, Teilhaberin der Tierklinik Wasbek, Schleswig-Holstein, die dies untragbar fand, berichtet über die Erschaffung eines Notdienstsystems in Schleswig-Holstein, das bedürftige Tierhalter in die nächstgelegene Praxis eines der eigens neu eingerichteten zwölf Cluster schickt. Auch Dr. Eva Rash (Warendorf) berichtete von einer erfolgreichen Neuorganisation des Notdienstes in ihrer Region und, dass die beteiligten Tierärzte durch die notwendige Kommunikation näher zusammengerückt seien. Dr. Carsten Grußendorf wollte das „Problem“ Notdienst auch als Chance verstanden wissen. Seiner Auffassung nach, müsse es innovative Arbeitsmodelle geben, um der neuen Situation gerecht zu werden. Er begrüßte ausdrücklich das Konzept von Tierärztin Sara Pfeifer aus Leipzig, die gemeinsam mit einer Kollegin eine reine Notfallpraxis gegründet hat. Auch Grußendorf plädierte dafür, vermehrt Nachtkliniken einzurichten, die den Notdienst abdecken. Bodo Kröll, Leiter eines Fachtierarzt-Zentrums für Kleintiere in Erfurt, empörte sich über die vielen Stellenangebote, die eine notdienstfreie Anstellung in Aussicht stellten. Viele Problemfelder konnten aus Zeitgründen nicht angesprochen werden, so etwa die Themen Leitlinien und Tarifvertrag. Alles in allem eine konfliktbehaftete, wenn auch freundlich geführte Diskussion, die viele Schwierigkeiten offenbarte, aber auch einige Lösungen darbot. In jedem Fall wird das Thema Notdienst die Tierärzteschaft noch länger in Atem halten. „Der einzige Mist auf dem nichts wächst, ist der Pessimist“, zitierte Carsten Grußendorf seinen Vater und zeigte sich optimistisch, dass es auch bei diesem schwierigen Thema eine bzw. mehrere Lösungen geben wird. Und Sara Pfeifer sagte, sie habe mit ihrer Kollegin in den ersten zwei Monaten über 700 Patienten in ihrer Notfallpraxis versorgt. Das spricht für sich. Stimmung bei Besuchern und Ausstellern gleichermaßen gut Foto: © Sigrun Grombacher Der angeregten Notdienstdiskussion zum Trotze war die Stimmung in Bielefeld über die gesamte Intensiv-Fortbildung hinweg sehr gut. Von den 71 Ausstellerfirmen zeigten sich viele zufrieden. So berichtet das Unternehmen Visiovet Medizintechnik, das moderne technische Gerätschaften wie digitales Röntgen, Intraoralröntgen und CBCT anbietet, sowie Dentallösungen und Ultraschall, von Gesprächen mit motivierten, an den neuen Techniken überaus interessierten Praktikern. Auch die Mitarbeiter eines großen tiermedizinischen Labors bestätigten die ungebrochene Investitionsbereitschaft „normaler“ Kleintierpraktiker in Bezug auf Blutgeräte und hochwertige technische Ausstattung. Dr. Sabina Börner, Fachtierärztin aus Baden-Württemberg, war mit den Vorträgen und Falldarstellungen sehr zufrieden und konnte viel Wissen daraus für ihr praktisches Arbeiten gewinnen. Dr. Anke Hinrichs aus Wismar mit Dogge Tamari Foto: © Sigrun Grombacher Auch Dr. Anke Hinrichs aus Wismar, Mecklenburg-Vorpommern, zeigte sich hochzufrieden mit der Veranstaltung in Bielefeld: „Die BPT-Intensivfortbildung in Bielefeld ist für unsere Familie ein fester Termin. Seit 11 Jahren nehme ich jährlich daran teil. Anfangs besuchten meine Kinder mit Begeisterung die Kinderbetreuung. Jetzt kommen sie einfach so mit, da ihnen das Drumherum der Fortbildung noch immer sehr gefällt. Zum zweiten Mal ist unsere Dogge Tamari mit dabei. Ich profitiere jedes Jahr von der intensiven Bearbeitung eines konkreten Themenfeldes auf dieser Veranstaltung für meinen Praxisalltag. Der Termin im kommenden Jahr ist vorgemerkt.“ Die bpt Intensiv-Fortbildung wird nächstes Jahr vom 29.02.2024 – 03.03.2024 in Bielefeld stattfinden. Im Fokus wird dann „Der schweratmige Patient“ stehen. (sg)
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