bpt-Kongress 2024: Spannende Vorträge sorgten für gelungenen Jahresabschluss

V.l.nr.: Heiko Färber (bpt-Geschäftsführer), PD Dr. Andreas Palzer (Beisitzer), Dr. Petra Sindern (1. Vizepräsidentin), Dr. Maren Hellige (Beisitzerin), Dr. Siegfried Moder (Präsident), Dr. Bodo Kröll (Beisitzer), Dr. Maren Püschel (2. Vizepräsidentin), Dr. Heidi Kübler (Schatzmeisterin), Dr. Nicole Lange (Beisitzerin), Anja Eigenseer (Beisitzerin). Foto: © bpt/ Rathke

Mit fast 3400 Besuchern war der bpt-Kongress vom 14. bis 16. November 2024 in Hannover, wie der Veranstalter mitteilt, ein voller Erfolg. Neben 2980 Teilnehmenden, darunter 160 Tierärztliche Fachangestellte, 750 Studierende und zehn Praxismanager, trugen 200 Referenten und zahlreiche Gäste zum Erfolg des Kongresses bei.

In der ausverkauften Fachmesse präsentierten 162 Austellerfirmen aus elf Ländern ihre Produkte und Dienstleistungen. „Ich bin stolz, dass wir der Tierärzteschaft jedes Jahr so eine breite Palette an spannenden Vorträgen, Seminaren und eine innovative Fachmesse anbieten können“, sagte bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder zum Ende des Kongresses.

Ausrichtung auf die Zukunft

Viele Angebote des diesjährigen Fachprogramms beschäftigten sich mit den Themen KI und Digitalisierung. Zur Bewältigung des Fachkräftemangels lassen sich mithilfe von geeigneten Praxismanagementprogrammen, Online-Terminbuchungen und smarten Programmen zum Berichteschreiben und zur Diagnostik viele Abläufe sowohl in der Nutztier- als auch in der Pferde- und Kleintierpraxis effektiver gestalten. In der gewonnenen Zeit können mehr Patienten behandelt werden.

Zeit ist nicht nur für Tierärzte ein zentrales Problem, sie stellt schlichtweg den limitierenden Faktor des Lebens dar. An diesem Wochenende wurde sie auf alle Fälle sinnvoll genutzt. Im Programm fanden sich viele Highlights. Während Dr. Jennifer von Luckner, Anicura Ahlen, und Dr. René Dörfelt, LMU München, am Freitagvormittag, unterstützt durch Romy Röschke, Langenhagen, die mit der Bildgebung einen interessanten Aspekt einbrachte, das Thema Niere bearbeiteten, stand der Nachmittag ganz im Zeichen der Digitalisierung und KI.

Am Samstagvormittag waren Vorträge u. a. der Onkologie, der Endokrinologie und der Fehlerkultur gewidmet. Prof. Peter Böttcher, Leipzig, trug über Anwendung und Möglichkeiten des 3D-Drucks in der Kleintiermedizin vor. Böttcher ist Mitbegründer des Mitteldeutschen Kompetenzzentrum für Kleintiere in Leipzig, das die Entwicklung maßgeschneiderter Implantate samt Schablonen vorantreibt, sowie chirurgischer Bohr- und Sägehilfen. Am Samstagnachmittag drehte sich alles um die Maulhöhle und Zahnchirurgie. Dr. Ingo Blanke, Starnberg/Oberhaching, referierte über die feline chronische Gingivostomatitis. Moderator Dirk Neuhaus wies darauf hin, dass Blanke Fachtierarzt für Zahnheilkunde der Kleintiere ist, ein Titel, der bisher leider nur in Bayern und Schleswig-Holstein erwerbbar sei. Neuhaus sagte, er sähe aufgrund der Relevanz des Fachgebietes, einen hohen Bedarf, dass sich hier etwas tun sollte. Blanke konnte in seinem Vortrag verdeutlichen, dass die feline Gingivostomatitis eine extrem schmerzhafte Erkrankung ist, die die Lebensqualität betroffener Katzen stark beeinträchtige. Eine umfassende Schmerzausschaltung ist stets unmittelbar einzuleiten bei diesen Patienten, außerdem sollte der Blutsstatus erhoben werden, inklusive Virusstatus. Der erste Therapieschritt ist – nach intraoralem Röntgen – immer die Zahnextraktion. Eine Biopsie zur Diagnosesicherung ist dringend angeraten, zuweilen würde man von unschönen Differenzialdiagnosen überrascht. Bei refraktären Fällen muss ein individueller Therapieansatz verfolgt werden. Generell zu vermeiden ist ein leichtfertiger Einsatz von Glukokortikoiden ohne Zahnextraktionen, da hiermit keine gute Langzeitprognose erreicht werden kann. Dr. Anna Draschka, München, sprach über das Plattenepithelkarzinom (PEK) bei der Katze mit Mandibelektomie. Da orale PEK bei der Katze relativ häufig auftreten und ein rasches Wachstum haben, sei es wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass PEK im Anfangsstadium häufig wie Entzündungen aussehen. Sie riet ebenfalls zu einer frühzeitigen Biopsie. Da ein frühzeitiges Operieren die Prognose verbessert, sei hier keine Zeit zu vergeuden. Zu empfehlen sei die Piezochirurgie, keine Elektrochirurgie, und wie bei Katze stets anzuraten ein eher vorsichtiges, wenig invasives Vorgehen. Auch ist auf eine sehr gute Schmerzausschaltung zu achten. Sie regte am Ende ihres Vortrages zum regen Erfahrungsaustausch an, da sie hoffe, dass die eine oder andere Katze mit oralem PEK zukünftig doch gerettet werden könnte.

Darüber hinaus wurden viele weitere Möglichkeiten zur Anwendung moderner Technik vorgestellt. Auch einen Austausch zum Thema KI und Ethik konnten die Teilnehmenden besuchen – ein Aspekt, der bei der rasanten Entwicklung der Anwendungsgebiete schnell zu kurz kommt. Themen rund um den Praxiserfolg spielen beim bpt-Kongress traditionell eine große Rolle. Das Existenzgründungsseminar, die Vorträge zu Ökonomie/ GOT, zu mentaler Gesundheit und zur Praxisführung und die angebotenen Workshops waren gut besucht, erfreulicherweise sowohl von Selbständigen wie von Angestellten. So beeindruckten die Bei- und Vorträge zur mentalen Gesundheit durch große Offenheit, sowohl auf Seiten des überwiegend jungen Publikums als auch auf Seiten der Referenten.

Der klinische Psychologe Dr. Wolfgang Neuwirth, Wien, sprach unter der Fragestellung – Bin ich gut genug? – über das Impostor-Syndrom in der Tiermedizin, Perfektionismus und Zwangsstörungen. Das Impostor-Syndrom sei per definitionem ein Phänomen, bei dem die Betroffenen starke Selbstzweifel hinsichtlich eigener Fähigkeiten, Leistungen und Erfolge aufwiesen. Sie seien unfähig ihre eigenen Erfolge zu internalisieren. Der Psychologe sagte, dass das von Clance and Imes 1978 erstmals beschriebene Syndrom insgesamt weit verbreitet sei in der Bevölkerung. Untersuchungen zufolge seien u. a. häufiger Frauen davon betroffen, die ein Geschwisterkind hatten, das von den Eltern gehypt wurde, sodass eine Art Familienmythos existierte „Dein Bruder/Deine Schwester ist besser als Du“. Das benachteiligte Kind habe versucht, dies durch verstärkte „Bemühungen“ wettzumachen, was zu einer Form von Perfektionismus führte, da der Versuch gut genug zu sein per se zum Scheitern verurteilt war, sozusagen ein Fass ohne Boden. Eine weitere Ursache des Impostor-Syndroms könne auch durch sogenannte Helikopter-Eltern seinen Ursprung nehmen, die ihrem Kind vermitteln, dass es besonders toll sei, toller als all die anderen, so Neuwirth. Im direkten Abgleich mit Altersgenossen würde den Kindern jedoch irgendwann klar, dass das wohl nur der subjektive Blick der eigenen Eltern war und spätestens im Vetmed-Studium oder tierärztlichen Alltag fühlten sie sich dann wie Hochstapler, verkürzt resp. überspitzt ausgedrückt. Das Impostor-Syndrom trete i.d.R. bei Menschen mit niedrigem Selbstwertgefühl auf, was häufiger bei Frauen vorliegt, Männer litten weniger häufig unter einem niedrigen Selbstwertgefühl. Auch erläuterte Neuwirth den Begriff Attribution. Des Weiteren zeigte der Psychologe die positiven Seiten eines gesunden Perfektionismus auf, wie fehlerfreie Arbeitsabläufe und hohe Qualitätsstandards, aber auch im Falle eines ungesunden Perfektionismus, die negativen, wenn die betreffende Person von ihren eigenen unrealistisch hohen Ansprüchen quasi schachmatt gesetzt werde, was zu ständigem Unter-Druck-Stehen, Angst vor Fehlern und letztlich Stress, Erschöpfung und Burnout führen könne. Im Anschluss befasste sich Neuwirth auch mit zwanghaftem Verhalten, sowie ADHS und ADS und erläuterte, dass die einzelnen Persönlichkeitseigenschaften heutzutage nicht mehr als Persönlichkeitsstörungen eingruppiert werden, sondern davon ausgegangen wird, dass jeder Anteile von jeder Eigenschaft habe – nur eben in unterschiedlicher Gewichtung. Mit anderen Worten, wir alle sind z. B. ein bisschen narzisstisch, die einen ggf. deutlich mehr, die anderen ggf. weniger. Wichtig sei zu verstehen, dass Fehler unumgänglich seien und dass sie uns weiterbringen, wenn wir sie eingestehen können. Ein kleiner Pferdefuß läge in der Tatsache, dass je mehr jemand kann, desto mehr würde er auch in die Lage versetzt, zu sehen, was er alles nicht könne. Dies sei etwa beispielhaft bei Musikern im Alter um die 50 aufwärts zu beobachten, die manchmal eine verstärkte Auftrittsangst entwickelten. Der Vortrag war klar strukturiert und bot eine gute Grundlage für die anschießende Diskussion, die das Team von Vetivolution leitete. Tatsächlich entspannte sich ein erstaunlich offenes Gespräch, in dem anklang, dass die jüngeren Teilnehmer sich insbesondere mehr Wertschätzung und Akzeptanz ihrer Arbeit wünschen, sowie mehr Verständnis im menschlichen Miteinander. Als Zuhörer konnte man den Eindruck gewinnen, dass insbesondere junge Frauen sich ohnehin selbst so viel Druck machen, dass zusätzlicher Druck von oben eine vernichtende Kraft entfalten könne, dem ohnehin schwachen Selbstwertgefühl einen Hieb versetzend. Dennoch muss Kritik durch Arbeitgeber und Vorgesetzte natürlich möglich sein, diese sollte jedoch konstruktiv und von Zugewandtheit und Unterstützungswillen geprägt sein. Ein Tierarzt mittleren Alters meldete sich zu Wort und gestand ein, dass er erst einen Lernprozess hätte durchlaufen müssen, d. h. sich in Selbst-Reflexion üben musste, um seine jungen Mitarbeiter besser zu verstehen und ihre Bedürfnisse letztendlich (an-) zu erkennen – doch die intensiven Gespräche hätten sich gelohnt. Er sei seinen Angestellten dankbar, dass sie sich getraut haben, ihm „alten Dackel“ zu verdeutlichen, dass auch er an sich arbeiten müsse. Miteinander reden helfe. Und er ermutigte die jüngeren Teilnehmer dazu, für ihre Rechte einzustehen. Der Chef/die Chefin werde zwar im ersten Augenblick nicht gerade begeistert sein, aber er sei sicher, dass viele der Kollegen am Ende positiv reagieren würden. Eine ältere Tierärztin erzählte von den verschiedenen Stationen ihrer tierärztlichen Laufbahn und sagte, sie würde in einem zweiten Leben wieder Tiermedizin studieren, aber davor noch Psychologie und Betriebswirtschaftslehre, was der Reaktion nach recht viele Tierärzte und TFAs nachvollziehen konnten. Im folgenden Vortrag erläuterte das Team von Vetivolution die Vorteile, die eine Supervision erbringen könne, im besten Falle angewandt bevor der Arbeitsprozess ins Taumeln oder gar Stocken gerate.

Das Impostor-Syndrom ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. So konnten Wissenschaftler in einer Studie (Kogan LR et al., 2020) zeigen, dass das Impostor-Syndrom bei Tierärzten (mit Wohnsitz in Neuseeland oder Großbritannien) mit hoher Prävalenz auftritt, wobei junge, weibliche Hochschulabsolventen, die in Großbritannien und Neuseeland praktizieren, in der Untersuchung einem erhöhten Risiko ausgesetzt waren. In einer Studie aus Italien (Zaed I et al., 2022) konnte dargelegt werden, dass junge humanmedizinische Neurochirurgen und Assistenzärzte in der Neurochirurgie in Italien verstärkt von dem Syndrom betroffen sind. Als prädiktive Faktoren für das Impostor-Syndrom wurden in dieser Untersuchung Bildungsniveau, weibliches Geschlecht und akademische Leistungen identifiziert. Gemäß der Studienautoren sollte auch der Zusammenhang zwischen Impostor-Syndrom und Burnout-Syndrom in der Neurochirurgie weiter untersucht werden.

Fachliche Themen mit breitem Spektrum

Zahnbehandlungen beim Kleintier, Lahmheiten beim Pferd, Hitzestress beim Rind – die fachlichen Themen der Vorträge und Seminare überzeugten durch den gelungenen Mix aus Forschung und Praxis, auf den das Programmkomitee großen Wert legt. Zusätzlich wurden Forschungspreise der bpt-Fachgruppen Rind und Schwein vergeben, die aktuelle Arbeiten junger Wissenschaftler fördern.

Dr. Claudia Busse. die die ophthalmologische Abteilung der Kleintierklinik der TiHo Hannover leitet, hielt einen praxisnahen Vortrag zum Thema Besitzer-Compliance, der von Katze Muffin und seiner vielbeschäftigten Halterin handelte. Muffin kniff bei Erstvorstellung ein Auge zu und hatte wässrigen Augenausfluss. Die augenärztliche Untersuchung ergab eine dendritische Hornhautulceration, die pathognomonisch für eine Herpesvirusinfektion bei Katzen ist. Die behandelnde Kollegin erstellte den für das Auge idealen Behandlungsplan und gab der Katzenhalterin mehrere Ophthalmika mit nach Hause, darunter Ganciclovir (4xtäglich zu applizieren), Vitamin A Augensalbe (4xtägl.) und Cefenicol Augentropfen (4xtägl.) und systemisch noch ein Schmerzmittel obendrauf (1xtägl.). Doch weder der zum Schutz des Auges verordnete Halskragen noch der Stubenarrest trafen bei der Katze auf Verständnis. Die Besitzerin erschien nicht wie verabredet nach zwei Tagen zur Kontrolle, sondern erst nach sieben. Statt dessen hatte die Katzenhalterin dem Freiheitsdrang ihrer zuhause randalierenden Katze nachgegeben und sie am zweiten Behandlungstag nach draußen gelassen, sodass eine mehrfach tägliche Applikation aller verschriebenen Medikamente verunmöglicht war. Außerdem hatte die Katze fluchtartig den Raum verlassen, wann immer die Halterin mit den Augenmedikamenten sich ihr näherte. Was lief da suboptimal? Im Erstgespräch zwischen Tierärztin und Katzenhalterin hatte der stressige Alltag der Halterin keine Erwähnung gefunden und wurde darum auch nicht berücksichtigt beim Erstellen des Behandlungsplanes. Dass Besitzer offen zugeben, das sie das angestrebte Therapieregime nicht schaffen können, sei eher selten, so Busse. (Es könnte auch eine Perfektionistin auf der anderen Seite des Tisches stehen.) Die Katzenbesitzerin musste als Alleinerziehende zwei Kinder betreuen, ihre Mutter versorgen und einem verantwortungsvollen Job nachgehen. Auch war Muffin täglichen Freigang gewohnt und forderte ihn unter Zerstörung von Möbelstücken und Türen rabiat ein. Hätte die Tierärztin ahnen können, das es nicht gut laufen würde mit der Compliance? Vielleicht schon, aber das Auge verdient theoretisch natürlich die bestmögliche Behandlung. Tatsächlich gäbe es jedoch in der Humanmedizin Studien, die belegten, dass Ärzte nicht gut darin seien, die Compliance ihrer Patienten realistisch einzuschätzen, so Busse. Die MFAs seien etwas besser darin, da sie meist eine persönlichere Beziehung zu den Patienten hätten.

In der Tiermedizin ist dies weniger gut untersucht. Hier variiere die Besitzercompliance zwischen 47 und 89%, in den meisten Untersuchungen um die 50%. In der Epilepsietherapie wurde in einer Studie festgestellt, dass einer von vier Besitzern selbstständig das Behandlungsprotokoll modifizierte, dass nur 33% der Besitzer bezüglich der antiepileptischen Medikamente eine Compliance von über 80% zeigten und dass, und dies ist nachvollziehbar, eine geringere Applikationsfrequenz zu besserer Compliance führte. Daraus ist zu folgern, dass Tierärzte Energie für die Verbesserung der Compliance aufwenden müssen. Die Intentions-Verhaltens-Lücke (engl. intention-behaviour gap), beschreibt den Umstand, dass es trotz einer klaren Verhaltensabsicht nicht immer zwangsläufig zur tatsächlichen Ausführung des entsprechenden Verhaltens kommt. Das kennen wir alle. Die Intentions-Verhaltens-Lücke ist stark von internen, selbstregulativen Faktoren abhängig, aber auch von äußeren Umständen, so kann mangelnde Zeit etwa ein externer Faktor sein, der auf sie Einfluss hat. Der Faktor Zeit lässt sich erfragen beim Patientenbesitzer. Wollen wir die Compliance erhöhen, ist eine gute Aufklärung der Besitzer über die Erkrankung wichtig, außerdem müssen diese mental und physisch in der Lage sein, die Medikamente zu verabreichen. Auch sollten Tierärzte eine positive Einstellung zum Behandlungsplan vermitteln, ihn nicht einfach verordnen, und die Therapie sollte individuell auf das Tier abgestimmt sein und auf die Bedürfnisse und Lebensumstände des Besitzers Rücksicht nehmen. Ein quasi gemeinsam von Tierarzt und Besitzer geschmiedeter Plan sei erfolgsversprechender als „Anweisungen von oben“. Vertrauen entsteht auf Augenhöhe. Leider muss dieser Plan auch die finanziellen Möglichkeiten des Besitzers einschließen. Ein wichtiger Hebel für eine gute Compliance läge darin, ein Bewusstsein beim Besitzer zu schaffen für die negativen Konsequenzen, die eine Nichtbehandlung des Problems für das Tier zur Folge hätte, ohne dem Besitzer ein schlechtes Gewissen zu machen.

Muffin’s Therapie wurde auf Famvir 90 mg/kg (3xtägl. oral) mit Futter und Schmerzmittel (1xtägl.) mit Futter umgestellt, die Besitzerin kontrollierte das Auge zweimal täglich auf eine bakterielle Sekundärinfektion und sie schrieb nach zwei Tagen eine E-Mail, wie es der Katze ging. Bei der Kontrolle nach sieben (bis zehn) Tagen war alles gut und Besitzerin und Katze zufrieden. Auch wenn dieser Plan B ggf. nicht ideal zur Abheilung des Auges war, so hat er dennoch funktioniert. Damit muss man sich im Zweifelsfall abfinden. Was manchmal helfen könne, um doch einen halbwegs optimalen Plan hinzubekommen, sei, gezielt nach Tagesroutinen zu fragen und gemeinsam zu eruieren, ob sich die Behandlung an diese anpassen lässt. Was wie Selbstverständlichkeiten klingt, kommt doch im Alltag häufig zu kurz. In jedem Falle sollten sich Tierärzte bewusst machen, dass die Besitzercompliance vermutlich weniger gut ist als sie sich das vorstellen und die erforderliche Sorgfalt aufbringen, um sie zu verbessern – oder jemanden im Team bitten, sich die Mühe zu machen.

Foto: © bpt/Rathke

Bei der Bovi-Challenge – einer Initiative der Fachgruppen Rind und Junges Netzwerk im bpt – hatten Studierenden-Teams aus allen deutschen Fakultäten die Aufgabe, Kongressteilnehmende zu befragen, was aktuell die größten Herausforderungen in der Nutztiermedizin sind. Gleichzeitig wurden von den Studierenden auch Unterstützungsmöglichkeiten erfragt und erarbeitet, die der bpt bzw. die Universitäten umsetzen können. Die interessanten Ergebnisse wurden vorgestellt und das Siegerteam gekürt. Gewonnen hat die Delegation der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Ampelbruch unterstreicht Wichtigkeit von Berufspolitik

Mit dem Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition kurz vor dem Kongress bekam die berufspolitische Komponente des Kongresses noch mehr Dringlichkeit. Welche Vorhaben haben jetzt überhaupt noch Aussicht auf Erfolg vor dem Regierungswechsel? Welche Veränderungen sind zu erwarten? Diese und viele andere Fragen wurden auf dem Kongress diskutiert. Allen voran, ob der angekündigte Abbau von Bürokratie noch kommt oder nicht.

In der Berufspolitischen Veranstaltung „Patient Papiertiger – Wann ist Bürokratie sinnvoll, wann ist das Maß voll?“ am Kongressfreitag wurde teils hitzig über Sinn und Unsinn verschiedener bürokratischer Auflagen diskutiert. Tenor: Wenn die gleichen Daten an verschiedenen Stellen mehrfach eingegeben werden müssen und die Bezahlung den Aufwand nicht einmal annähernd deckt, dann sei das Maß voll. Einen Lichtblick stellt zumindest die von den drei Spitzenverbänden bpt, BTK und DVG gegründete ‚Leitlinienkommission Veterinärmedizin‘ dar, die am 1. Januar 2025 ihre Arbeit aufnimmt. Was sich eigentlich wie Bürokratie anhört, soll genau das Gegenteil bewirken, nämlich weniger und vor allem praktikablere berufsständische Vorgaben.

Podiumsdiskussion bei der berufspolitischen Veranstaltung „Patient Papiertiger“ Foto: © bpt/Rathke

Kongresseröffnung mit tollen Preisverleihungen

Traditionell geht die Eröffnung des bpt-Kongresses mit der Verleihung des Animal Welfare Awards im Rahmen des International Animal Health Events einher. Der gemeinsam von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) und dem bpt vergebene Preis zeichnet Innovationen aus, die die Tiergesundheit und das Tierwohl in der Nutztierhaltung deutlich fördern. Dieses Jahr wurde ein innovatives Belüftungssystem der Firma Cow Welfare prämiert, das in Zeiten von Klimawandel dafür sorgt, Milchkühen am Liegeplatz eine bessere Hitzeregulation zu ermöglichen.

Die Keynote gabs von Dr. Suzan Fiack vom Bundesinstitut für Risikobewertung, die sich dem politisch hoch relevanten Thema „Wie kann Wissenschaft in Krisenzeiten kommuniziert werden?“ widmete. Die Antwort: klar, verständlich und vertrauenswürdig.

Neues bpt-Präsidium gewählt

Parallel zum Kongressstart fand am Donnerstag, den 14. November, auch die bpt-Delegiertenversammlung statt, bei der das neue bpt-Präsidium gewählt wurde. Der neue und alte bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder begrüßte bei der Kongresseröffnung im Rahmen des International Animal Health Events am Abend die Kongressteilnehmer. Neben der neuen Schatzmeisterin, Dr. Heidi Kübler, begrüßt das Präsidium die beiden jungen Kolleginnen Anja Eigenseer als Beisitzerin und Dr. Maren Püschel als 2. Vizepräsidentin in seinen Reihen. Nach langjährigem Engagement scheiden Dr. Franz Gassner, Dr. Karl-Heinz Schulte und Dr. Christina Bertram aus dem Präsidium aus.

Lösungsansätze durch fachlichen Austausch

Präsident Moder dazu: „Es ist immer wieder beeindruckend, wie der bpt-Kongress Kolleginnen und Kollegen zusammenbringt, und wie im persönlichen Austausch Lösungsansätze für fachliche und berufspolitische Themen entwickelt werden können. Fachkräftemangel, Bürokratie-Wahnsinn oder strukturelle Veränderungen des Berufes sind viel besser zu bewältigen, wenn man es gemeinsam tut. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung in Wiesbaden.“

Der bpt-Kongress wird in den geraden Jahren weiterhin in Hannover stattfinden, nächstmalig vom 18. bis 21. November 2026. Im kommenden Jahr ist der bpt-Kongress vom 27. bis 29. November erstmalig in Wiesbaden zu Gast.