Bringen “Hybrid-DRGs” die Sektoren zusammen?

Helmut Weinhart: „Wir müssen die Hybrid-DRGs nicht auslegen, wir müssen sie gestalten.“ Foto: D. Rasche / SpiFa

Mit sogenannten „Hybrid-DRGs“ will die Ampelkoalition den ambulanten und stationären Sektor verschränken. Was darunter zu verstehen sein soll, darüber rätselten die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion am 31.03.2022 beim Fachärztetag des Spitzenverbandes Fachärzte Deutschlands (SpiFa) in Berlin.

Für Dr. Helmut Weinhart, den Stellvertretenden 2. Vorstandsvorsitzenden des SpiFa, ist es bloß eine „Worthülse“, Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), nennt die Hybrid-DRGs einen „Platzhalter ohne Inhalt”. Gemeinsam kritisierten sie, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nur sehr vage Andeutungen macht, was es damit erreichen will. „Wir müssen die Hybrid-DRGs nicht auslegen, wir müssen sie gestalten“, fordert Weinhart daher.

An dieser Gestaltung knabbern die Vertreter des ambulanten und des stationären Sektors jetzt schon seit vielen Jahren, und die Sektoren nähern sich nur mühsam an, was beispielsweise beim letztjährigen Fachärztetag deutlich wurde. Immerhin setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass es angesichts von drohendem Ärztemangel und alternder Bevölkerung nicht mehr darum gehen kann, bloß die eigenen Pfründe zu verteidigen. Der gemeinsame Wunsch, dass mehr Leistungen ambulant erbracht werden sollen, war in der Diskussionsrunde zu erkennen. „Wir spüren, dass wir eine gemeinsame Verantwortung haben“, formulierte Matthias Einwag, Vorsitzender des Fachausschusses Krankenhausfinanzierung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbandes, beklagte ebenso wie KBV-Chef Gassen, dass in Deutschland noch viel zu viele Leistungen im Krankenhaus unter stationärer Unterbringung des Patienten erbracht werden, bei denen das gar nicht nötig wäre. Für das ambulante Operieren kündigte Stoff-Ahnis einen aktualisierten Katalog an, der ca. 2500 Leistungen umfassen soll. „Ambulantes Operieren und Hybrid-DRGs dürfen aber nicht vermischt werden. Wir müssen einen ambulant-sensitiven Bereich definieren, unabhängig vom ambulanten Operieren“, forderte Einwag.

Die Bedingungen, unter welchen Leistungen ambulant erbracht werden sollen, sind weiter umstritten. Gassen nannte wieder einmal die alten Schlagworte „Wer kann, der darf“ und „gleich lange Spieße“. Soll heißen: Wer die Voraussetzungen für eine Leistung erfüllt, kann sie erbringen und abrechnen, egal ob in Klinik oder Praxis. Wiederholt bestand er darauf, dass der Preis für die gleiche Prozedur in Klinik und Praxis derselbe sein müsse. Dem widersprach SpiFa-Vertreter Weinhart, der erneut für das Konzept seines Verbandes warb, dass in einer Übergangsphase „von vier bis fünf Jahren“ die ambulant erbrachten Leistungen mit 90 Prozent der DRGs – bzw. 95 Prozent bei Belegärzten – vergütet werden sollen. In dieser Phase könne man sich dann eine genauere Vergütungssystematik überlegen. Er warnte davor, sich zuerst in Regulierungen zu verstricken. „Sonst kriegen wir es nicht mehr hin, bevor ich das Zeitliche segne.“ Der SpiFa will einen „neuen Bereich von Leistungen, die ambulant erbracht werden können“, wofür die §§117-122 SGB V nach Weinharts Ansicht komplett neu geschrieben werden müssten. GKV-Vertreterin Stoff-Ahnis forderte ein „klares, ambulantes Stufensystem“ für Leistungen, die sich verschieden gut für die Ambulantisierung eignen.

DKG-Mann Einwag fasste als eine Erkenntnis der Diskussion zusammen, dass es „relevante Anreize“ geben müsse, Leistungen ambulant anzubieten. Ein Bereich, wo dies gelungen scheint, ist die Kataraktchirurgie in der Augenheilkunde. Laut Gassen wird dieser Eingriff kaum noch stationär erbracht, „es sei denn, der Patient ist so schwer krank, dass er nicht nach Hause gehen kann“. Als Grund dafür sieht der KBV-Chef, dass die Operation im Katarakt-Vertrag „sehr auskömmlich“ vergütet sein soll. Weinhart ergänzte, dass hierin eben auch berücksichtigt worden sei, welche Vorleistungen der Arzt für diesen Eingriff erbringen muss. So könnten sich die Kollegen sicherer sein, dass es sich am Ende auch lohne.

Am Ende waren die Diskutanten zuversichtlich, dass die Ambulantisierung nun endlich in die Gänge kommt. „Wenn wir nächstes Jahr hier wieder diskutieren, ist es vielleicht noch nicht der große Wurf, aber wir werden ein Stück weiter sein“, prophezeite Gassen.

(ms)