Bronchiektasen: Zulassung des ersten Medikamentes gegen die chronische Erkrankung ist in Sicht

Felix Ringhausen hat im Rahmen der internationalen ASPEN-Studie untersucht, wie der Wirkstoff Brensocatib die Lungenfunktion bei Bronchieektasen-Erkrankung schützen kann. (Foto: © Karin Kaiser/MHH)

In der ASPEN-Studie ist die Wirkung von Brensocatib bei Bronchiektasen untersucht worden. Daran beteiligt war auch ein Pneumologe von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

Derzeit gibt es keinen einheitlichen Behandlungsstandard für Bronchiektasen. Die nationalen und internationalen Richtlinien empfehlen zwar physiotherapeutische Atemtherapie, schleimlösende Mittel und Antibiotika zur Behandlung der Infektionen, aber die Ansätze gehen nicht angemessen auf die chronische Entzündung und das drohende Fortschreiten der Krankheit ein. Ist die Lungenfunktion im Verlauf der Erkrankung irgendwann zu stark eingeschränkt, bleibt nur eine Lungentransplantation als letzte Therapiemöglichkeit.

Hoffnung machen jetzt die Ergebnisse der ASPEN-Studie, der bisher größten weltweiten klinischen Studie zur Bronchiektasen-Erkrankung, an der mehr als 1700 Patienten teilgenommen haben. Dabei wurde die antientzündliche Wirkung des Prüfpräparates Brensocatib untersucht. Die ASPEN-Studie zeigte, dass Brensocatib als Tablette in den Dosierungen zu zehn und 25 Milligramm die Wahrscheinlichkeit für Verschlechterungen in Schüben, die antibiotisch behandelt werden mussten, um etwa 20 Prozent verringerte. Darüber hinaus verlangsamte die Therapie mit 25 Milligramm Brensocatib die Verschlechterung der Lungenfunktion deutlich und verbesserte so auch die Lebensqualität der Betroffenen.

Als einziger Wissenschaftler aus Deutschland war Prof. Felix Ringshausen, Oberarzt an der Klinik für Pneumologie und Infektiologie der MHH und Leiter der Bronchiektasen-Ambulanz an der wissenschaftlichen Veröffentlichung der Studienergebnisse beteiligt. Sein Fazit: „Brensocatib ist der erste Wirkstoff, der die Erkrankung ursächlich behandelt, und wird voraussichtlich das erste Medikament, das zur Therapie der Bronchiektasen-Erkrankung gelassen wird.“ Im Sommer dieses Jahres soll das Medikament in den USA auf den Markt kommen werden. Eine Zulassung in Europa wird voraussichtlich Ende dieses oder zu Beginn des kommenden Jahres erfolgen.

Überschießende Bakterienabwehr

Bronchiektasen können durch angeborene Lungenerkrankungen wie Mukoviszidose oder Primäre Ciliäre Dyskinesie (PCD) entstehen. Viel häufiger entwickeln sie sich jedoch nach schweren Infektionskrankheiten wie einer Lungenentzündung oder Tuberkulose, eines unkontrollierten Asthmas oder aufgrund einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Meist schädigen entzündliche Prozesse die Wände der Bronchien und zerstören das elastische Bindegewebe der Lunge. In der Folge ist die mukoziliäre Clearance gestört.

Dieser Kreislauf aus Entzündung, beeinträchtigter mukoziliärer Clearance, struktureller Schädigung der Atemwege und wiederkehrenden Infektionen wird zusätzlich von neutrophilen Granulozyten verstärkt. Zu ihren Waffen zählen Serinproteasen. Bei der Reifung der Granulozyten im Knochenmark werden diese Serinproteasen sozusagen scharf geschaltet. Diese Aufgabe übernimmt das Protein Dipeptidylpeptidase 1 (DDP-1). „Bei chronischen Atemwegsentzündungen wie der Bronchiektasen-Erkrankung schießt die sehr effektive Bakterienpolizei der neutrophilen Granulozyten allerdings über das Ziel hinaus und setzt zu viele Serinproteasen in den Atemweg frei“, erklärt Ringshausen. Diese schädigen dann nicht nur die Krankheitserreger in den Atemwegen, sondern auch die Bronchialwände und das umliegende Lungengewebe. Dadurch funktioniert die körpereigene Lungenreinigung noch schlechter und es entsteht ein unaufhörlicher Teufelskreis aus Entzündung, Schädigung der Atemwege und wiederkehrenden Infektionen, der das Fortschreiten der Bronchiektasen-Erkrankung fördert.

Wenig Nebenwirkungen

Brensocatib unterbricht diesen Teufelskreis, indem es das Protein DDP-1 blockiert und das Scharfschalten der Serinproteasen abmildert. Der Vorteil: Der Wirkstoff ist ein reversibler Inhibitor, schaltet die Produktion also nicht unwiderruflich aus. „Wird Brensocatib abgesetzt, blockiert es DDP-1 nicht länger, welches dann die Enzyme wieder in vollem Umfang aktivieren und die Bakterienabwehr verstärken kann“, sagt Ringshausen. In der ASPEN-Studie blieben die zusätzlich zur üblichen Therapie mit dem Wirkstoff behandelten Patientinnen und Patienten länger beschwerdefrei als die Kontrollgruppe, die nur ein Placebo, also ein wirkstofffreies Scheinpräparat erhielt. Und auch die Nebenwirkungen hielten sich in Grenzen. Trotz reduzierter Schlagkraft der neutrophilen Granulozyten litten die mit Bensocatib behandelten Patientinnen und Patienten nicht häufiger an bakteriellen Infektionen als die Kontrollgruppe. Lediglich die Fälle von trockener Haut nahmen ein wenig zu. Eine positive Bilanz, betont der Bronchiektasen-Experte: „Brensocatib reduzierte das Risiko für eine Verschlimmerung der Symptome, verlangsamte die Verschlechterung der Lungenfunktion und verbesserte damit überzeugend die Lebensqualität der Betroffenen.“