BVF: Mädchen in der Pubertät brauchen Unterstützung und Aufklärung

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Zum Weltmädchentag macht der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) auf die wachsenden psychischen Belastungen junger Mädchen aufmerksam.

In der letzten Befragung „Jugendsexualität“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA nun BIÖG) von 2019 (1) gaben 44 Prozent der befragten Mädchen und jungen Frauen zwischen 14 und 25 Jahren an, sich in ihrem Körper nicht wohlzufühlen. Die Zahl der Essstörungen unter Mädchen und jungen Frauen ist in den vergangenen Jahren außerdem dramatisch gestiegen, wie eine aktuelle Erhebung der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) zeigt (2).

Besonders betroffen sind Mädchen im Alter von zwölf bis 17 Jahren, bei denen die Fälle von Magersucht, Bulimie und Binge Eating zwischen 2019 und 2023 um knapp 50 Prozent angestiegen sind. Bei gleichaltrigen Jungen fiel der Anstieg mit etwa vier Prozent deutlich geringer aus. Insgesamt wird geschätzt, dass 2023 fast 460.000 Menschen in Deutschland eine diagnostizierte Essstörung hatten, ein beachtlicher Teil davon Mädchen im Teenageralter, informiert das BVF.

„In unsere Praxen kommen zunehmend junge Patientinnen mit Selbstzweifeln und Ängsten rund um das Thema Körper und Zyklus“, sagt Dr. Stephanie Eder, Frauenärztin mit Schwerpunkt Jugendgynäkologie. „Mädchen brauchen heute mehr denn je verlässliche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, um zu erfahren: Was ist eigentlich „normal“ in der Pubertät?“

Social Medien im Fokus

Besonders besorgniserregend ist laut dem BVF der Einfluss, den soziale Medien und der Trend zur Selbstoptimierung auf das Selbstwertgefühl und die Körperwahrnehmung von Heranwachsenden ausüben. Dies seien Faktoren die maßgeblich zur Entwicklung von Essstörungen beitragen können.

Plattformen wie TikTok oder Instagram zeigen oft ein verzerrtes Bild von Weiblichkeit und Pubertät und suggerieren, dass der weibliche Körper jederzeit optimierbar sein müsse. Das erzeugt Perfektionsdruck schon bei 12- bis 14-jährigen Mädchen, heißt es in der Pressemitteilung. Dazu trägt insbesondere der Social Media Trend „SkinnyTok“, der auf Plattformen wie TikTok unter Hashtags wie #SkinnyTok oder verwandten Begriffen schlanke bzw. extrem dünne Körper als Ideal propagiert, heißt es weiter. In vielen dieser Beiträge würden Diättipps geteilt, Mahlzeiten stark eingeschränkt oder Essverhalten romantisiert und verharmlost, „hungern“ wird teils als Erfolg gefeiert. Selbst wenn Hashtags inzwischen aktiv gesperrt wurden oder Nutzerinnen auf Hilfsseiten weitergeleitet werden, bleibe das Thema präsent, da ähnliche Inhalte unter abgewandelten Bezeichnungen oder über den Algorithmus verbreitet werden.

„Die ständige Konfrontation mit bearbeiteten Bildern und idealisierten Körperdarstellungen kann zu einem kritischen Selbstbild führen und die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen verstärken“, erklärt PD Dr. Michael Stephan von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Er fügt hinzu: „Das ist eine gefährliche Mischung aus Nahbarkeit und vermeintlicher Realität. Die Inhalte wirken authentisch und lebensnah, und genau das macht sie so wirkungsvoll. Viele Mädchen fühlen sich direkt angesprochen und vergleichen sich mit den gezeigten Körperbildern, was das Risiko für Essstörungen erheblich erhöht.“

Frauenärztinnen als wichtige Ansprechpartner

Die gynäkologische Praxis bietet jungen Mädchen nicht nur medizinische Begleitung, sondern auch psychosoziale Unterstützung, betont der BVF. In einem geschützten Rahmen können Themen wie Körperveränderungen, Verhütung, Menstruation, Sexualität, aber auch Sorgen rund um das eigene Aussehen offen besprochen werden. Ziel ist es, das Selbstbewusstsein junger Mädchen zu stärken und ihnen zu vermitteln: Jeder Körper ist anders – und das ist gut so, so der Verband.

„Der erste Frauenarztbesuch sollte nicht erst bei Beschwerden erfolgen. Wir empfehlen ein vertrauensvolles Gespräch im Alter zwischen 13 und 15 Jahren. Ohne Untersuchung, aber mit viel Raum für Fragen“, betont Eder. „Nicht selten kommen Mädchen und junge Frauen mit Gewichtssorgen in die Praxis, häufig einhergehend mit einem Ausbleiben der Menstruation. Hinter dieser Zyklusstörung kann als Ursache eine Essstörung stecken, die es möglichst früh zu erkennen gilt, um die Weichen für die Therapie zu stellen. Besonders wichtig ist es dabei, empathisch und nicht vorwurfsvoll an die Betroffenen heranzutreten“, ergänzt sie.

Aufklärung ist Prävention

Frühe, ehrliche und altersgerechte Aufklärung ist der wichtigste Baustein, um Essstörungen, Körperunsicherheit und seelischen Belastungen vorzubeugen. Mädchen brauchen Räume, in denen sie Fragen stellen dürfen, ohne Scham, ohne Druck. Frauenärztinnen und Frauenärzte spielen dabei eine zentrale Rolle: Sie bieten fundiertes Wissen, stärken das Selbstbild und helfen, zwischen online verbreiteten Mythen und medizinischen Fakten zu unterscheiden, betont der BVF.

Der BVF fordert daher, präventive Gespräche in frauenärztlichen Praxen stärker zu fördern und strukturell zu unterstützen, damit Mädchen nicht erst Hilfe suchen, wenn es schon zu spät ist.