BVHNO: „Primärarztsystem wird teurer, nicht billiger“

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Anlässlich der konstituierenden Sitzung der „Finanzkommission Gesundheit (FKG)“ warnt der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e. V. (BVHNO) vor Kürzungen bei der ambulanten Versorgung und der Einführung eines Primärarztsystems.


Die von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken eingesetzte GKV-Finanzkommission hat den Auftrag, bis 2026 die Möglichkeiten zur Stabilisierung der Beitragssätze in der GKV aufzuzeigen. Die Kommission ist mit zehn Gesundheitsexpertinnen und -experten besetzt, die am 25. September 2025 erstmals zusammentreffen.

„Für nur 16 Prozent der Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung werden tagtäglich Millionen Versicherte versorgt“, hebt Prof. Jan Löhler hervor. Gleichzeitig kletterten die Kosten für stationäre Behandlungen auf Rekordniveau von über 100 Milliarden Euro pro Jahr.

Bürokratieabbau „reines Lippenbekenntnis“

Mit Blick auf die Finanzierungslücke in der GKV bestehe zweifelsohne dringender Handlungsbedarf, attestiert HNO-Präsident Löhler. Im Grunde seien die Probleme jedoch bekannt: „Seit der Corona-Pandemie wurden jedes Jahr zusätzliche Milliardenzahlungen in den stationären Sektor umgeleitet. Gleichzeitig kommen die Länder ihrer Zahlungsverpflichtung für die Krankenhäuser nicht vollumfänglich nach. Dadurch entstand ein hochsubventionierter, aber gleichzeitig zunehmend ineffizienter Versorgungsbereich“, erklärt HNO-Arzt Löhler.

Darüber hinaus gebe es durch die demografische Entwicklung einen steigenden medizinischen Bedarf in der Bevölkerung. Auch die überbordende Bürokratie koste bares Geld: „Die Kolleginnen und Kollegen erleben Tag für Tag, dass der viel beschworene Bürokratieabbau ein reines Lippenbekenntnis ist. Statt weniger Formulare, Prüfungen und Dokumentationspflichten kommen immer neue Anforderungen hinzu, so unter anderem durch Hygienevorgaben oder Datenschutzbestimmungen,“ berichtet der BVHNO-Präsident.

Primärarztsystem: Mehr Patientenkontakte, höhere Kosten

Mit Sorge blickt Löhler aber vor allem auf die geplante Einführung eines flächendeckenden Primärarztsystems. In einem solchen Gatekeeper-Modell steigen die Kosten und die Anzahl der Arzt-Patienten-Kontakte nehme zu, hebt Löhler mit Verweis auf die Evaluation der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) in Baden-Württemberg hervor.

Bei bestimmten Parametern, wie der intensiveren Betreuung, der kontinuierlichen Behandlung oder der Impfquote liefere die HzV zwar bessere Ergebnisse als die Regelversorgung. Die Fortschritte gebe es jedoch nicht zum Nulltarif, so Löhler. „Im Vergleich zur Regelversorgung kamen in der HzV in Baden-Württemberg durchschnittlich nochmal vier Arzt-Patienten-Kontakte hinzu.“

Auch sei die ambulante Versorgung nicht günstiger, sondern teurer geworden: „Die gesunkenen Gesamtausgaben pro eingeschriebenen Patienten verteilten sich ausschließlich auf die Bereiche der Krankenhausbehandlung, der Arzneimittel sowie der verordneten Heil- und Hilfsmittel. Im ambulanten Sektor stiegen die Ausgaben um 8,9 Prozent, davon bei Hausärzten um 31,6 Prozent.“

Patientensteuerung, die auf etablierte Behandlungspfade setzt

Außerdem gefährde ein starres Primärarztsystem die bestehenden Behandlungspfade. „Die Menschen wissen, dass sie bei starken Ohrenschmerzen, Nasennebenhöhlenentzündung oder Schluckstörungen zum HNO-Facharzt gehen müssen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Wege in Zukunft durch einen verpflichtenden Vorabbesuch beim Hausarzt erschwert werden sollen“, erklärt der Verbandspräsident. Dies gelte umso mehr, als es immer weniger Hausarztpraxen, Allgemeinmediziner und Kinderärzte mit einem vollen Versorgungsumfang gebe.

Stattdessen sei eine zeitgemäße Patientensteuerung gefragt, die zugleich auf bewährte Behandlungspfade setze. Versicherte sollten im Rahmen eines persönlichen Ärzteteams neben ihrem Hausarzt bis zu drei Fachärzte direkt wählen können. Für alle weiteren Fälle solle nach dem Prinzip „Digital first“ gehandelt werden: Nach einer digitalen Ersteinschätzung können weitere Behandlungen durch digitale Überweisungen mit kurzfristiger Terminvermittlung erfolgen – so ließen sich Ressourcen besser nutzen, unnötige Arztkontakte vermeiden und Kosten reduzieren.