BVMed-Herbstumfrage 2020: MedTech-Umsätze sinken um durchschnittlich 4,9 Prozent

Aus den gewichteten Umsatzangaben der BVMed-Unternehmen ergibt sich im deutschen Markt ein durchschnittlicher Umsatzrückgang von 2,1 Prozent. Die erwartete weltweite Umsatzentwicklung zeigt ein durchschnittliches Minus von 4,7 Prozent. Quelle: BVMed

Die COVID-19-Pandemie hat laut Mitteilung des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) auch auf die Medizintechnik-Branche „dramatische Auswirkungen“.

Die im BVMed organisierten Unternehmen, so heißt es, erwarten in diesem Jahr einen Umsatzrückgang von durchschnittlich 4,9 Prozent – nach einem Umsatzplus von 3,3 Prozent im Vorjahr. Der Absturz betreffe vor allem kleinere und mittlere Unternehmen. „Hinzu kommen starke Rückgänge beim für die Branche so lebenswichtigen Export“, erläuterte BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll bei der Vorstellung der Ergebnisse der BVMed-Herbstumfrage auf der digitalen Jahres-Pressekonferenz 2020 des deutschen MedTech-Verbandes. Möll forderte stärkere – vor allem regulatorische – Entlastungsmaßnahmen für die mittelständisch geprägte MedTech-Branche.

38 Prozent der BVMed-Unternehmen nutzen laut Mitteilung das Instrument der Kurzarbeit, um Entlassungen zu vermeiden. So bleibt die Zahl der Arbeitsplätze insgesamt stabil. Die größten Hemmnisse in der weiteren Entwicklung der Branche sehen die MedTech-Unternehmen in den stark gestiegenen regulatorischen Anforderungen beispielsweise durch die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR). „Die Unternehmen fordern hier eine vereinfachte Neuzertifizierung für bewährte Bestandsprodukte“, so Möll. Die vollständigen Ergebnisse der Herbstumfrage können unter www.bvmed.de/medienseminar-2020 abgerufen werden.
An der Herbstumfrage des BVMed beteiligten sich eigenen Angaben zufolge 118 Mitgliedsunternehmen, darunter vor allem die größeren Hersteller von Medizinprodukten aus Deutschland und den USA.

Umsatzentwicklung und Gewinne
57 Prozent der befragten Unternehmen gingen von einem Umsatzrückgang in diesem Jahr aus. Bei einem Drittel der Unternehmen lägen die Umsatzrückgänge sogar im zweistelligen Bereich. Das zeige, wie dramatisch die MedTech-Branche von der Verschiebung elektiver Eingriffe und den rückgängigen Arztbesuchen betroffen sei. Diese Auswirkungen könnten auch „bei weitem nicht“ durch den Mehrbedarf an medizinischer Schutzausrüstung und Hygieneprodukten kompensiert werden.
„Aus den gewichteten Umsatzangaben der BVMed-Unternehmen ergibt sich im deutschen Markt ein durchschnittlicher Umsatzrückgang von 2,1 Prozent“, teilt der Verband mit. Der ungewichtete Wert liege sogar bei minus 4,9 Prozent. Das zeige, dass die kleineren Unternehmen stärker von den Rückgängen betroffen seien. Unternehmen mit einem Umsatz unter 25 Millionen Euro verzeichneten im Schnitt sogar einen Umsatzrückgang von minus 6,4 Prozent. Die erwartete weltweite Umsatzentwicklung falle mit einem durchschnittlichen Minus von 4,7 Prozent „ebenfalls dramatisch“ aus.

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die MedTech-Branche
Die mit dem Lockdown verschobenen Operationen sind nach Einschätzung des BVMed der wichtigste Faktor für die Umsatzrückgänge der Branche in diesem Jahr in Deutschland. 70 Prozent der befragten Unternehmen seien davon betroffen. 57 Prozent würden die Einschränkungen der Kundenkontakte für den Außendienst als negativen Faktor nennen. Knapp die Hälfte habe unter ausbleibenden Arztbesuchen und dem damit verbundenen Rückgang von Verordnungen zu leiden.
„Trotz der Umsatzeinbrüche ist nach den Ergebnissen der BVMed-Herbstumfrage erkennbar, dass die Unternehmen ihr Personal halten wollen“, erklärt der Verband. 55 Prozent hielten ihre Mitarbeiterzahl. 27 Prozent schafften sogar zusätzliche Arbeitsplätze. Trotz erheblicher Einschränkungen im Medizinprodukte-Außendienst gäben 93 Prozent der Unternehmen an, im Vertrieb keine Stellen abzubauen. 38 Prozent würden die Möglichkeit von Kurzarbeit nutzen.

Stärken und Schwächen des Standortes Deutschland
Als „große Stärken des Standortes Deutschland“, so der BVMed, nennen die befragten MedTech-Unternehmen vor allem die gut ausgebildeten Fachkräfte sowie die gute Infrastruktur. Häufig genannte Stärken seien zudem das hohe Versorgungsniveau der Patienten sowie gut ausgebildete Ärzte, Wissenschaftler und Ingenieure.
Das beherrschende Thema bei der Frage nach den Hemmnissen für die MedTech-Entwicklung bleibe die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung MDR (Medical Device Regulation), deren Geltungsbeginn Corona-bedingt um ein Jahr auf Mai 2021 verschoben worden sei. 81 Prozent der befragten BVMed-Unternehmen sähen die zusätzlichen MDR-Anforderungen als „größtes Hindernis für die künftige Entwicklung der Medizintechnologie-Branche“. Dabei gehe es vor allem um die Pflicht zu umfassenden klinischen Daten und um längere Konformitätsbewertungszeiten durch Ressourcendefizite bei den Benannten Stellen. Als größtes Hemmnis der aktuellen nationalen Rahmenbedingungen werde von den MedTech-Unternehmen der „Preisdruck durch Einkaufsgemeinschaften“ genannt.

Gesundheitspolitische Forderungen
Für eine vereinfachte Neuzertifizierung für bewährte Bestandsprodukte unter der MDR sprechen sich laut Umfrage 56 Prozent der MedTech-Unternehmen aus. Mehr als ein Drittel der Unternehmen wünsche sich Förderprogramme für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zur Umsetzung der MDR. Neben dem vorherrschenden Thema MDR stünden auf der gesundheitspolitischen Agenda eine Verkürzung der Dauer der Bewertungsverfahren und eine generell ermäßigte Mehrwertsteuer für Medizinprodukte.

Innovationsklima-Index bleibt auf dem Tiefpunkt
Auf einer Skala von 0 bis 10 bewerten die Unternehmen das Innovationsklima für Medizintechnik in Deutschland nach Angaben des BVMed im Durchschnitt mit 4,2. Das sei derselbe Wert wie im Vorjahr und seit der Erhebung des BVMed-Innovationsklima-Index „der niedrigste Stand“. Als innovativste Forschungsbereiche schätzten die Unternehmen die Kardiologie, die Diagnostik und die Onkologie ein.
39 Prozent der MedTech-Unternehmen gaben der Umfrage zufolge an, bei der Entwicklung digitaler Lösungen bereits mit Start-ups zusammenzuarbeiten. Das größte Potenzial bei den digitalen Technologien sehen die Unternehmen in Datenanalysen, Apps, Big-Data-Anwendungen und Künstlicher Intelligenz.