Europäische Lieferketten-Richtlinie: BVMed plädiert für „praktikable Regeln“

Foto: © BVMed/René Staebler

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) fordert in seiner Stellungnahme zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Lieferkettensorgfaltspflichten-Richtlinie zwei zentrale Änderungen: den Abgleich mit dem bereits bestehenden nationalen Gesetz und eine Begrenzung der Regelungen auf die direkten Zulieferer.

„Wir begrüßen eine Stärkung von Menschenrechten weltweit. Der EU-Kommissionsvorschlag ist jedoch aus Sicht des BVMed in seiner momentanen Fassung unzureichend, um rechtssichere und praktikable Regeln für Unternehmen zu schaffen“, kommentiert BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll. Es bestehe die Gefahr, dass der Entwurf der „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“(CSDDD) die Unternehmen der Branche, die sich im Moment ohnehin schon mit angespannten Lieferketten konfrontiert sähen, überfordere und in der Umsetzung überlasten könnte.
Deutschland habe mit dem Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz (LkSG) bereits eine umfassende nationale gesetzliche Regelung zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette geschaffen, betont BVMed-Nachhaltigkeitsexpertin Clara Allonge: „Viele Medizintechnik-Unternehmen in Deutschland und andere wirtschaftliche Akteure im Gesundheitswesen wie beispielsweise die Krankenhäuser bereiten sich intensiv auf die Umsetzung des LkSG vor. Eine Abänderung des LkSG als Folge einer stark abweichenden EU-Richtlinie würde erheblichen Mehraufwand und Kosten für die betroffenen Unternehmen in Deutschland bedeuten.“

Daher spricht sich der BVMed für eine mit dem deutschen Lieferkettengesetz kompatible und praxistaugliche europäische Regelung aus. Dies sei im aktuellen Vorschlag der EU-Kommission durch die deutliche Erweiterung des Anwendungsbereiches – beispielswiese durch die Einbeziehung von negativen Umweltfolgen – sowie die Einführung einer zivilrechtlichen Haftung nicht gegeben. „Als Lösung könnte hier eine Begrenzung auf die direkten Zulieferer greifen“, heißt es in der Stellungnahme des Medizintechnik-Verbandes.

Konkret geht es in der BVMed-Stellungnahme zum CSDDD um die folgenden vier Punkte:

  1. Als Anforderungen an eine praxistaugliche Lieferkettenregulierung muss der Anwendungsbereich eindeutig auf die direkten Zulieferer begrenzt werden. Während Unternehmen in unmittelbaren Geschäftsbeziehungen in der Lage sind, Sorgfaltspflichten effektiv zu adressieren und Verantwortung zu übernehmen, so ist dies in der weiteren und immer komplexer werdenden Lieferkette nicht der Fall.
  2. Es ist nicht sinnvoll, grundlegende Bewertungen über die menschenrechtliche Situation in die Hände einzelner Unternehmen zu legen, während sich der Staat an dieser Stelle aus der Verantwortung zieht. Daher sollten die Mitgliedsstaaten der EU eine Liste von Ländern erstellen, bei denen angenommen werden kann, dass die Zulieferer aus diesen, alle Kriterien erfüllen. Eine solche “Safe Harbour”-Regelung würde einen klaren und erfüllbaren Rahmen bieten, in dem die Firmen unter stabilen Bedingungen operieren können. Dies würde den Verwaltungsaufwand und die Rechtsrisiken für die Betriebe erheblich verringern.
  3. Es ergeben sich bei den Umweltfolgen erhebliche Unklarheiten, was die konkrete Auslegung angeht. Einerseits wäre es wünschenswert, wenn die jeweiligen Rechtsnormen des Heimatlandes des Zulieferers für die Bewertung herangezogen würden, andererseits bringt dies viele Unternehmen an den Rand der Leistbarkeit. Der Anwendungsbereich des Gesetzes sollte sich auf die Achtung der Menschenrechte konzentrieren. Eine Erweiterung um den Bereich „Umwelt“ würde aufgrund uneinheitlicher Standards zusätzliche Rechtsunsicherheit schaffen. Das gilt auch für das Vorhaben, in dieser Richtlinie Klimaschutzziele festzuschreiben.
  4. Nach Einschätzung des BVMed umfasst der Begriff der „Wertschöpfungskette“, wie im Richtlinienvorschlag angeführt, auch die Kunden der Branche, beispielsweise Krankenhäuser. In diesem Falle dürften Medizintechnik-Unternehmen einzelne Kunden, wenn diese gegen die Kriterien der Richtlinie verstoßen, nicht mehr beliefern und die Patientenversorgung könnte somit eventuell nicht sichergestellt werden. Aus humanitären Gesichtspunkten wäre dies eine nichtakzeptable Einschränkung der Versorgung und träfe insbesondere Drittländer und Länder mit bereits heute eingeschränkter Gesundheitsversorgung. Der BVMed schlägt daher vor, dass für den sogenannten Downstream-Teil der Wertschöpfungskette eine humanitäre Ausnahme etabliert wird. Dies könnte analog zur Regelung bei Sanktionen, wie bei den Russland-Sanktionen, vollzogen werden.

„Es wird bei der Ausformulierung und Umsetzung der Richtlinie vor allem darauf ankommen, eine sinnvolle Balance zwischen klaren Vorgaben und praktikabler Umsetzungsfreiheit zu finden“, sagt Allonge und ergänzt: „So sollten Vorgaben sich einerseits möglichst an bereits vorhandenen, verbreiteten Normen orientieren, die bereits vielfach von Unternehmen umgesetzt werden. Andererseits sollte klar sein, dass in vielen Ländern unterschiedliche Auslegungen dieser internationalen Normen implementiert werden.“ Es werde also auch wichtig sein, Unternehmen die Freiheit zur eigenständigen Bewertung zu lassen, falls es keine „Safe Harbour“-Regelung geben sollte. Allonge: „Wir halten eine Begrenzung auf direkte Zulieferer für sinnvoll, die begleitet wird durch eine Pflicht, bei Kenntnis von substanziellen Verstößen in der weiteren Lieferkette tätig zu werden. Dies wird dem Gesetz zu tatsächlicher Wirksamkeit verhelfen.“

Anm. d. Red.:
Die BVMed-Stellungnahme kann unter www.bvmed.de/positionen eingesehen werden