BVNP: NIPT als Kassenleistung – Pränataldiagnostiker sehen gravierende Mängel in G-BA Beschluss

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Um das Risiko für eine mögliche Fehlbildung einzuschätzen, kann neben Ultraschalluntersuchungen und einer Fruchtwasseruntersuchung auch ein Bluttest auf kindliche Chromosomenanomalien durchgeführt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat entschieden, dass dieser so genannte „nicht-invasive pränatale Test (NIPT)“ für Schwangere mit entsprechenden Risiken zur Kassenleistung für die drei Chromosomenanomalien Trisomie 21, 18 und 13 wird. Allerdings weist der Beschluss erhebliche Mängel auf, kritisiert der Berufsverband niedergelassener Pränatalmediziner (BVNP).

Die praktische Aussagekraft des Bluttests sei deutlich geringer als darin kommuniziert, heißt es in der Pressemitteilung. Der BVNP fordert daher, weiterhin eine differenzierte Ultraschalluntersuchung als Ergänzung anzubieten.

Das NIPT-Verfahren ermöglicht ein zielgerichtetes Screening beim Ungeborenen im Mutterleib auf bestimmte Chromosomenstörungen wie die Trisomien 21 (Down-Syndrom), 13 (Pätau-Syndrom) und 18 (Edwards-Syndrom). Für die Untersuchung wird kindliche DNA aus Zellfragmenten gewonnen, die im Blut der Mutter zirkuliert. Im Gegensatz zu den invasiven Verfahren handelt es sich allerdings hierbei um ein Suchverfahren (Test) und nicht, wie bei der Fruchtwasseruntersuchung, ein beweisendes Diagnoseverfahren: NIPT hat methodenbedingt immer eine gewisse Fehlerrate (Falsch-positiv-Befund, Falsch-negativ-Befund).

Der BVNP kritisiert die Darstellung der Aussagekraft des Verfahrens durch das IQWIG-Gutachten und den hierauf fußenden G-BA Beschluss zur Änderung der Mutterschaftsrichtlinien: „Die Aussagekraft des Bluttests ist in der Routineanwendung weit geringer als darin kommuniziert“, so Prof. Alexander Scharf, Präsident des BVNP. Bei der Suche nach den Trisomien 21, 18 und 13 würden pränatal nur circa 70 Prozent der Chromosomenstörungen generell untersucht und hiervon nur zum Teil entdeckt; somit würde also nur ein Teil der tatsächlich betroffenen Feten adressiert, während die Fruchtwasseruntersuchung das gesamte Spektrum erfasse. „Die verbreitete Behauptung NIPT ersetze die Fruchtwasseruntersuchung greift damit zu kurz und ist sachlich falsch“, so Scharf. Ein auffälliges Ergebnis müsse deshalb immer in einer anschließenden invasiven Untersuchung überprüft werden. Wie mit einem solchen positiven NIPT-Testergebnis umgegangen werden sollte, würde in dem G-BA Beschluss zur Änderung der Mutterschaftsrichtlinien völlig außer Acht gelassen, kritisiert Scharf.

Die Pränataldiagnostiker bewerten zudem kritisch, dass die Bluttests nicht alle Chromosomenstörungen adressieren und keinerlei Aussagen über die wesentlich häufigeren, nicht genetisch bedingten körperlichen Fehlbildungen des Ungeborenen ermöglichen. „Chromosomale Störungen machen bei der Geburt des Feten nur etwa acht Prozent der Fehlbildungen und kognitiven Entwicklungsstörungen aus“, betont Scharf. Die öfter vorkommenden nicht genetisch bedingten, körperlichen Fehlbildungen könnten jedoch nur bei einer ausführlichen pränatalen Ultraschalluntersuchung, wie sie momentan während des Ersttrimester-Screenings erfolgt, erkannt werden. „Die Bluttests sollten deshalb nur ergänzend zu einer Ultraschalluntersuchung vorgenommen werden, bei der auch die Nackentransparenz des Feten beurteilt wird“, so der Experte.

Ein weiterer Kritikpunkt des BVNP ist zudem, dass die Mutterschaftsrichtlinien keine klaren qualitätssichernden Empfehlungen zur Durchführung der Bluttests enthalten. „Schwangere brauchen begleitend zu dem Verfahren dringend und standarisiert eine qualifizierte medizinische und psychosoziale Beratung“, fordert der BVNP-Präsident. „Zudem muss gewährleistet sein, dass notwendige Anschlussuntersuchungen – wie beispielsweise eine Chorionzottenbiopsie – schnell möglich gemacht werden.“ Solche Aspekte würden in den Mutterschaftsrichtlinien zu sehr außer Acht gelassen. Da solche klaren Indikationen in den Vorgaben jedoch fehlten, sei das Verfahren auch unter ethischen Gesichtspunkten kritisch zu beurteilen. Der BVNP hält die Einführung von NIPT als Kassenleistung für Schwangere mit entsprechenden Risiken generell für ethisch fragwürdig: „Die bisher höchst individuelle Entscheidung, ob – und in welchem Umfang – Schwangere Informationen zur Gesundheit ihres ungeborenen Kindes haben möchten, wird den Schwangeren durch die Vergesellschaftung der Leistung NIPT und den sich hierüber aufbauenden sozialen Druck zur Inanspruchnahme ein Stück weit weggenommen“, so Scharf abschließend.