BVOU zum IGeL-Monitor: „Differenzierte Bewertung findet nicht statt“20. August 2025 Foto: Sebastian Kaulitzki/stock.adobe.com Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) hat eine klare Meinung zum IGeL-Monitor: Anschein einer wissenschaftlichen Analyse, in Wahrheit „Ärzte-Bashing“. Die Kassen raten von Hyaluronsäure-Injektionen ab, der Verband kritisiert die Bewertung. Der kürzlich veröffentlichte Bewertung des IGeL-Monitors hatte intraartikuläre Hyalruonsäure-Injektionen und Stoßwellentherapie bei Kalkschulter unter die Lupe genommen und sieht insgesamt mehr Schaden als Nutzen. Der BVOU hält dagegen: „Von einem erhöhten Risiko von Nebenwirkungen bei der Injektion von Hyaluronsäure kann keine Rede sein.“ „Verkürzt und einseitig“ Der Berufsverband hat die Aussagen des IGeL-Monitors hinsichtlich Hyaluronsäure-Injektionen auf ihre wissenschaftlicher Richtigkeit hin überprüft und mit der Stellungnahme klargestellt. So gibt der Medizinische Dienst nach Einschätzung des BVOU mit seiner Behauptung, es gebe nur erhebliche Nebenwirkungen und keinen Nutzen, die komplexe und heterogene Studienlage nur verkürzt und einseitig wieder. Der Verband verweist auf die aktuelle S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) zu Gonarthrose: Diese sieht keinen Unterschied in der Häufigkeit von Nebenwirkungen nach intraartikulärer Injektion von Hyaluronsäure im Vergleich zu Placebo1. Leitlinienempfehlungen fallen anders aus Auch der Behauptung des Medizinischen Dienstes der Nutzen sei nicht nachgewiesen widerspricht der BVOU. Denn immerhin gebe die Leitlinie der Osteoarthritis Research Society International (OARSI)2 aufgrund eines positiven Nutzennachweises eine bedingte Empfehlung ab. Verglichen mit der Injektion von Glucocorticoiden sei die Hyaluronsäure-Injektion als Alternative zu bevorzugen. Die Autoren der OARSI-Leitlinie sehen Vorteile bei intraartikulärer Hyaluronsäure: Während Glucocorticoide für kurzfristige Schmerzlinderung sorgen, hat Hyaluronsäure positive Effekte hinsichtlich Schmerz im Zeitraum von bis zu zwölf Wochen und darüber hinaus. Die Leitlinie weist auch darauf hin, dass das Sicherheitsprofil von Hyaluronsäure-Injektionen auf lange Sicht vorteilhafter ist, als bei wiederholten Glucocorticoid-Injektionen. Wie der BVOU in seiner Stellungnahme hervorhebt, gibt die S3-Leitlinie der DGOU eine positive Empfehlung für die Injektion von Glucocorticoiden, ebenso wie für die Injektion von plättchenreichem Plasma – ebenfalls eine Selbstzahlerleistung. Komplexe Studienlage – Falsch wiedergegeben Für die intraartikuläre Hyaluronsäure-Injektion kam keine Empfehlung zustande, da die Evidenzlage in den Studien zu widersprüchlich ist, um eine eindeutige Empfehlung abzuleiten, wie der BVOU erläutert. Der Verband kritisiert an dieser Stelle die Darstellung des IGeL-Monitors: Die komplexen wissenschaftlichen Grundlagen bei der intraartikulären Therapie der Gonarthrose würden gar nicht oder nur verzerrt beziehungsweise falsch wiedergegeben. Wie der BVOU weiter erläutert, bilden wissenschaftliche Empfehlungen der Fachgesellschaften die Basis der Behandlung in Orthopädie und Unfallchirurgie. Die Leitlinien stützen sich auf die Auswertung von Studien und Expertenmeinungen. Die Empfehlungsgrade variieren je nach Studienlage zwischen „stark empfohlen“ und „nicht empfohlen“. Oft negative Empfehlung für erstattete Therapien Bei vielen gängigen konservativen Therapien (z.B. physikalische Therapien) fehlen oft die Studien beziehungsweise sind zu heterogen, um eine Empfehlung überhaupt auszusprechen zu können – oder die Empfehlung fällt schwach bis neutral aus. Der Berufsverband weist auch darauf hin, dass einige der von Kassen erstatteten Therapien – anders als die intraartikulären Injektionen – sogar mit einem negativen Empfehlungsgrad versehen sind (beispielsweise Orthesen, Tapes, transkutane elektrische Nervenstimulation, Ultraschalltherapie, Lasertherapie). Dilemma bei konservativen Therapien In vielen Fällen stünden Ärzte vor dem Dilemma, dass neben Beratung und Patientenedukation als Alternative zur Operation nicht allzu viele Therapieoptionen bereitstehen, für die es eine uneingeschränkte Empfehlung auf Basis der Studienlage gibt, stellt der BVOU klar. Patienten hingegen hätten die Erwartung, dass ihre Ärzte die Möglichkeiten konservativer Therapien ausschöpften – auch bei schwacher Evidenz. Dies gelte insbesondere bei chronischen Beschwerden wie Arthrose oder Sehnenreizungen, wenn Standardtherapien ausgeschöpft sind, wie es in der Stellungnahme weiter heißt. „Wir halten dieses Vorgehen für gerechtfertigt, da es nach unserer Erfahrung zu besseren Ergebnissen und einer höheren Zufriedenheit unserer Patientinnen und Patienten führt“, betont der BVOU. IGeL oft als „unseriöse Zusatzleistung“ diffamiert Für den Verband auffällig in der aktuellen Diskussion: Sobald ärztliche Leistungen als Selbstzahlerleistungen angeboten werden, würden sie häufig pauschal als „kommerziell motivierte Überversorgung“ oder „unseriöse Zusatzleistung“ eingeordnet. Aber im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung gelte dieselbe Behandlung als „anerkannte medizinische Therapie“. „Dabei existieren für viele Therapien und Verordnungen, die die Kassen ganz oder zumindest teilweise erstatten, keine gesicherten Studien und damit kein Nachweis von Wirksamkeit. Dies gilt für einige Hilfsmittel und physikalische Therapien, aber auch für Physiotherapie bei bestimmten Krankheitsfällen. In all diesen Fällen gibt es keinen überzeugenden Evidenznachweis“, konstatiert der BVOU. Kosten werden übernommen – Trotz fehlender Evidenz Gleiches gelte für homöopathische Leistungen, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrten, deren Kosten aber von vielen Kassen übernommen würden. Der BVOU weist außerdem darauf hin, dass manche Therapien, wie zum Beispiel die Stoßwellentherapie bei Plantarfasziitis, „einst als IGeL gebrandmarkt“ waren, jetzt aber im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherungen zu finden sind. Der Berufsverband empfiehlt Patienten, sich bei der Auswahl ihrer Therapien auf die Leitlinien der wissenschaftlichen Fachgesellschaften und die Empfehlungen der Ärzte zu verlassen – und sich nicht nach der Erstattungspraxis der Kassen oder den Publikationen des Medizinischen Dienstes zu richten. Beide genügten wissenschaftlichen Kriterien nicht, wie der BVOU betont. „In Wahrheit ein Beitrag zum ‚Ärzte-Bashing‘“ „Der IGeL-Monitor gibt sich den Anstrich einer wissenschaftlichen Analyse zu medizinischen Therapien. In Wahrheit handelt es sich hier um einen Beitrag zum ‚Ärzte-Bashing‘. Eine differenzierte und für die Versicherten hilfreiche Bewertung von Therapien findet hier nicht statt“, kritisiert der BVOU und fordert eine Klarstellung. (ja)
Mehr erfahren zu: "Comfort Food: Menschen mit chronischen Schmerzen neigen zu emotionalem Essen" Comfort Food: Menschen mit chronischen Schmerzen neigen zu emotionalem Essen In einer australischen Studie griffen zwei Drittel der Patienten mit chronischen Schmerzen zu Comfort Food. Was einerseits Freude und Trost im Schmerzalltag schenkt, kann auch zu einem Teufelskreis aus Gewichtszunahme […]
Mehr erfahren zu: "Die Crux mit dem Kreuzband bei Fußballerinnen: Angst wächst" Die Crux mit dem Kreuzband bei Fußballerinnen: Angst wächst Die vielen Kreuzbandrisse im Frauenfußball beschäftigen Spielerinnen, Experten, Clubs, Fans und Verbände. Nach dem erneuten Ausfall von Lena Oberdorf wird dringend eine Lösung gesucht.
Mehr erfahren zu: "Magnetisches Jamming eröffnet neue Möglichkeiten für die Mikrorobotik" Magnetisches Jamming eröffnet neue Möglichkeiten für die Mikrorobotik Könnten winzige magnetische Objekte, die sich schnell zusammenballen und sofort wieder auseinanderfallen, eines Tages filigrane Eingriffe im menschlichen Körper durchführen? Eine neue Studie von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme […]