BVSD sieht gesetzliche Pflicht verletzt: „Schmerzmedizinische Versorgung ist nicht sichergestellt“

BVSD-Vorsitzender Joachim Nadstawek. Foto: ©BVSD

In Deutschland leben rund vier Millionen Menschen mit schweren und hochproblematischen chronischen Schmerzen. Von diesen könnten heute in Deutschland nur etwa 400.000 von einem der rund 1300 ambulant tätigen Schmerzmedizinerinnen und Schmerzmediziner im Quartal schmerzmedizinisch versorgt werden, kritisiert der BVSD-Vorsitzende Prof. Joachim Nadstawek.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sind gesetzlich verpflichtet, die ambulante ärztliche Versorgung aller gesetzlich Versicherten in Deutschland sicherzustellen. „Dieser Verpflichtung wird nicht nachgekommen. Patienten mit chronischen Schmerzen werden seit Jahren als Stiefkinder behandelt, denen eine schmerzmedizinisch adäquate Behandlung aufgrund von Strukturmängel vorenthalten wird. Wir sind uns mit dem Gemeinsamen Bundesauschuss einig, dass die Versorgung von Schmerzpatientinnen und -patienten in Deutschland weder quantitativ noch qualitativ sichergestellt ist. Es besteht ein Mangel an multidisziplinär und -professionell ausgerichteten Schmerzzentren und es fehlt an Spezialisten der medizinischen, psychologischen, therapeutischen und pflegerischen Versorgung“, erklärte Nadstawek, Vorsitzender des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V. (BVSD).

Patienten mit schweren und hochproblematischen chronischen Schmerzen benötigten in der Regel eine interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie. Diese könne aktuell jedoch nur in rund 450 Krankenhäusern durchgeführt werden, so Nadstawek. „Im ambulanten Bereich ist eine interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie überhaupt nicht in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung vorgesehen. Wir haben keinen Facharzt für Schmerzmedizin und keine Bedarfsplanung. Die schmerzmedizinische Versorgung läuft auf Grund, wenn nicht schnell von den Verantwortlichen reagiert wird. Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgestellten Strukturmängel müssen endlich angegangen werden.“

Lösungsmöglichkeiten sieht der BVSD in der Einführung eines von der KBV, den KVen und dem BVSD entwickelten Konzeptes zur multimodalen Behandlung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Damit könne die ambulante Schmerzmedizin im Sinne einer SAPV-Palliativversorgung weiterentwickelt werden. Außerdem: Die KV Westfalen-Lippe fördert seit 2022 bislang als einzige KV die Zusatzweiterbildung Spezielle Schmerztherapie. Damit erhöhten sich die Chancen erheblich, den dringend benötigten schmerzmedizinischen Nachwuchs zu gewinnen, so der BVSD-Vorsitzende. Der BVSD fordert, dass weitere KVen schnell diesem Beispiel folgen.

Bei der geplanten Krankenhausreform fordert der BVSD von den Ländern und vom Bund eine klare Zusage, dass die Schmerzmedizin als eigenständige Leistungsgruppe definiert und fest in der Krankenhausplanung verankert wird, um die zunehmende Anzahl von Menschen mit schweren und hochproblematischen chronischen Schmerzen zukünftig sach- und bedarfsgerecht teil- und vollstationär versorgen zu können.