Chirurgie-Ausbildung mit Roboter und Virtueller Realität18. Mai 2020 Im Rahmen eines Vorläuferprojektes entwickelten die Projektpartner bereits einen Simulator für das Fräsen von Hüftpfannen (Foto: Viktoria Stoiser). Das Einsetzen von Hüftimplantaten stellt hohe Anforderungen an ChirurgInnen. Um diese Eingriffe praxisnah trainieren zu können, entwickeln WissenschaftlerInnen der Universität Bremen und der Technischen Universität Chemnitz einen dynamischen Hüftplantatsimulator. Die Anwender sehen die Szene in der virtuellen Realität und bedienen dabei OP-Instrumente, die an einen Roboter angeschlossen sind. Die weltweit steigende Zahl älterer Menschen führt zu einem Anstieg an Hüftimplantationen und anderen Gelenkersatzoperationen. Dadurch wächst auch der Bedarf an gut ausgebildeten orthopädischen Chirurgen, aber das praxisnahe Training dieser Operationen ist sehr schwierig zu realisieren. WissenschaftlerInnen der TU Chemnitz und der Uni Bremen entwickeln daher im Projekt „Dynamic HIPS“, das am 1. Mai gestartet ist, einen dynamischen Hüftimplantatsimulator. Er soll den ÄrztInnen für Übungen zur Verfügung stehen und ein realistisches Gefühl für den Eingriff vermitteln. Nach Angaben der Forschenden stehen dabei drei besonders kritische OP-Schritte im Fokus: das Abtrennen des Hüftgelenkkopfes, das Ausschaben des Oberschenkelknochens und die Implantation des Kunstgelenkes. „Die angehenden Chirurgen erhalten durch das System die Möglichkeit, bereits vor ihrer ersten realen OP ein großes Erfahrungswissen zu sammeln“, erklärt Prof. Gabriel Zachmann vom Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen. „Auch erfahrene Chirurgen profitieren von diesem Trainingssimulator, zum Beispiel durch das Trainieren von komplizierten, selten durchgeführten Eingriffen.“ Gleiche Sinneswahrnehmungen wie bei einer realen Operation Operationen werden zur Schonung des Patienten oft in möglichst kleinen OP-Öffnungen durchgeführt. „Dadurch operiert der Chirurg sehr stark nach Gefühl“, erläutert Mario Lorenz von der Professur für Werkzeugmaschinenkonstruktion und Umformtechnik an der TU Chemnitz. „Bei Operationen wie dem Einsatz einer Hüftprothese sind gleichzeitig auch manuelle Tätigkeiten mit hohen Kräften erforderlich. Für den Erfolg der OP ist es sehr wichtig, diese Tätigkeiten so präzise wie möglich auszuführen. Bis jetzt fehlt es aber an Trainingsgeräten, die den Chirurgen genau die gleichen Sinneswahrnehmungen vermitteln können, die sie auch bei einer realen Operation spüren würden, zum Beispiel den Widerstand des Knochens beim Sägen und Ausschaben.“ Das Projekt Dynamic HIPS habe sich daher mehrere Ziele gesetzt, die es ermöglichen, die benötigten Trainingsgeräte zu entwickeln. Die Forscher wollen die Kräfte, Drehmomente und Geschwindigkeiten bestimmen, die bei den drei zu simulierenden OP-Schritten auftreten. Auf dieser Basis wollen sie einen Roboterarm und bestehende Haptikgeräte – also Geräte, die realistische Sinneswahrnehmungen vermitteln können – weiterentwickeln. Ebenfalls wichtig sei die Schaffung eines mathematischen Modells, das die Widerstände und den Materialabtrag am Knochen simuliert. Diese Informationen müssten innerhalb einer Millisekunde an den Roboter übermittelt werden, um den Chirurgen ein realistisches Gefühl zu vermitteln. Experten können aus anderen Teilen der Welt hinzugeschaltet werden Ein zweites Bündel an Zielen befasst sich nach Angaben der Hochschulen mit der VR-Technologie, die das gemeinsame Training über große Distanzen hinweg ermöglicht („Remote-Training“). Mithilfe eines Multi-User-Systems könnten so erfahrene Chirurgen ihre medizinische Expertise an auszubildende Chirurgen weitergeben, ohne selbst vor Ort zu sein. Diese Funktionalität erleichtere nicht nur den Transfer von medizinischer Expertise in Schwellen- und Entwicklungsländer, sondern diene auch dem Erkenntnisaustausch zwischen erfahrenen Chirurgen. Die Forschenden stünden hier vor der Herausforderung, die zeitlichen Verzögerungen bei der Synchronisation von Szenen trotz großer räumlicher Entfernung zwischen den Nutzern zu minimieren, sodass sich beide Chirurgen in einer identischen Situation befinden. Parallel wollen die WissenschaftlerInnen die Interaktion zwischen den Nutzern in der VR-Umgebung stärken, indem sie Möglichkeiten bereitstellen, ohne Worte zu kommunizieren, beispielsweise durch das Zeigen auf virtuelle 3-D-Zeichnungen. Darüber sollen Arbeitsschritte künftig aufgezeichnet und mit Audio-Kommentaren unterlegt werden können, um Trainingsvideos zu erstellen, heißt es weiter. Umfangreiche Nutzerstudie soll Akzeptanz sicherstellen An dem Projekt beteiligen sich neben der Uni Bremen und der TU Chemnitz auch die Unternehmen FAKT Software GmbH, Haption GmbH, CAT Production GmbH und YOUSE GmbH. Ein Teil des Konsortiums hatte im Vorläuferprojekt HIPS („HüftImplantatPfannenfräsSimulator“) bereits einen Trainingssimulator zum Ausfräsen der Hüftgelenkpfanne entwickelt. Von medizinischer Seite wird die Entwicklung von der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie des Universitätsklinikums Leipzig, dem Zentrum zur Erforschung der Stütz- und Bewegungsorgane (ZESBO), dem Institut für makroskopische klinische Anatomie der Medizinischen Universität Graz (Österreich) sowie der Medizintechnik-Abteilung des Fraunhofer Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) begleitet. Das gesamte Entwicklungsvorgehen in Dynamic HIPS erfolgt den Forschenden zufolge nutzerzentriert. Orthopädische Chirurgen würden bei der Ausarbeitung der detaillierten Anforderungen sowie zur Gestaltung und Bewertung der Lösungen mit einbezogen. Die letzte Projektphase umfasse zudem eine umfangreiche Nutzerstudie. Gefördert wird das dreijährige Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit über zwei Millionen Euro.
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