Chirurgie im Kopf-Hals-Bereich: Profitiert der Patient, wenn der Roboter mitoperiert?19. Mai 2022 Bild: Damian/stock.adobe.com Zunehmend werden Therapien anhand ihres Patienten-Benefits bewertet – für die DGHNO-KHC eine dringend notwendige Entwicklung. Wie der Patientennutzen definiert und im Rahmen von Studien untersucht werden kann, diskutieren Experten des 93. DGHNO-KHC-Jahreskongresses am Beispiel von Tumoren im Mund-Rachenbereich. Operationen auf dem Gebiet der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde sind oft äußerst komplex. „Der technische Fortschritt auf diesem Gebiet ist rasant und eröffnet immer neue Behandlungsmöglichkeiten“, sagt Prof. Hans-Jürgen Welkoborsky, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde am KRH Klinikum Nordstadt in Hannover und Präsident der DGHNO-KHC. Als evidenzbasiertes Fach müsse die HNO bei jeder Neuentwicklung jedoch nicht nur nach dem objektiven therapeutischen Nutzen, sondern auch nach dem Nutzen aus Sicht des Patienten fragen. Auch dieser müsse im Rahmen von Studien belastbar untersucht werden. Die Lebenszeit eines schwerkranken Menschen um Monate oder gar Jahre zu verlängern, gilt als Erfolg. Zu welchem Preis der Zugewinn an Lebenszeit erkauft wurde und mit welchen Einschränkungen der oder die Betroffene fortan zu kämpfen hat, spielt dagegen oft nur eine untergeordnete Rolle; lange Zeit wurde der „weiche“ Parameter Lebensqualität sogar überhaupt nicht untersucht. Hier zeichnet sich in den letzten Jahren eine Trendwende ab. Wie unterschiedlich die Bewertung einer Therapie aus ärztlicher Sicht und aus Patientensicht sein kann, wird am Beispiel von Tumoren im Oropharynx deutlich. Während aus onkologischer Sicht eine möglichst vollständige Entfernung des Tumors und eine Minimierung des Rückfallrisikos ausschlaggebend sind, hat für die Patienten darüber hinaus auch der Erhalt des Schluck- und Sprechvermögens einen sehr hohen Stellenwert. „Wie diese Faktoren gewichtet werden, ist individuell sehr unterschiedlich und auch vom Patientenalter und vom Zeitpunkt der Befragung in Bezug zur Therapie abhängig“, umreißt PD Dr. Timon Hussain, Oberarzt an der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Universitätsmedizin Essen, die Komplexität dieses Aspekts. Gerade auf dem Gebiet der Oropharynx-Tumortherapie habe in den letzten Jahren zudem eine epidemiologische Verschiebung stattgefunden: Die Zahl der Tumoren, die auf eine Infektion mit dem Humanen Papillomvirus (HPV) zurückgehen, nehme zu, diese Patienten seien im Schnitt jünger als HPV-negative Tumorpatienten, und vor allem seien ihre Heilungschancen deutlich besser. „Und mit der Lebenszeit, die durch die Therapie gewonnen wird, steigt auch die Bedeutung der Lebensqualität.“ In der Behandlung dieser Tumoren hat sich insbesondere in den USA die so genannte TORS (Transorale Robotische Chirurgie) durchgesetzt. „Dabei wird der Chirurg durch einen Roboter unterstützt, dessen Instrumental- und Kameraarme er per Fernsteuerung bedient“, erläutert Hussain, der das Verfahren auf der Pressekonferenz anlässlich des Kongresses vorstellen wird. Die Feinheit der Instrumente erlaubt dabei einen minimalinvasiven Zugang durch die Mundhöhle – im Vergleich zum zuvor üblichen offenen Zugang, bei dem entweder der Hals seitlich eröffnet oder der Unterkiefer gespalten werden musste, ein deutlich schonenderes Verfahren. Auch im Vergleich zu einer Hochdosis-Strahlentherapie kann die alleinige TORS das Ausmaß der Nebenwirkungen reduzieren. „Allerdings werden aktuell viele mittels TORS therapierte Patienten im Nachgang zusätzlich bestrahlt, was diesen Vorteil teilweise aufhebt“, betont Hussain. Hier seien die derzeit laufenden Therapie-Deeskalationsstudien besonders interessant, in denen untersucht wird, ob gerade bei HPV-positiven Patienten die Strahlendosis nach TORS reduziert werden kann, ohne die guten onkologischen Ergebnisse zu gefährden. Während sich das TORS-Verfahren in den USA bereits flächendeckend durchgesetzt hat, wird es in Europa noch weitaus seltener angewandt. „Der Grund hierfür liegt darin, dass in Deutschland und anderen europäischen Ländern die transorale Laser-Mikrochirurgie sehr verbreitet ist“, sagt Hussain. Mit diesem etablierten Verfahren könne bereits seit Jahrzehnten – also bereits vor der Entwicklung von TORS – weitgehend organerhaltend operiert werden und es würden sehr gute therapeutische und funktionale Ergebnisse erzielt. Direkte vergleichende Studien zu den beiden Operationstechniken liegen bislang noch nicht vor. Solche Studien seien die Voraussetzung für eine Identifikation idealer Anwendungsbereiche für die TORS in Europa – selbstverständlich unter Einbeziehung der Lebensqualität der Patienten, so der HNO-Experte
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