Cholesterinsenker wirken nicht antidepressiv

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Ergebnisse kleinerer Studien weisen darauf hin, dass Statine antidepressiv wirken könnten. Berliner Forschende konnten diesen Effekt in einer aktuellen Studie nicht verifizieren. Sie empfehlen die Cholesterinsenker daher nicht zu Behandlung von Depressionen.

Cholesterinsenker sind die weltweit am häufigsten verordneten Medikamente. Sie senken die Produktion von Cholesterin in der Leber, wirken entzündungshemmend und vermindern so das Risiko für das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Hätten Statine tatsächlich einen antidepressiven Effekt, könnte man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, sagt Prof. Christian Otte, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité am Campus Benjamin Franklin und Leiter der Studie. „Depression und Adipositas, also Fettleibigkeit, gehören zu den häufigsten Erkrankungen auf der gesamten Welt. Und sie treten tatsächlich oft zusammen auf: Wer adipös ist, hat ein höheres Risiko für eine Depression – ist man depressiv, besteht wiederum ein höheres Risiko für Adipositas.“ Häufig sind die Cholesterinwerte bei adipösen Personen erhöht, sodass zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen Statine verabreicht werden.

Randomisierte Studie mit depressiven und adipösen Patienten

In einer randomisierten Doppelblindstudie ist das Forschungsteam um Otte den Hinweisen auf eine mögliche antidepressive Wirkung von Statinen nachgegangen. An der Studie nahmen 161 Patienten (Durchschnittsalter 39 Jahre; 79 % weiblich) teil, die an Depression und gleichzeitig an Adipositas (Body-Mass-Index ≥30 kg/m2) erkrankt waren. Alle Teilnehmenden wurden während der zwölfwöchigen Studie mit einem Standard-Antidepressivum (Escitalopram) behandelt. Der einen Hälfte der Teilnehmenden wurde zusätzlich ein Cholesterinsenker (Simvastatin) verabreicht, der anderen Hälfte stattdessen ein Scheinmedikament. „Das Vorgehen sollte uns zeigen, ob wir bei Teilnehmenden, die das Statin erhielten, einen stärkeren antidepressiven Effekt ausmachen können als in der Placebo-Gruppe“, erklärt PD Dr. Woo Ri Chae, Wissenschaftlerin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Co-Erstautorin.

Die Depressionsschwere der Studienteilnehmer haben die Forschenden zu Beginn und zum Ende des Studienzeitraums mithilfe etablierter klinischer Interviews sowie anhand von Selbstauskunft-Fragebögen erfasst. Aus Blutproben der Teilnehmenden wurden zudem Blutfettwerte und der Wert für den Entzündungsmarker C-reaktives Protein (CRP) bestimmt. „Menschen mit Adipositas und/oder Depression weisen im Blut häufig leicht erhöhte Entzündungswerte auf. Diese können bei einem Teil der Betroffenen sogar für die Depression verantwortlich sein“, erklärt Otte. „Und genau hier setzte unsere Hypothese für einen möglichen antidepressiven Effekt von Statinen an: Wenn sich durch die Statin-Gabe die Entzündungswerte bessern, könnte dies bei manchen Studienteilnehmenden womöglich mit einem antidepressiven Effekt einhergehen.“

Klassische Antidepressiva bleiben Goldstandard

Zu Beginn der Studie waren die Teilnehmenden moderat bis schwer depressiv. Über die zwölfwöchige Studienphase besserte sich die Depressionssymptomatik bei allen Patienten deutlich – jedoch ohne Unterschied zwischen der Statin- und der Placebogruppe. „Durch die Gabe des Cholesterinsenkers besserten sich wie erwartet die Blutfettwerte, und auch der Entzündungsmarker CRP nahm deutlich ab“, sagt Chae. „Doch leider ging dies nicht einher mit einer zusätzlichen antidepressiven Wirkung.“ Otte ergänzt: „Was die Behandlung von Depressionen angeht, haben Statine demnach keinen zusätzlichen Nutzen. Klassische Antidepressiva bleiben nach jetzigem Kenntnisstand der Goldstandard.“ Statine sollten gemäß der geltenden Leitlinien zum Schutz vor Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verordnet werden – und das selbstverständlich auch bei Patienten, die zusätzlich unter Depressionen leiden, empfehlen die Forschenden.

In weiterführenden Studien wird das Team um Otte die während der Forschungsarbeit gewonnenen Blutproben noch eingehender zellulär und molekular untersuchen, um mögliche individuelle Unterschiede und Zusammenhänge aufzudecken. Zudem arbeiten die Forschenden mit Hochdruck weiter an verbesserten Behandlungsstrategien für Patienten mit Depressionen, die zugleich an weiteren Erkrankungen leiden.