ChReef: Verbesserter „Molekularer Lichtschalter“ verspricht Hilfe für Blinde, Taube und Herzkranke

ChReef wurde durch die gezielte Veränderung des genetischen Bauplans eines lichtempflindlichen Proteins (grüne Struktur; unten links) für optogenetische Therapien optimiert. Es soll die Entwicklung neuer Behandlungsmaßnahmen zur Wiederherstellung des Hörens (Optisches Cochlea-Implantat, oben links), des Sehens (lokale Gentherapie im Auge und spezielle Brille, oben rechts) oder zur Regulation des Herzrhythmus (Steuerung der Aktivität der Herzmuskelzellen, unten rechts) vorantreiben. Abbildung.©alexey chizhik/ekfz ot

Göttinger Forscher haben ein lichtempfindliches Protein entwickelt, das den Seh- und Hörsinn wiederherstellen sowie den Herzrhythmus regulieren kann.

Das Besondere an dem Protein ist, dass bereits sehr geringe Lichtmengen ausreichen, um diesen „molekularen Lichtschalter“ zu bedienen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung innovativer Therapien zur Behandlung von Blindheit, Taubheit und Herzrhythmusstörungen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Biomedical Engineering“ veröffentlicht.

Optogenetik bietet neue Möglichkeiten

Die Optogenetik nutzt lichtempfindliche Proteine, sogenannte Kanalrhodopsine, um die Aktivität von Nerven- und Muskelzellen gezielt zu steuern. Die Baupläne für diese „molekularen Lichtschalter“ werden mittels spezieller Viren in die entsprechenden Zellen eingeschleust. Durch gezielt gesetzte Lichtpulse kann dann die Zellaktivität präzise an- und abgeschaltet werden.

Das Feld der Optogenetik eröffnet neue Möglichkeiten in der Grundlagenforschung, aber auch für die Behandlung von Erkrankungen. Damit diese Technologie zur Entwicklung neuer Behandlungsmaßnahmen genutzt werden kann, müssen sowohl die lichtempfindlichen Proteine als auch die Viren angepasst werden. So können sie den optimalen Nutzen und die erforderliche Sicherheit für die Anwendung beim Menschen gewährleisten.

„ChReef“ – Neues lichtaktivierbares Protein mit gesteigerter Effizienz

Wissenschaftler des Göttinger Exzellenzclusters Multiscale Bioimaging (MBExC) und des Else Kröner Fresenius Zentrums für Optogenetische Therapien (EKFZ OT) haben jetzt die Entwicklung und Anwendung eines neuen lichtempfindlichen Proteins beschrieben. Dieses von Dr. Thomas Mager, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Auditorische Neurowissenschaften der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), und Kollegen entwickelte Kanalrhodopsin trägt den Namen „ChReef“ (ChR that excites efficiently).

„Durch die gezielte Veränderung des Bauplans dieses lichtaktivierbaren Proteins und den Einsatz von zum Teil roboterbasierten Analysemethoden, ist es uns gelungen, die Effizienz der optogenetischen Anregung deutlich zu steigern“, erklärt Mager. „Damit kommen wir einen ganzen Schritt weiter Richtung Anwendbarkeit beim Menschen, um den Seh- und Hörsinn wieder herzustellen und den Herzschlag zu regulieren“, so Prof. Tobias Moser, Direktor des Instituts für Auditorische Neurowissenschaften der UMG sowie MBExC- und EKFZ OT-Sprecher.

Vielversprechende therapeutische Anwendungen von ChReef

In einer Studie haben die Wissenschaftler von MBExC und EKFZ OT die Effizienz des neuen Kanalrhodopsins geprüft und Belege für das Potenzial von ChReef für die Biowissenschaften und die klinische Anwendung erbracht.

Forscher um Prof. Tobias Brügmann, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Herz- und Kreislaufphysiologie der UMG, MBExC-Mitglied und stellvertretender EKFZ OT-Sprecher, konnten beispielsweise zeigen, dass das neue „Werkzeug“ unregelmäßig schlagende Herzmuskelzellen mit sehr geringem Energieaufwand wieder in den richtigen Takt überführen kann.

Herstellung des Sehvermögens

In einer weiteren Untersuchung, unter Leitung von MBExC-Mitglied und stellvertretende EKFZ OT-Sprecherin Prof. Emilie Macé, Professorin für „Dynamik erregbarer Zellnetzwerke“ in der Klinik für Augenheilkunde der UMG, wurde ChReef blinden Mäusen in Form einer Gentherapie in die Augen eingeschleust. Ein anschließender Verhaltenstest zeigte, dass die Mäuse in der Lage waren, Helligkeitsunterschiede auf einem iPad-Bildschirm zu erkennen. Diese Art der Sehwiederherstellung wurde bereits im Rahmen anderer Studien am Menschen überprüft. Mit den bisher verwendeten Kanalrhodopsinen waren dafür sehr starke Lichtquellen notwendig.

Optogenetisches Cochlea Implantat

Eine weitere mögliche Anwendung von ChReef sehen die Forscher in der optogenetischen Wiederherstellung des Hörens mittels optogenetischen Cochlea Implantat. Dieses verspricht eine bessere Auflösung verschiedener Tonhöhen im Vergleich zum elektrischen Cochlea Implantat, das derzeit zur Hörrehabilitation eingesetzt wird.

In der nun veröffentlichten Studie benötigten die Forscher für das „Hören mit Licht“ nur sehr geringe Lichtmengen. „Durch die Entwicklung von ChReef haben wir einen großen Schritt in Richtung klinische Anwendung des optogenetischen Cochlea Implantats gemacht, da nun deutlich weniger Energie für das „Hören mit Licht“ benötigt wird“, erläutert Moser. „Zum einen reduzieren sich dadurch die Schädigungen der Zellen durch Licht, zum anderen halten die Batterien länger.“

Für die Anwendung am Menschen ist ebenfalls relevant, dass die Wiederherstellung des Hörsinns mit Licht auch im Primatenmodell möglich ist. Das konnten die Wissenschaftler um Prof. Marcus Jeschke, Leiter der Forschungsgruppe „Kognitives Hören bei Primaten“ am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), in Göttingen zum ersten Mal zeigen.

„ChReef stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Optogenetik dar und bietet großes Potenzial für die Grundlagenforschung aber auch für die therapeutische Anwendungen, etwa bei Herzrhythmusstörungen oder der Wiederherstellung von Hör- und Sehsinn“, ergänzt Dr. Bettina Wolf, Postdoktorandin am Institut für Auditorische Neurowissenschaften und Koautorin der Studie.