Chronische Rückenschmerzen: Wenn die Schmerzbehandlung zur Dienstleistung wird

Das Beratungsgespräch gehört zur Behandlung von Patienten und Patientinnen mit Rückenschmerzen dazu. Foto: © Dr. Luisa Müller

Was hält Menschen mit chronischen Rückenschmerzen davon ab, ihr Leiden mittels körperlicher Übungen zu lindern? Wodurch lassen sie sich zu sportlichen Aktivitäten motivieren?

Solche Fragen haben Forscherinnen der Philipps-Universität Marburg untersucht, indem sie Betroffene sowie behandelnde Ärztinnen und Ärzte befragten. Die Studienergebnisse erschienen jetzt im Fachblatt „British Journal of General Practice“.

Chronische Rückenschmerzen sind weit verbreitet. Sie gehen mit einem erheblichen individuellen Leidensdruck einher. Körperliche Aktivität gilt als eine der wirksamsten Behandlungsmöglichkeiten. „Für Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner ist es jedoch nach wie vor eine schwierige Aufgabe, die Betroffenen zu regelmäßigem Training zu ermutigen“, sagt die federführende Studienautorin und Medizinerin Dr. Nicole Lindner. „Es gibt ein paar Tricks, wie Menschen mit chronischen Rückenschmerzen aktiv bleiben können. Unsere Studie gibt Aufschluss darüber, was die Betroffenen motivieren kann.“

Lindner und ihre Kolleginnen untersuchten, wie körperliche Aktivität bei der Behandlung chronischer Rückenschmerzen wahrgenommen wird, wie die Motivation der Betroffenen verbessert und Hemmnisse abgebaut werden können. „Während die Perspektiven von Patientinnen und Patienten einerseits und von behandelnden Ärztinnen und Ärzten andererseits bislang nur getrennt voneinander untersucht wurden, widmen wir uns erstmals der Beziehung zwischen den beiden Seiten“, erläutert die Marburger Medizinprofessorin Dr. Annika Viniol, eine weitere Leitautorin.

Die Forscherinnen führten Interviews mit 14 Betroffenen, die an chronischem Rückenschmerz leiden, und mit 12 Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern. Die Meinungen und Erfahrungen der Fachleute und der Betroffenen stimmten in vielen Punkten überein. So teilen beide Gruppen die Überzeugung, dass körperliche Betätigung im Freien eine besonders positive Wirkung auf die Gesundheit hat.

Die Befragten äußerten sich auch zu den Hindernissen, die körperlicher Aktivität entgegen stehen. Hierzu gehört unter anderem, dass die Übungen nicht weitergeführt werden, wenn sich die Schmerzen vermindern. Auch Lustlosigkeit, unzureichende regionale Angebote und Zeitmangel wirken sich hemmend aus.

Die Befragung förderte aber auch Ideen zutage, wie man diese Hemmnisse beseitigen könnte und wodurch sich sportliche Betätigung bei chronischem Rückenschmerz fördern ließe, etwa durch gemeinsames Training in der Gruppe oder regelmäßige Erinnerungen mithilfe einer App.

Die Beziehung zwischen den Behandlern auf der einen Seite und den Patienten und Patientinnen auf der anderen Seite beurteilten beide Gruppen positiv. Jedoch stellten die Studienautorinnen hierbei auch bemerkenswerte Unterschiede fest: „Viele Ärzte und Ärztinnen begegnen ihren Patienten gerne auf Augenhöhe, andere nehmen eine paternalistische Rolle ein“, legt Lindner dar.

Auf der anderen Seite sähen Patienten sich manchmal selbst als Fachleute und betrachteten die medizinische Behandlung als eine Dienstleistung. „Daraus können Probleme erwachsen, die zu einem verringerten Behandlungserfolg beitragen“, ergänzt Lindner. „Unsere Ergebnisse können die Auswahl von Strategien unterstützen, mit denen die Betroffenen zu mehr Bewegung motiviert werden können.“

Die Forschungsarbeit wurde von der Britta-und-Peter-Wurm-Stiftung finanziell gefördert.