Chronische Wunden: Verband mit Laktobazillen besteht Labortest

Empa-Forscherin Qun Ren sucht nach neuen Wegen gegen hartnäckige Biofilme. Foto: © Empa

Probiotische Laktobazillen können die Heilung chronischer Wunden fördern, indem sie hartnäckige Biofilme zerstören. Forschende entwickeln derzeit einen Verband mit den Milchsäurebakterien.

Die Behandlung chronischer Wunden ist schwierig, da sich Keime in den Wunden einnisten, die sich perfekt zu schützen wissen. Diese Bakterien bilden einen Biofilm, einen hartnäckigen Verbund aus verschiedenen Erregern. Sie produzieren zu ihrem eigenen Schutz eine Schleimschicht, mit der sie sich an Oberflächen festsetzen. Antibiotika oder Desinfektionsmittel geraten an ihre Grenzen, da sie die gefährlichen Keime nicht erreichen können.

Ein Team der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston entwickelt derzeit einen Wundverband, der mithilfe von probiotischen Bakterien gegen die Biofilmbewohner vorgeht. Einen „proof of concept“ haben die Forschenden kürzlich im Fachmagazin Microbes and Infection publiziert.

Zäher Biofilm

Das Team um die Empa-Forschenden Qun Ren und Zhihao Li vom Biointerfaces-Labor in St. Gallen nutzte für den neuen Verband lebende Milchsäurebakterien. Zu diesen Laktobazillen gehören auch einige gute Bekannte des Menschen: Als Nützlinge kommen sie beispielsweise in der gesunden Darmflora vor und spielen bei der Herstellung von Lebensmitteln wie Joghurt und Käse eine große Rolle.

„Die Laktobazillen sind bioverträglich und erzeugen ein saures Milieu durch die Produktion von Milchsäure“, sagt Li, der als Gastwissenschaftler an der Empa die klinische Expertise im Projekt beisteuerte. Hierdurch solle der ungünstige, basische pH-Wert in chronischen Wunden in die richtige, sprich saure, Richtung gedrängt werden. „In unseren Laborexperimenten konnten die Bakterien einen stark sauren pH-Wert von 4 im Kulturmedium erzeugen“, so Teamleiterin Ren. Dank der Milchsäureproduktion konnten unter Laborbedingungen zudem erwünschte Zellen, die zur Wundheilung beitrage, angelockt werden.

Nützlinge im Verband

Integriert wurden die Nützlinge schließlich in eine Wundauflage, die chronische Wunden vor weiteren Infektionen schützt. Damit wurde gleichzeitig ermöglicht, dass die lebenden Laktobazillen in geschütztem Umfeld Milchsäure produzieren konnten. Der Verband gab wie erwünscht das saure Produkt kontrolliert und stetig in die Umgebung ab. In Labortests konnte das Material mit integrierten Milchsäurebakterien einen typischen Biofilm aus Erregern in einer Kulturschale komplett zerstören. Die Frage war nun: Bestehen die Nützlinge auch den Test mit menschlicher Haut?

Das lebendige Pflaster

In kleinen Gewebeproben erzeugten die Forschenden künstliche Wunden von zwei Millimetern Länge und ließen einen Biofilm mit dem Wundkeim Pseudomonas aeruginosa heranwachsen. In diesem dreidimensionalen Modell einer menschlichen Hautwunde sollte sich die Probiotika-Wundauflage beweisen. Und tatsächlich verminderte der Bio-Verband die Zahl der Krankheitskeime um 99,999 Prozent.

Zudem konnten die Forschenden nachweisen, dass die Probiotika gut verträglich für menschliche Hautzellen sind und gleichzeitig die Produktion von Botenstoffen des Immunsystems auslösen. Nach diesem „proof of concept“ sollen weitere Analysen zum Wirkmechanismus helfen, das Potenzial der Nützlinge aus der Bakterienwelt für ein „lebendes“ Wundheilungsmaterial zu nutzen.