Cochlea-Implantat und Hörgerät: Auditive Raumwahrnehmung verbessern

Die Entwickler der taktilen Technologie: Adi Snir, Katarzyna Cieśla und Amir Amedi. Foto: Reichman University

Israelischen Forschenden zufolge haben Menschen, die mit Hörgerät oder Cochlea-Implantat hören, ein starkes Defizit in der auditiven Raumwahrnehmung. Die Lösung soll eine multisensorische Technologie sein.

Ein Forscherteam des Ivcher Institute for Brain, Cognition, and Technology (BCT Institute) an der Reichman-Universität (Herzliya, Israel) hat ein erhebliches Defizit in der auditiven Raumwahrnehmung bei Hörgeräteträgern und Cochlea-Implantat-Empfängern festgestellt und eine innovative multisensorische Lösung vorgestellt, die zu einer deutlichen Verbesserung dieser Fähigkeit führt.

Räumliche Fähigkeiten beeinträchtigt

Die Forschungsergebnisse verdeutlichen die Herausforderungen, mit denen Menschen konfrontiert sind, die von Geburt an schwerhörig sind, selbst nach jahrelanger Nutzung von Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten: „Wir haben uns bewusst für Menschen entschieden, die mit angeborenem Hörverlust geboren wurden, weil sie eine einzigartige Gelegenheit bieten, zu untersuchen, wie sensorische Repräsentationen gebildet werden“, erklärt Dr. Adi Snir, Erstautor der Studie und Postdoktorand am Ivcher-Institut für Gehirn, Kognition und Technologie (BCT-Institut) an der Reichman-Universität (Herzliya, Israel).

„Wir haben festgestellt, dass die räumlichen Fähigkeiten des Gehörs der Studienteilnehmer stark beeinträchtigt sind, mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Lokalisierung von Geräuschen, insbesondere bei der Verfolgung sich bewegender Schallquellen, selbst bei Personen mit bilateralen Cochlea-Implantaten“, fügt Snir hinzu.

Das Gehör vergleicht ständig die Ankunftszeiten und Pegel von Geräuschen und berechnet schnell die Unterschiede, um die Positionen von Schallquellen zu lokalisieren. Bei einer Schwerhörigkeit sei dieser Prozess gestört. Zusätzliche Verzerrungen durch Hörgeräte kämen hinzu, so Dr. Katarzyna Cieśla-Seifer, Mitautorin der Studie und Postdoktorandin am BCT-Institut und am Institut für Physiologie und Pathologie des Gehörs in Warschau.

Teilnehmer können räumliche Hinweise durch taktile Feedback wahrnehmen

Inspiriert von dieser Funktion des Gehörs entwickelten die Forschenden eine Technologie (Touch Motion Algorithm; TMA), die taktile Rückmeldungen über die Fingerspitzen liefert und Intensitätsanpassungen vornimmt, um externe räumliche Positionen und Bewegungen darzustellen. „Wir wollten testen, ob wir räumliche Informationen auf eine Art und Weise darstellen können, die die Prozesse des auditorischen Systems widerspiegelt, aber unter Verwendung einer alternativen sensorischen Modalität, in diesem Fall der Berührung“, erläutert Snir die Zielsetzung der Studie.

Die Teilnehmer entwickelten schnell die Fähigkeit, räumliche Hinweise durch taktiles Feedback wahrzunehmen und erreichten bei Lokalisierungsaufgaben eine nahezu normale Genauigkeit. Das Team untersuchte auch die Wirkung einer Kombination aus auditiven und taktilen Informationen. Die Teilnehmer berichteten, dass diese Kombination die Lokalisierungsaufgabe erheblich vereinfachte.

Ergebnisse unterstreichen „bemerkenswerte Lernfähigkeit“ des Gehirns

„Diese Ergebnisse sind besonders spannend, weil sie Auswirkungen auf das Verständnis der Entwicklung räumlicher Repräsentationen im Gehirn haben“, sagt Prof. Amir Amedi, Hauptautor der Studie. „Das Gehör ist die einzige Modalität, die in der Lage ist, unsere gesamte dreidimensionale Umgebung auf natürliche Weise darzustellen, so dass ein fehlender Zugang zu diesen Informationen von Geburt an bei dieser Bevölkerungsgruppe zu Defiziten bei den räumlichen Fähigkeiten führen könnte.“

Die Studie konnte zeigen, dass die Teilnehmer in der Lage waren, räumliche Aufgaben mit Hilfe von taktilen Hinweisen schnell auszuführen. Das unterstreicht nach Ansicht der Autoren die bemerkenswerte Lernfähigkeit des erwachsenen menschlichen Gehirns. Außerdem stütze es die Idee, dass die räumliche Repräsentation nicht unbedingt an eine bestimmte sensorische Modalität gebunden ist, so die Autoren weiter. Ihrer Ansicht nach haben die Ergebnisse der Studie weitreichende Auswirkungen auf die Zukunft der sensorischen Rehabilitation.