Cochlea-Implantate: Bald vollständig innenliegend?

Das Bild zeigt die beiden Seiten eines Prototyps für das implantierbare Mikrofon. Bild: Courtesy of the researchers; iStock.

Ein winziges, biokompatibles Mikrofon, das implantiert werden kann, könnte die externe Einheit von Cochlea-Implantaten (CI) ersetzen – die damit vollständig implantierbar wären.

Auf dem Weg zu einem vollständig internen Cochlea-Implantat hat ein multidisziplinäres Team von Forschenden des (Massachusetts Institute of Technology) MIT, der Massachusetts Eye and Ear, der Harvard Medical School und der Columbia University ein implantierbares Mikrofon entwickelt, das genauso gut funktioniert wie handelsübliche externe Hörgerätemikrofone. Das Mikrofon ist nach wie vor eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einem vollständig internalisierten Cochlea-Implantat.

Dieses Mikrofon, ein Sensor aus einem biokompatiblen piezoelektrischen Material, misst winzige Bewegungen an der Unterseite des Trommelfells. Piezoelektrische Materialien erzeugen eine elektrische Ladung, wenn sie zusammengedrückt oder gedehnt werden. Um die Leistung des Geräts zu maximieren, entwickelte das Team auch einen rauscharmen Verstärker, der das Signal verstärkt und gleichzeitig das Rauschen der Elektronik minimiert.

Bevor das Mikrofon mit einem Cochlea-Implantat verwendet werden kann, sind noch viele Herausforderungen zu bewältigen. So muss der Prototyp noch weiter verfeinert und erprobt werden.

Überwindung einer Sackgasse

Da Cochlea-Implantat-Mikrofone in der Regel an der Seite des Kopfes angebracht werden, können die Nutzer die Vorteile der Geräuschfilterung und der Klanglokalisierung nicht nutzen, die die Struktur des Außenohrs bietet. Demgegenüber haben vollständig implantierbare Mikrofone viele Vorteile. Die meisten derzeit in der Entwicklung befindlichen Geräte, die den Schall unter der Haut oder die Bewegung der Mittelohrknochen messen, haben jedoch Schwierigkeiten, leise Töne und breite Frequenzen zu erfassen.

Für das neue Mikrofon hat das Team um Prof. Jeffrey Lang den Umbo ins Visier genommen. Da dieser unidirektional schwingt, sind seine Bewegungen leichter zu erfassen. Allerdings bewegt sich der Umbo nur um wenige Nanometer – ein Gerät zur Messung dieser Schwingungen stellt eine ganz eigene Herausforderung dar. Außerdem muss jeder implantierbare Sensor biokompatibel sein und der feuchten, dynamischen Umgebung des Körpers standhalten, ohne Schaden anzurichten. Das schränkt die Auswahl an Materialien ein.

„Unser Ziel ist es, dass der Chirurg dieses Gerät gleichzeitig mit dem Cochlea-Implantat und dem internalisierten Prozessor implantiert. Das bedeutet, dass die Operation optimiert wird, während die internen Strukturen des Ohrs umgangen werden, ohne die dort ablaufenden Prozesse zu stören“, erklärt Co-Autorin Emma Wawrzynek.

Das Team entwickelte das UmboMic, einen dreieckigen, drei mal drei Millimeter großen Bewegungssensor, der aus zwei Schichten eines biokompatiblen piezoelektrischen Materials namens Polyvinylidendifluorid (PVDF) besteht. Diese PVDF-Schichten befinden sich auf beiden Seiten einer flexiblen Leiterplatte (PCB) und bilden ein Mikrofon, das etwa so groß wie ein Reiskorn und 200 Mikrometer dick ist.

Die schmale Spitze des UmboMic wird gegen den Umbo gesetzt. Wenn der Umbo vibriert und gegen das piezoelektrische Material drückt, biegen sich die PVDF-Schichten und erzeugen elektrische Ladungen, die von Elektroden in der PCB-Schicht gemessen werden.

Verstärkung der Leistung

Das Team verwendete ein „PVDF-Sandwich“-Design, um das Rauschen zu reduzieren. Wenn der Sensor gebogen wird, erzeugt eine PVDF-Schicht eine positive Ladung und die andere eine negative Ladung. Elektrische Interferenzen addieren sich zu beiden gleichermaßen, sodass die Differenz zwischen den Ladungen das Rauschen ausgleicht.

Die Verwendung von PVDF bietet den Autoren zufolge zwar viele Vorteile, aber das Material macht die Herstellung besonders schwierig. PVDF verliert seine piezoelektrischen Eigenschaften, wenn es Temperaturen von über 80 Grad Celsius ausgesetzt wird. Allerdings braucht es sehr hohe Temperaturen, um das ebenfalls biokompatible Titan zu verdampfen und auf dem Sensor abzuscheiden. Wawrzynek umging dieses Problem, indem sie das Titan schrittweise auftrug und eine Wärmesenke zur Kühlung des PVDF einsetzte.

Doch die Entwicklung des Sensors war nur die halbe Miete, denn das Signal musste verstärkt werden, ohne zu viel Rauschen zu erzeugen. Das Team entwickelte einen eigenen rauscharmen Verstärker, der sehr wenig Strom verbraucht.

Prototypen zeigen „robuste Leistung“ in ersten Tests

Mit beiden Prototypen testeten die Forschenden das UmboMic in menschlichen Ohrknochen von Leichen und stellten fest, dass es innerhalb des Intensitäts- und Frequenzbereichs menschlicher Sprache eine robuste Leistung erbringt. Das Mikrofon und der Verstärker zusammen haben auch ein niedriges Grundrauschen, sie konnten sie sehr leise Geräusche vom Gesamtlärmpegel unterscheiden.

„Eine wirklich interessante Erkenntnis war, dass der Frequenzgang des Sensors von der Anatomie des Ohrs, an dem wir experimentieren, beeinflusst wird, da sich die Ohrmuschel bei verschiedenen Menschen leicht unterschiedlich bewegt“, erläutert Wawrzynek.

Das Team bereitet aktuell Studien an lebenden Tieren vor, um dieses Ergebnis weiter zu untersuchen. Diese Experimente werden ihnen auch dabei helfen festzustellen, wie das UmboMic auf die Implantation reagiert. Darüber hinaus untersuchen sie Möglichkeiten, den Sensor so zu verkapseln, dass er bis zu zehn Jahre lang sicher im Körper verbleiben kann, aber immer noch flexibel genug ist, um Vibrationen zu erfassen. Implantate sind oft in Titan verpackt, das für das UmboMic zu starr wäre. Außerdem wollen sie Methoden zur Befestigung des UmboMic erforschen, die keine Vibrationen verursachen.

„Die Ergebnisse in dieser Arbeit zeigen die notwendige Breitbandigkeit und das geringe Rauschen, die für die Funktion als akustischer Sensor erforderlich sind. Dieses Ergebnis ist überraschend, weil die Bandbreite und das Grundrauschen so konkurrenzfähig mit den kommerziellen Hörgerätemikrofonen sind. Diese Leistung zeigt, wie vielversprechend dieser Ansatz ist, und sollte andere dazu inspirieren, dieses Konzept zu übernehmen. Ich gehe davon aus, dass für die nächste Generation von Geräten kleinere Sensorelemente und eine Elektronik mit geringerem Stromverbrauch erforderlich sind, um die Implantation zu erleichtern und die Batterielebensdauer zu verlängern“, kommentiert Karl Grosh, Professor für Maschinenbau an der University of Michigan die Arbeit, an der er nicht beteiligt war.