COFONI-Förderung: Wie schädigt SARS-CoV-2 die Zellen der Atemwege?

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Das COVID-19-Forschungsnetzwerk Niedersachsen (COFONI) fördert Untersuchungen dazu, wie sich eine SARS-CoV-2-Infektion kurz- und langfristig auf die Funktion der Atemwege auswirkt, mit knapp 500.000 Euro.

Ein Forschungsteam der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) wird mit einer COFONI-Förderung untersuchen, wie sich eine SARS-CoV-2-Infektion auf die Struktur und Funktion der Epithelien der Atemwege auswirkt. Besonders interessieren die Forschenden die langfristigen Auswirkungen der Infektion und die Fähigkeiten der Zellen, sich nach einer Infektion zu regenerieren. COFONI fördert zum 1. Februar 2022 mit 5,97 Millionen Euro 13 Projekte niedersächsischer Forschungseinrichtungen, um Krankheitsursachen, Langzeitfolgen und Wirkstoffe gegen SARS-CoV-2 zu untersuchen.

Die Schleimhautschicht der luftleitenden Atemwege besteht größtenteils aus Epithelzellen, die mit Zilien besetzt sind. Zu Beginn einer Infektion infiziert und schädigt SARS-CoV-2 dieses Flimmerepithel. Leichte Atemwegsbeschwerden und grippeähnliche Symptome sind die Folge. Bei schweren COVID-19-Verläufen entzündet sich zudem die Lunge und häufig ist ein Krankenhausaufenthalt erforderlich. Zu den kritischen Komplikationen zählen Diffuse Alveolarschäden (DAD), die den Sauerstoffaustausch beeinträchtigt und zum Akuten Atemnotsyndrom (ARDS) führen. Das Forschungsteam wird in zwei Arbeitspaketen an Hamstern untersuchen, wie SARS-CoV-2 die Zellen der oberen und unteren Atemwege schädigt und wie sich das Gewebe nach überstandener Infektion wieder erholt. Letzteres soll dazu beitragen, die langfristigen Folgen der Erkrankung besser zu verstehen.

Im ersten Arbeitspaket des Projektes mit dem Titel „Mechanisms of short- and long-term effects of SARS-CoV-2 infection on the integrity of respiratory tract epithelia“ befassen sich die Forschenden damit, wie sich eine Infektion auf das Flimmerepithel in den luftleitenden Atemwegen auswirkt. Sie werden sich ansehen, wie die Infektion die Gestalt des Flimmerepithels beeinflusst und untersuchen, wie sich die genetische Aktivität der Zellen verändert: Welche Gene werden im Vergleich zum gesunden Flimmerepithel abgelesen, welche nicht? Projektleiter Prof. Wolfgang Baumgärtner vom Institut für Pathologie der TiHo sagt: „Wir vermuten, dass SARS-CoV-2 dafür sorgt, dass Gene, die die Bildung, die Struktur und die Funktion der Zilien beeinflussen, herunterreguliert werden und es so zu einer Funktionsstörung und einem Verlust der Zilien kommt.“ Mit ihren Arbeiten möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verstehen, wie SARS-CoV-2 es schafft, das Abwehrsystem des Flimmerepithels zu überwinden und sich im Atemwegstrakt zu verbreiten. „Außerdem möchten wir feststellen, ob langfristige Störungen der Zilien eine mögliche Folge von COVID-19 sind, was zu einer erhöhten Infektanfälligkeit der Atemwege führen könnte“, sagt Dr. Malgorzata Ciurkiewicz, Wissenschaftlerin im Institut für Pathologie der TiHo.

Im zweiten Arbeitspaket fokussieren sich die Forschenden auf die Schädigung der Alveolen durch SARS-CoV-2. Das Team will untersuchen, ob aus der Infektion langfristige Folgen für die Lungenfunktion, den Sauerstoffaustausch und die Belastungstoleranz resultieren. Auch in den Alveolen werden sie morphologische Veränderungen und Veränderungen der Genaktivität untersuchen. Die Befunde werden sie mit klinischen Parametern, wie beispielsweise Messungen der Lungenfunktion und der Sauerstoffsättigung im Blut, in Zusammenhang bringen und auswerten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass die Infektion und die damit einhergehende Entzündung die Regenerationsfähigkeit der Zellen herabsetzen, was zu einem Umbau des Gewebes führt. Diese Veränderungen könnten zu einer langfristigen Einschränkung der Lungenfunktion und einer verminderten Belastbarkeit der Betroffenen führen – typische Long-COVID-Symptome. Die Ergebnisse der Studie sollen helfen, für diese Patientinnen und Patienten Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur unterstützt mit insgesamt 10,4 Millionen Euro den Aufbau von COFONI. Das Netzwerk wurde im Oktober 2020 auf Initiative von Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität Göttingen, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Medizinischer Hochschule Hannover und Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover gegründet. Außerdem gehört dem Netzwerk das Deutsche Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung an. Ziel des Forschungsverbundes COFONI ist es, grundlegende und wichtige Fragen zum Virus, zu molekularen Grundlagen für die Wirk- und Impfstoffentwicklung sowie zur Behandlung von Erkrankten und Modellierung von Infektionsverläufen zu erforschen.