Colchicin reduziert Schlaganfälle und Herzinfarkte bei Herz-Kreislauf-Patienten19. November 2025 In einem aktuellen Cochrane-Review wurden zwölf Studien zu niedrigdosiertem Colchicin bei Herz-Kreislauf-Patienten ausgewertet. (Symbolfoto: MQ-Illustrations/stock.adobe.com) Nehmen Menschen mit arteriosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine niedrige Dosis Colchicin ein, verringert das ihr Risiko, erneut einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden. Zu diesem Ergebnis gelangt ein aktueller Cochrane-Review. Colchicin ist eine Substanz aus der Herbstzeitlosen, wirkt entzündungshemmend und wird schon seit dem fünften Jahrhundert eingesetzt, um Gicht zu behandeln. Auch bei den arteriosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (ASCVD) spielen Entzündungsprozesse eine wichtige Rolle. Deshalb sind Wissenschaftler in den vergangenen Jahren in mehreren Studien der Frage nachgegangen: Senkt niedrig dosiertes Colchicin das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bei Menschen, die bereits eine Koronare Herzkrankheit haben oder einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben? Zwölf Studien mit hoher Vertrauenswürdigkeit ausgewertet Zwölf dieser randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt knapp 23.000 Herz-Kreislauf-Patienten wurden in dem neuen Cochrane-Review ausgewertet. Die Teilnehmenden nahmen Colchicin über mindestens sechs Monate in einer niedrigen Dosierung von meist 0,5 mg einmal täglich ein. Etwa 80 Prozent waren Männer, das Durchschnittsalter lag zwischen 57 und 74 Jahren. Die Hälfte erhielt Colchicin zusätzlich zu ihrer Standardtherapie, die andere Hälfte ein Placebo oder keine zusätzliche Behandlung zur Standardtherapie. Das Autorenteam schätzt die zwölf ausgewerteten Studien als methodisch so gut ein, dass sie die Vertrauenswürdigkeit ihrer Ergebnisse als hoch einstufen. Weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle bei unveränderter Mortalität Der Review zeigt: Über einen Zeitraum von bis zu siebeneinhalb Jahren sank die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle durch das niedrig dosierte Colchicin. Pro 1000 Behandelte traten ohne Colchicin 36 und mit Colchicin 27 Herzinfarkte auf, also neun weniger. Bei Schlaganfällen sank die Zahl von 22 (ohne Colchicin) auf 14 (mit Colchicin) pro 1000 Behandelte. Der Wirkstoff verhinderte also acht Schlaganfälle. „Eine derartige Verringerung des Risikos kann für Menschen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko einen echten Unterschied bedeuten,“ sagt Dr. Ramin Ebrahimi, Mitautor und Kardiologe an der Universitätsmedizin Greifswald. Der Review stellt aber auch fest: Auf die Sterblichkeit hat Colchicin wahrscheinlich keinen Einfluss – und zwar weder auf die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Ereignisse noch auf die Gesamtsterblichkeit. Auch das Risiko, dass Patienten einen Eingriff zur Erweiterung der Herzkranzgefäße benötigen, sinkt durch Colchicin wahrscheinlich nicht. Bislang keine Hinweise auf schwerwiegende Nebenwirkungen Was unerwünschte Wirkungen betrifft, zeigt der Review: Studienteilnehmende, die Colchicin einnahmen, litten häufiger an Magen-Darm-Problemen wie Durchfall und Übelkeit als jene, die keines erhielten. Diese unerwünschten Wirkungen waren jedoch meist mild und klangen rasch ab. Bei der Häufigkeit schwerwiegender unerwünschter Wirkungen fand die Cochrane-Autorengruppe keine Unterschiede zwischen niedrig dosiertem Colchicin und alleiniger Standardtherapie. Allerdings basiert dieses Ergebnis nur auf vier Studien. Zur Lebensqualität und zur Häufigkeit zusätzlicher Krankenhausaufenthalte lieferten die Studien keine Daten. Die Autoren betonen daher, dass weitere Forschung über längere Zeiträume notwendig ist. Vorsicht vor Überdosierung und Wechselwirkungen Cochrane selbst weist aber darauf hin, dass Colchicin schon bei geringer Überdosierung sehr giftig ist. Es müsse daher sehr genau dosiert werden, was sich insbesondere bei Patienten mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion als schwierig erweisen kann. Im breiten Alltagseinsatz von Colchicin können auch unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen verschriebenen Medikamenten relevant werden – beispielsweise mit Statinen. Genau diese zählen aber zu den gängigen Mitteln, um Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen vor erneuten Schlaganfällen oder Herzinfarkten zu schützen. Werden beide zusammen eingenommen, besteht die Gefahr, dass das die Muskulatur beeinträchtigt oder gar schwer schädigt. Europäische Zulassung für preiswertes Medikament beantragt Seniorautor Prof. Lars Hemkens von der Universität Bern (Schweiz) zieht insgesamt ein positives Fazit. „Diese Ergebnisse stammen aus Studien, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden und die ein sehr altes und preiswertes Medikament für ein völlig neues Einsatzgebiet getestet haben“, sagt Hemkens. „Das zeigt, dass akademische Forschung neue Therapiemöglichkeiten entdecken kann, die in der herkömmlichen Entwicklung von Arzneimitteln oft gar nicht gesehen werden.“ In den USA und Kanada ist Colchicin zugelassen, um wiederholten Schlaganfällen und Herzinfarkten vorzubeugen. In Europa gibt es für diesen Zweck hingegen bislang keine Zulassung. Diese wurde aber im Mai 2025 bei der europäischen Arzneimittelagentur EMA beantragt.
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