COVID-19: Enzym im Hormonhaushalt als potenziellen Angriffspunkt identifiziert

Darstellung SARS-CoV-2 (Abbildung: © rost9/stock.adobe.com)

Rückblickende Analysen epidemiologischer Daten haben wiederholt gezeigt, dass die COVID-19-Mortalität bei Männern im Vergleich zu Frauen höher ist. Allerdings waren bislang die Ursachen für die beobachteten Geschlechtsunterschiede in COVID-19 weitgehend unbekannt.

Nun hat ein internationales Forscherteam genetische Daten von 2866 COVID-19-Patientinnen und -Patienten analysiert und im CYP19A1-Gen eine Mutation identifiziert, die mit einem höheren Hospitalisierungsrisiko bei männlichen Patienten assoziiert ist. Das Gen produziert das Enzym Aromatase, das unter anderem für die Verstoffwechselung von Testosteron zuständig ist. Auch in Lungenproben verstorbener COVID-19-Betroffener zeigte sich bei männlichen Patienten eine erhöhte Aktivität des CYP19A1-Gens im Vergleich zu Patientinnen. Diese Befunde deuten darauf hin, dass dieses Gen die geschlechtsspezifischen Ausprägungen der COVID-19-Erkrankung beeinflusst.

„Diese Zusammenarbeit zeigt, dass genetische Untersuchungen wichtig sind, um unser Verständnis für molekulare Ursachen von viralen Erkrankungen und ihren Behandlungen zu verbessern.“, erklärt Prof. Alessandra Renieri von der Universität Siena (Italien), die die genetische COVID-19-Kohorte etabliert hat.

Präklinische Studien im Tiermodell bestätigten diese Beobachtungen. Die Behandlung von SARS-CoV-2-infizierten Tieren mit dem Aromatase-Hemmer Letrozol verbesserte die Langzeit-Lungenfunktion und unterstützte die Wiederherstellung des hormonellen Gleichgewichtes, insbesondere bei männlichen Tieren. Dies legt nahe, dass Aromatase-Hemmer eine vielversprechende therapeutische Strategie für die individuelle Behandlung männlicher COVID-19-Patienten darstellen könnten.

Prof. Gülşah Gabriel vom Leibniz-Institut für Virologie in Hamburg unterstreicht die enorme Bedeutung der internationalen und interdisziplinären Zusammenarbeit und betont: „Die Ergebnisse unserer kollaborativen Studie könnten wichtige Hinweise für neue individualisierte Behandlungsstrategien gegen COVID-19 liefern“.