COVID-Impfung: Keine Hinweise auf erhöhte Krankheitsaktivität bei MS13. Oktober 2021 Der individuelle Nutzen der Impfung überwiegt das individuelle Risiko eines MS-Patienten. (Foto: KKNMS) Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dasss die Impfung gegen COVID-19 bei Menschen mit Multipler Sklerose (MS) Schübe beziehungweise Entzündungen im Zentralen Nervensystem auslöst. Das macht das Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) in einer aktuellen Stellungnahme deutlich und tritt damit anders lautenden Behauptungen entgegen. Für inaktivierte Impfstoffe, zu denen auch die Impfstoffe gegen COVID-19 zählen, gibt es den Experten des Kompetenznetzes zufolge eine Reihe von Fall-Kontroll-Studien. In keiner dieser Studien konnte ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Krankheitsaktivität gefunden werden.1 „Im Gegenteil“, erklärt Prof. Mathias Mäurer, Sprecher des Fachausschusses Versorgungsstrukturen und Therapeutika des KKNMS, „es findet sich sogar eher Evidenz einer geringeren Krankheitsaktivität, denn Impfungen schützen nachweislich vor Infektionen oder schwächen sie ab und bieten damit einen ‘indirekten’ Schutz vor MS-Krankheitsaktivität, die häufig im Zusammenhang mit Wildtyp-Infektionen beobachtet wird.” Eine Studie aus Israel zur COVID-19-Impfung von mehr als 500 Patienten mit MS ergab, dass im Zusammenhang mit der ersten Impfung mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer 2,1 Prozent der geimpften Personen mit MS einen Schub erlitten, nach der zweiten Impfung wurden bei 1,6 Prozent der Kohorte MS-Schübe dokumentiert. Dieser Prozentsatz entspricht genau dem Anteil an MS-Patienten mit Schüben im Vergleichszeitraum der Jahre 2017–2020, also vor Verfügbarkeit der COVID19-Impfung. Die Zahlen machen dem KKNMS zufolge einen kausalen Zusammenhang unwahrscheinlich.2 Eine weitere Impfstudie aus Italien belege diese Beobachtung. Zwei Monate nach der COVID-19-Impfung von 324 Personen mit MS mit den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna wurde bei 2,2 Prozent der Kohorte ein MS-Schub dokumentiert, zwei Monate vor der Impfung erlitten 1,9 Prozent der Kohorte ein solches Ereignis. Auch diese Daten belegen den KKNMS-Experten zufolge, dass die Impfung nicht zur Veränderungen der Krankheitsaktivität führt und nicht als kausal für das Auftreten von MS Schüben angesehen werden kann.3 Bezüglich der immer wieder im Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung befürchteten Akuten Transversen Myelitis (ATM) müsse zunächst klargestellt werden, dass die meisten Fälle mit dieser Komplikation durch eine Infektion mit SARS-CoV-2 ausgelöst wurden (n=43), erklärte das KKNMS. Dies sei kürzlich auch in einer Übersichtsarbeit dargelegt worden.4 Lediglich drei Fälle einer ATM seien im Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung beschrieben worden, und zwar ausschließlich mit dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca, der für die Impfkampagne in Deutschland derzeit von untergeordneter Bedeutung ist. “Es kann zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass es sich bei den drei Fällen um eine immunologische Kreuzreaktion handelt, aber diese wenigen Fälle haben derzeit keine Auswirkung auf die grundsätzliche Nutzen-Risiko-Bewertung der COVID-19-Impfung”, erklärte das KKNMS. Das belege auch der aktuelle Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI), der die bisher in Deutschland im Zusammenhang mit der Impfung aufgetretenen Myelitisfälle systematisch auflistet.5 Angesichts von Einzelfallberichten über schwere Schübe, die im zeitlichen Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung aufgetreten sind6, müsse auch darauf hingewiesen werden, dass in einer Zeit, in der täglich Tausende von Menschen geimpft werden, “natürlicherweise ein zufälliger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Impfungen und unterschiedlichen medizinischen Ereignissen beobachtet werden kann, ohne dass hierdurch direkt ein Kausalzusammenhang angenommen werden darf”, erklärte das KKNMS. Fragen kausaler Zusammenhänge könnten allerdings nur durch kontrollierte Studien beantwortet werden. Angesichts dieser Sachlage sieht sich das Krankheitsbezogene Kompetenznetzwerk MS (KKNMS) und die Deutsche MS Gesellschaft (DMSG) zu folgender Stellungnahme veranlasst, die nach Frau Prof. Frauke Zipp (im Vorstand des KKNMS, des Ärztlichen Beirats der DMSG und im Steuergremium des Beirats der MS Internationalen Föderation MSIF und für Impfempfehlungen7), den internationalen Impfempfehlungen entspricht: Es gibt derzeit keine wissenschaftliche Evidenz, dass eine Impfung gegen COVID-19 zu einer Aktivitätszunahme beziehungsweise Schubhäufung bei MS führt. Die MS stellt demnach keinen Hinderungsgrund für eine Impfung gegen COVID-19 dar, der individuelle Nutzen der Impfung überwiegt das individuelle Risiko eines MS-Patienten. Es mag dennoch (seltene) individuelle Konstellationen geben, in denen bei MS-Patienten eine Impfung ausgesetzt beziehungsweise verzögert werden muss. Diese Entscheidung sollte allerdings in Absprache mit einem erfahrenen MS-Behandler auf der Basis der individuellen Krankengeschichte getroffen werden. Von der Ausstellung pauschaler Atteste gegen eine Impfung wird dringend abgeraten, wenn der einzige Grund die MS-Diagnose darstellt. Ebenso wenig stellt die Anwendung einer MS-Immuntherapie – gleich welcher Art – eine Kontraindikation gegen die COVID-19-Impfung dar. Die in Deutschland verwendeten Impfstoffe, bei denen es sich nicht um Lebendimpfstoffe handelt, können somit auch gefahrlos bei immunsupprimierten Patienten angewendet werden – und sollten dies auch aufgrund der oben genannten Vorteile. Es besteht unter Behandlung allenfalls das Problem, dass die Impfantwort gegebenenfalls beeinträchtigt ist, weshalb Boosterimpfungen erwogen werden können.8 Quellen:1. Zrzavy T et al. Vaccination in Multiple Sclerosis: Friend or Foe? Front Immunol 2019 Aug 7;10:1883.2. Achiron A et al. COVID-19 vaccination in patients with multiple sclerosis: What we have learnt by February 2021. Mult Scler 2021 May;27(6):864–870.3. Di Filippo M et al. mRNA COVID-19 vaccines do not increase the short-term risk of clinical relapses in multiple sclerosis. Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry, 18. August 2021.4. Gustavo C et al. Acute Transverse Myelitis (ATM): Clinical Review of 43 Patients With COVID-19-Associated ATM and 3 Post-Vaccination ATM Serious Adverse Events With the ChAdOx1 nCoV-19 Vaccine (AZD1222). Front Immunol 2021; 12:653786. 5. Paul-Ehrlich-Insitut: Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen 6. Maniscalco GT et al. Severe Multiple Sclerosis Relapse After COVID-19 Vaccination: A Case Report. Front Neurol 2021 Aug 10;12:721502.7. International MS Federation: Global COVID-19 advice for people with MS, 4. Juni 2021 8. Krankheitsbezogenes Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS), Stellungnahme vom 06.08.2021
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