Crowdsensing: Smartphone-Apps als Datenquelle für die medizinische Forschung

Prof. Manfred Reichert und Dr. Rüdiger Pryss forschen am Institut für Datenbanken und Informationssysteme zu „Crowdsensing“-Apps. Foto: Elvira Eberhardt/Uni Ulm

Smartphones und mobile Endgeräte liefern beim „Crowdsensing“ wertvolle Daten. Informatiker der Universität Ulm helfen nun dabei, diese für die medizinische Forschung besser nutzbar zu machen.

Als Stressquelle und Suchtmittel haben sie unter Medizinern einen eher zweifelhaften Ruf. Doch Smartphones können auch als Gesundheitshelfer wertvolle Dienste leisten. Sie werden bereits heute eingesetzt, um weltweit und unmittelbar Daten zu sammeln, die medizinisch verwertbar sind. Wissenschaftler der Universität Ulm arbeiten seit Jahren erfolgreich an der Entwicklung von Softwaretechnologien für maßgeschneiderte „Crowdsensing“-Apps, um die Datensammlung für medizinische und psychologische Studien praktikabler und komfortabler zu machen.
Der Informatiker Prof. Manfred Reichert, Leiter des Institutes für Datenbanken und Informationssysteme (DBIS) an der Universität Ulm. forscht mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Rüdiger Pryss zum Einsatz mobiler Informationssysteme in der Medizin. Im Mittelpunkt steht dabei die Entwicklung generischer Methoden und Konzepte mit denen maßgeschneiderte Anwendungen benutzerfreundlich programmiert werden können. „Wir wollen damit Ärzten, Psychiatern und anderen medizinischen Nutzergruppen ein digitales Befragungsinstrument an die Hand geben, das sie passgenau an ihre jeweilige ‚Forschungslogik‘ anpassen können“, so Pryss, der am Institut zum Thema generische „Crowdsensing“-Konzepte habilitiert.

Herausforderung “anwendungsorientierte Lösungen”
Die technologische Herausforderung besteht vor allem darin, anwendungsorientierte Lösungen zu finden, die ohne großen Aufwand von den wissenschaftlichen Nutzern selbst umgesetzt werden können. „Aufgrund der großen Dynamik und des hohen Anpassungsbedarfs, beispielsweise was Updates betrifft, ist das traditionelle Software-Engineering nicht geeignet“, beschreibt Institutsleiter Reichert die Problematik. Das Ulmer Forscherteam setzt dabei auf generische Methoden und Konzepte. Mit deren Hilfe sollen Wissenschaftler, die über das „Crowdsensing“ Daten für die medizinische Forschung gewinnen möchten, Nutzeroberflächen einfach und passgenau für die jeweiligen Fragestellungen gestalten können. Die Informatiker haben dafür eine Art „App-Automat“ entwickelt, der ganz individuelle Softwarelösungen findet, und zwar zugeschnitten auf jeweils spezifische Befragungsdesigns.

Von der Ulmer Forschung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Europäischen Union gefördert wird, profitieren nicht nur die Initiatoren medizinischer Crowdsensing-Studien, sondern auch einzelne Smartphone-Nutzer. So können die über das Smartphone gewonnenen Daten Patienten dabei helfen, die eigene Krankheitssituation besser einzuschätzen und herauszufinden, welche Faktoren das Krankheitsgeschehen individuell beeinflussen. „Außerdem wird es damit möglich, passgenau zu bestimmten Symptomen über passende Behandlungsmöglichkeiten zu informieren“, erläutert Pryss. Letztendlich könnten solche technischen Hilfen vielleicht sogar helfen, Gesundheitskosten zu senken. Mit Projekten wie „Track your Diabetes“ oder einem App-Projekt zum „Mindful Walking“, das Menschen alltagsnah zu mehr Bewegung animieren soll, haben die Ulmer Informatiker wichtige Anwendungsgebiete auf dem Schirm.*

Bei ihrer Forschung kooperieren die Ulmer Informatiker eng mit Wissenschaftlern der Universitäten Regensburg und Magdeburg sowie der Donau-Universität Krems.

* Das jüngste App-Projekt widmete sich dem Tinnitus. Entwickelt wurde nach Angaben der Universität Ulm eine mobile Anwendung, mit der die Nutzer nicht nur die individuelle Tinnitus-Erfahrung erfassen können, sondern auch Angaben zu Stress und Gefühlen im Tagesverlauf. Verarbeitet wurden diese Daten in anonymisierter Form und unter Berücksichtigung strengster Datenschutzstandards. Aus den weltweit über 500.000 Datensätzen von Tinnitus-Betroffenen ist es mittlerweile gelungen, klare Effekte aufzudecken.

Quelle: Universität Ulm