Cypass-Microstent für MIGS: DGII gibt Empfehlungen nach Rücknahme

Foto: © romaset/Fotolia

In Reaktion auf die 5-Jahres-Daten einer Verlaufsstudie, die einen deutlichen Rückgang der Endothelzelldichte bei Verwendung des Cypass-Mikrostents für die minimal-invasive Glaukomchirurgie (MIGS) belegten, hat der Hersteller denselben weltweit vom Markt genommen. Die Deutschsprachige Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation, interventionelle und refraktive Chirurgie (DGII) informiert in einer aktuellen Stellungnahme über diesen Sachverhalt und veröffentlicht zudem eine „Vorgehensempfehlung“.

In den vergangenen Jahren habe sich die minimal-invasive Glaukomchirurgie (MIGS) als eine neue viel­ver­sprechende Option in der Therapie des Glaukoms erwiesen, die vielen Patienten zugute kommt, für die bislang keine wirklich adäquate Behandlungsoption bestand, schreibt die DGII in ihrer aktuellen Stellungnahme. Es handele sich dabei um Patienten, bei denen ein “größerer” Eingriff wie die Trabekulektomie unange­messen erscheint und andererseits die Fortsetzung einer intensi­vierten pharma­kologischen (Tropf-)Therapie sich als nicht aussichtsreich genug darstelle, um den Untergang retinaler Ganglienzellen und damit das Fortschreiten der visuellen Funktion aufzu­halten.

Mit MIGS, so die DGII weiter, werde eine moderate Senkung des Augeninnendrucks (IOD) erzielt. Für eine ausgeprägte IOD-Reduktion komme allenfalls ein subkon­junkti­valer Abfluss in Betracht (z.B. XEN-Stent in Kombination mit Mitomycin C).

„Aktuell gibt es rund ein halbes Dutzend verschiedener MIGS-Implantate mit unterschiedlicher Wirkungsweise – Steigerung oder Schaffung eines transtrabekulären, suprachoroidalen oder subkonjunktivalen Abflusses. Weitere Stents bzw. Implantate befinden sich aktuell in klinischer Erprobung. Bislang hat sich bei der MIGS noch kein Goldstandard etabliert“, heißt es in dem DGII-Papier. „Dies ist aber vielleicht auch gar nicht nötig oder wünschenswert, können doch verschiedene Optionen für die individuellen Anforderungen des Patienten zur Anwendung kommen.“

Zu den besonderen Vorzügen der MIGS gehöre das gute Sicher­heits­profil, erinnert die DGII. Diese sei bei dem Cypass-Mikrostent nicht länger garantiert gewesen: Die 5-Jahresdaten einer Verlaufsstudie zeigten einen deutlichen Rückgang der Endothelzelldichte um 18,4% gegen­über 7,5% in der Kontrollgruppe. Laut der DGII lag ein signifikanter Verlust (definiert als ein Rückgang um ≥30%) der kornealen Endothelzellen in der Cypass-Gruppe vor (der Stent wurde hier im Rahmen der Kataraktoperation implantiert) bei 27,2% der Patienten vor im Vergleich zu 10% der Patienten der Kontrollgruppe (reine Kataraktoperation).

Man respektiere die Entscheidung des Cypass-Mikrostent-Herstellers, im begründeten Verdachts­fall der Patientensicherheit den Vorrang einzuräumen, bedauere aber, dass es – außer dem Empfehlungen des Herstellers – keine konsentierten Empfehlungen zum konkreten Umgang mit betroffenen Patienten gebe, so die DGII. Die Fachgesellschaft sieht sich deshalb in der Pflicht, eine solche Vorgehensempfehlung auszusprechen und eine klare Positionierung vorzunehmen. Diese laute im Kern, dass die unterschiedlichen MIGS-Techniken sich stetig nicht nur in puncto Effektivität, sondern vor allem auch in puncto Sicherheit be­währen müssen. “Im Fall des Cypass hat eine Technik, ein Produkt diese Bewährungs­probe nicht bestanden”, heißt es in der Stellungnahme. “Andere MIGS-Optionen haben indes beeindruckende Bilanzen vor­zuweisen. Zu dem transtrabekulären iStent und iStent inject liegen mittlerweile Daten über einen Zeit­raum von 10 Jahren vor und es wurden mehr als 400.000 Implantationen vorgenommen, ohne dass gehäufte korneale Komplikationen bekannt wurden.”

Die DGII sieht in der MIGS großes Potential aufgrund der sehr geringen Invasivität, niedriger Kompli­kations­wahr­scheinlichkeit und ambulanten Durchführbarkeit. Allerdings müsse die MIGS ihr Potenztial nutzen und weiter ausbauen, so die DGII. “Wenn sich die teilweise innovativen Ansätze klinisch be­währen und die Vergütungs­frage für alle Beteiligten befriedigend geregelt wird (was sich gerade aktuell mit der Aufnahme der Codes für MIGS im OPS-Katalog andeutet), kann MIGS mehr wer­den als nur eine Alternative zur Trias Medikamente-Laser-traditionelle Chirurgie. Dann nämlich könnte sich die Glaukomtherapie insgesamt neu in Richtung MIGS positionieren”, bilanziert die DGII.