Dapansutril kann entzündliche Reaktionen im Gehirn von Mäusen verhindern

Blick ins Gehirn einer „Alzheimer-Maus“: Mikrogliazellen (grün) umranden einen Amyloid-β Plaque (blau). Die Lysosomen (rot) zeigen, dass die Mikrogliazellen in einem aktivierten Zustand sind. (Foto: © Niklas Lonnemann, Jonas Feuge/TU Braunschweig)

Neuroinflammation spielt beim Verlauf der Alzheimer-Krankheit eine wichtige Rolle. Forschende der Technischen Universität Braunschweig konnten in einer Studie mit Mäusen zeigen, dass die Substanz Dapansutril solche Entzündungsprozesse im Gehirn verhindern kann. 

Um Krankheitserreger unschädlich zu machen, aktivieren Immunzellen des Gehirns spezielle Proteinkomplexe, die Inflammasome. Diese lösen eine Neuroinflammation aus, die in der Regel mit der Genesung endet. Bereits in einer früheren Studie hat Prof. Martin Korte mit seinem Team von der TU Braunschweig herausgefunden, dass Neuroinflammationen negative Auswirkungen auf das Lernverhalten von Mäusen haben können.

Entzündliche Prozesse im Gehirn von Mäusen verhindern

Hier setzten die WissenschaftlerInnen bei der aktuellen Studie an: Sie nutzten die Substanz Dapansutril (OLT1177), um das Inflammasom NLRP3 zu hemmen. Dieses spielt bei verschiedenen Entzündungsreaktionen eine Rolle, vermutlich auch bei der Alzheimer-Krankheit. Das Forschungsteam untersuchte, wie sich die Hemmung von NLRP3 auf das Gehirn von Mäusen auswirkte, die Symptome ähnlich denen von Alzheimer-Patienten zeigten und dadurch schlecht lernen konnten. Ein Teil dieser Mäuse bekam dafür mit Dapansutril versetztes Futter, der andere Teil nicht.

Nach drei Monaten war die synaptische Plastizität bei den „Alzheimer-Mäusen“, die Dapansutril zu sich genommen hatten, vollkommen normal. Bei der Kontrollgruppe war sie dagegen eingeschränkt. Das zeigte sich auch im Verhaltenstest: Die Tiere, deren Futter Dapansutril enthielt, lernten bei den Tests deutlich besser.

Baustein für eine mögliche therapeutische Option

„Unsere Ergebnisse sind ein weiteres, wichtiges Puzzlestück in der Erforschung der Alzheimer-Krankheit. Sie stützen zum einen die Erkenntnis, dass entzündliche Reaktionen beim Entstehen der Krankheit wahrscheinlich eine wichtigere Rolle spielen als bisher angenommen. Zum anderen konnten wir zeigen, dass Dapansutril im Gehirn prinzipiell wirksam ist und das Inflammasom NLRP3 erfolgreich hemmen kann“, sagte Korte, Neurobiologe am Institut für Zoologie der TU Braunschweig und Leiter der Arbeitsgruppe „Neuroinflammation und Neurodegeneration“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI).

„Ob die Ergebnisse aus dem Alzheimer-Mausmodell sich auf den Menschen übertragen lassen oder nicht, wird weitere Forschung zeigen müssen. Aber sie liefern einen wichtigen Baustein für eine mögliche therapeutische Option, die jetzt in klinischen Studien weiter untersucht werden muss. Das Bedeutsame daran ist, dass ein mögliches Medikament nicht gespritzt werden müsste, sondern über die Nahrung oder in Tablettenform aufgenommen werden könnte.“

Bestandteil von Brokkoli

Der Vorteil von Dapansutril ist, dass es einer der Hauptbestandteile von Brokkoli und deshalb für den Menschen unbedenklich ist. Das wurde bereits klinisch nachgewiesen. „Wer jetzt vorsorglich zu Brokkoli greifen möchte, sollte vorher wissen: Brokkoli ist zwar gesund, aber man müsste ungefähr fünf Kilo am Tag essen, um die Konzentration von Dapansutril zu erreichen, die wir für unsere Experimente genutzt haben. Wir können allerdings durch unseren Lebensstil dazu beitragen, Inflammationen, die auch durch Infektionen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Viel Bewegung, kein Übergewicht und Impfungen können dabei – neben dem Essen von Gemüse – helfen“, sagte Korte.

Von Maus zu Mensch?

Die Ergebnisse aus einem Mausmodell lassen sich nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen. Das Mausmodell der Alzheimer-Krankheit bildet nur einen Teil der Krankheit ab. Das Immunsystem von Mäusen ist außerdem nicht absolut identisch mit dem Immunsystem des Menschen. Die Nervenzellen sind sich jedoch bei beiden sehr ähnlich und auch das Inflammasom NLRP3 gibt es sowohl beim Menschen als auch bei Mäusen. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob die Hemmung von NLRP3 auch beim Menschen dazu führen kann, dass entzündliche Prozesse im Gehirn verhindert werden können.

An der Studie waren auch Charles Dinarello von der University of Colorado Denver, USA, und – über eine Drittmittelförderung – das biopharmazeutische Unternehmen Olatec Therapeutics LLC, USA, beteiligt.

Originalpublikation:
Lonnemann N et al. The NLRP3 inflammasome inhibitor OLT1177 rescues cognitive impairment in a mouse model of Alzheimer’s disease.
PNAS, 30. November 2020