Darmkrebsforschung: Medikamente gegen Bluthochdruck als neue Therapiemöglichkeit

Die Gabe eines Bluthochdrucksenkers verändert die Verteilung des Proteins AXIN2 (hellgrau) in Zellen (farbige Umrisse). Die Konzentrierung in kugelförmigen Strukturen (rechts) hemmt Darmkrebswachstum. Abbildung: © Dominic Bernkopf, FAU

Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat einen Mechanismus entschlüsselt, der es ermöglicht, ursprünglich gegen Bluthochdruck entwickelte Wirkstoffe gezielt zur Bekämpfung von Darmkrebs einzusetzen. Die Wilhelm Sander-Stiftung förderte das Projekt mit 247.000 Euro.

Darmkrebs ist weltweit die dritthäufigste Krebserkrankung und die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache. Trotz guter Kenntnisse über die molekularen Entstehungsmechanismen gibt es bisher nur wenige Therapien, die gezielt an den ursächlichen krankhaften Veränderungen ansetzen.

Der Schlüssel: Beta-Catenin und AXIN2

Im Zentrum der Entdeckung steht das Protein Beta-Catenin, das in mehr als 90 Prozent der Darmkrebsfälle eine krankhaft erhöhte Aktivität aufweist und so das unkontrollierte Zellwachstum antreibt. Der Molekularmediziner Dr. Dominic Bernkopf von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)und sein Team haben einen Weg gefunden, Beta-Catenin in Krebszellen zu hemmen, und zwar wahrscheinlich ohne gesunde Stammzellen zu beeinträchtigen.

Der Durchbruch gelang, indem sie sich auf AXIN2 konzentrierten, ein natürlich vorkommendes Protein, das Beta-Catenin hemmt. „Wir haben entdeckt, dass die Konzentrierung von AXIN2-Proteinen zu einer deutlich verstärkten Hemmung von Beta-Catenin führt“, erklärt Bernkopf. „Noch wichtiger ist, dass wir einen Weg gefunden haben, diese Konzentrierung gezielt anzuregen.“

Vom Bluthochdruck zur Krebstherapie

Die Forscher konnten zeigen, dass bestimmte Blutdrucksenker* die Anreicherung von AXIN2 stimulieren und dadurch Beta-Catenin hemmen. Im Laborversuch und im Tiermodell führte die Gabe eines solchen Medikaments zu einer starken Reduktion des Wachstums von Darmkrebs und seinen Vorstufen.

Ein besonderer Vorteil dieses Therapieansatzes liegt in seiner Selektivität: Da Darmkrebszellen deutlich mehr AXIN2 enthalten als gesunde Stammzellen, wird Beta-Catenin vor allem in den Krebszellen gehemmt. Das lässt hoffen, dass bei entsprechender Dosierung das Krebswachstum gehemmt werden kann, ohne die normale Erneuerung der Darmschleimhaut zu beeinträchtigen.

Ausblick: Optimierung und Prävention

Ein optimierter Wirkstoff wird derzeit in weiterführenden Studien untersucht. Außerdem prüfen die Forscher, ob dieser Ansatz auch zur Vorbeugung von familiärem Darmkrebs eingesetzt werden kann.

Diese Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven in der Darmkrebstherapie und unterstreichen das Potenzial, bestehende Medikamente im Kampf gegen Krebs neu einzusetzen.

*In der älteren Studie in „Nature Communications“ wird Guanabenz genannt, ein selektiver Alpha-2-Agonist, der als Antihypertensivum zur Behandlung des arteriellen Bluthochdrucks verwendet wird. Laut Doc-Check ist er in Deutschland nicht zugelassen (Stand der Information 2023; Anm. d. Red.).