Das Comeback der Biphenomycine29. Dezember 2025 Erstautorin Elisabeth Strunk arbeitet am Isolator an der Präparation der Biphenomycine. Foto: HIPS/Göbner Die von Bakterien produzierten Biphenomycine haben ausgezeichnete antimikrobielle Eigenschaften. Jetzt haben Forschende die Biosynthese entschlüsselt und damit den Grundstein für die Entwicklung neuer Wirkstoffe gelegt. Bislang war wenig darüber bekannt, wie genau die Substanzklasse von ihren mikrobiellen Produzenten hergestellt wird. Einem Forschungsteam um Tobias Gulder, Abteilungsleiter am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), ist es nun gelungen, die Biosynthese der Biphenomycine zu entschlüsseln und damit den Grundstein für deren pharmazeutische Weiterentwicklung zu legen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie International Edition. Biphenomycine – starke Wirkung gegen Staphylococcus aureus Staphylococcus aureus zu den problematischsten bakteriellen Erregern im Krankenhausumfeld. Da dieser Keim häufig Resistenzen gegen gängige Antibiotika entwickelt, lässt er sich oft nur äußerst schwierig behandeln: Allein in Deutschland werden jedes Jahr etwa 132.000 Methicillin-resistente Staphlyococcus aureus (MRSA)-Fälle registriert. Die Zahl der Infektionen mit arzneimittelresistenten S. aureus steigt seit Jahrzehnten weiter. Angesichts dieser Tatsache sind neuartige Antibiotika dringend erforderlich. Die in den 1960er Jahren entdeckten Biphenomycine wirken stark gegen S. aureus und andere grampositive Krankheitserreger. Sie erwiesen sich als wirksam und waren in Tierversuchen gut verträglich. Trotzdem gelang es nie, sie zu einem Arzneimittel weiterzuentwickeln. Ein wesentlicher Grund: Ihr natürlicher Produzent – ein Stamm der Gattung Streptomyces – stellt Biphenomycine nur in sehr geringen Mengen her. Für eine pharmazeutische Weiterentwicklung reichte das nicht aus. Gleichzeitig waren die für ihre Bildung verantwortlichen Gene lange unbekannt, sodass die Produktion nicht in einen geeigneteren Wirtsorganismus übertragen werden konnte. Gemeinsam mit Kollegen der TU Dresden ist es Forschenden des HIPS nun gelungen, den vollständigen Biphenomycin-Biosyntheseweg aufzuklären. Abfolge aller enzymatischen Synthese-Schritte entschlüsselt Die Erstautorin der Studie, Elisabeth Strunk, Doktorandin in Gulders Gruppe, betont die Bedeutung dieser Errungenschaft: „Wir konnten erstmals die Abfolge aller enzymatischen Schritte entschlüsseln, mit denen das Biphenomycin-produzierende Bakterium ein einfaches Peptid in das fertige, biologisch aktive Biphenomycin-Molekül umwandelt. Dieses Verständnis des Biosynthesewegs liefert nun eine Grundlage, um diese Naturstofffamilie gezielt zu verbessern.“ Die Studie zeigt, dass die bakteriellen Produzenten zunächst ein einfaches Peptid herstellen. Dieses enthält Bereiche, die steuern, wie es im weiteren Verlauf modifiziert wird. Anschließend bearbeiten mehrere spezialisierte Enzyme das Peptid in einer definierten Reihenfolge. Besonders ungewöhnlich ist das dabei involvierte Enzympaar BipEF. Es vereint zwei Funktionen in sich: Es fügt zum einen gezielt chemische Gruppen in das Peptid ein und schneidet es zugleich an einer definierten Stelle. Dass diese beiden Funktionen gleichzeitig auftreten, hat innerhalb der untersuchten Enzymfamilie bisher noch niemand beschrieben. Biphenomycine künftig als reale Therapieoption? Da die Gruppe um Gulder den Biosyntheseweg aufgeklärt hat, können die Forschenden damit beginnen, gezielt die beteiligten Gene zu manipulieren und sie in optimierte Produktionsstämme zu übertragen. So haben sie die Möglichkeit, Biphenomycine in ausreichenden Mengen für weiterführende Untersuchungen herzustellen. Darüber hinaus können neue Varianten mit verbesserten pharmazeutischen Eigenschaften entwickelt werden. „Jahrzehntelang waren Biphenomycine wissenschaftlich interessant, aber praktisch kaum zugänglich. Jetzt, da wir verstehen, wie sie gebildet werden, können wir anfangen, sie gezielt zu verändern und ganz neue Derivate zu generieren. Dies ist ein entscheidender Schritt, der es uns erlaubt, innovative Wirkstoffkandidaten gegen Infektionen zu entwickeln, die nicht mehr auf etablierte Medikamente ansprechen“, hebt Gulder hervor. Er ist Leiter der Abteilung „Naturstoff-Biotechnologie“ am HIPS und Inhaber der gleichnamigen Professur an der Universität des Saarlandes. Diese Ergebnisse legen die Grundlage für zukünftige Arbeiten, um Biphenomycine zu realen Therapieoptionen weiterzuentwickeln.
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