Das FITT-STEMI-Projekt

Wichtiger Austausch bei einer der jährlichen Feedback-Veranstaltungen. Treffen der FITT-STEMI-Projektteilnehmer auf dem Kardiologenkongress in Mannheim. Mit dabei der Studienleiter Prof. Dr. Karl Heinrich Scholz (in der Mitte, 3. Reihe von oben). Foto: © Thomas Hauss. Quelle: Deutsche Herzstiftung e. V.

Wie wirken sich systematische Datenerfassung und standardisierte Ergebnis-Rückkopplung an alle an der Rettungs- und Behandlungskette Beteiligten auf die Behandlungszeiten und die Prognose bei Patienten mit ST-Strecken-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) aus? Dieser Frage geht das Projekt “Feedback-Intervention and Treatment-Times in ST-Elevation Myocardial Infarction”, kurz FITT-STEMI nach.

Ausgangslage:

Anhaltende und lebensbedrohliche Herzdurchblutungsstörungen (Akutes Koronarsyndrom), zu denen auch der Herzinfarkt zählt, sind die häufigste Ursache für einen Herz-Kreislauf-Stillstand bei Erwachsenen. Beim Herzinfarkt zählt deshalb jede Minute von den ersten Schmerzsymptomen bis zur Wiedereröffnung des verschlossenen Herzkranzgefäßes per Herzkatheter in der Klinik.

Wissenschaftliche Erkenntnisse speziell zu den Auswirkungen von Zeitverzögerungen im Zeitintervall zwischen medizinischem Erstkontakt mit den Rettungskräften und der Wiedereröffnung der Infarktarterie im Herzkatheterlabor (Contact-to-balloon-Zeit, C2B) bei Patienten mit ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) sind enorm wichtig. Studiendaten dazu gibt es aber bislang kaum.

Bei Herzinfarkt-Patienten verringert eine Gefäßwiedereröffnung innerhalb von 90 Minuten nach medizinischem Erstkontakt die Sterblichkeit gegenüber längeren Zeitintervallen deutlich. Vor allem bei Infarktpatienten mit kardiogenem Schock sinkt die Sterblichkeit erheblich, wenn zwischen medizinischem Erstkontakt und kathetergestützter Gefäßwiedereröffnung (perkutane Koronarintervention: PCI) weniger als 90 Minuten vergehen. Dies ist ein wichtiges Ergebnis einer aktuellen Publikation aus dem FITT-STEMI-Studien-Projekt. Dabei konnte gezeigt werden, dass bei Infarktpatienten mit kardiogenem Schock die Zunahme der Sterblichkeit pro 10-Minuten Zeitverzögerung um den Faktor 10 höher liegt als bei STEMI-Patienten ohne Schock. Der Nutzen einer frühen PCI ist somit bei Schock-Patienten ganz besonders hoch.

Ziel:

Ziel des FITT-STEMI-Studien-Projektes ist es, durch eine standardisierte Datenerfassung und Auswertung von Behandlungsergebnissen die Prozess- und Ergebnisqualität in der Versorgung von STEMI-Patienten zu verbessern. Hierfür werden an den Teilnahmekliniken die Ergebnisse systematisch mit den unterschiedlichen Rettungs- und Behandlungsgruppen (Rettungsdienste, Notärzte, Personal in Notaufnahme und Herzkatheterlabor) in gemeinsamen Veranstaltungen besprochen. Diese Feedback-Veranstaltungen finden im ersten Teilnahme-Jahr quartalsweise, und dann im weiteren Verlauf 1-mal pro Jahr statt.

In der FITT-STEMI-Studie steht somit die gesamte Rettungs- und Therapiekette (vom medizinischen Erstkontakt bis hin zu den Abläufen im Klinikbereich) im Blickpunkt der Forscher. Welche Bedeutung hat z. B. eine prähospitale 12-Kanal-EKG-Diagnose und eine Direktübergabe des Patienten in ein Herzkatheter-Labor für das Überleben von reanimierten STEMI-Patienten? Beide Maßnahmen gehen auch bei reanimierten STEMI-Patienten mit einem deutlichen Zeitgewinn und einer deutlichen Prognoseverbesserung einher.

Aktivitäten und Resultate:

In einer aktuellen Untersuchung der FITT-STEMI-Studiengruppe wurden zwischen Januar 2006 und November 2015 anhand der Daten von 12.675 direkt vom Rettungsdienst eingelieferter STEMI-Patienten, deren verschlossenes Gefäß innerhalb von 360 Minuten wiederöffnet wurde, der Einfluss der Zeitspanne vom Symptombeginn bis zum medizinischen Erstkontakt sowie der Einfluss der Contact-to-balloon-Zeit auf die Sterblichkeit analysiert.

Am Gesamtprojekt nehmen bisher 54 Klinik-Einrichtungen mit zentralem Herzkatheterlabor (PCI) und mehr als 200 kooperierende Krankenhäuser ohne Herzkatheterlabor teil. Die STEMI-Patienten wurden in dieser Analyse in vier Gruppen eingeteilt: Klinisch stabile Patienten ohne prähospitale Reanimation (10.776, 85 %), zuvor nach Herzstillstand reanimierte Patienten (1.200, 9,5 %), von denen wiederum 369 in klinisch stabilem Zustand und 831 im kardiogenen Schock zur PCI kamen, sowie Patienten mit kardiogenem Schock, die prähospital keinen Herzstillstand erlitten hatten (699, 5,5 %).

Verzögerungen bei der Contact-to-Balloon-Zeit korrespondierten in allen 4 Gruppen mit einer Sterblichkeits-Zunahme. Insgesamt zeigte sich, dass die Sterblichkeit bei Patienten, bei denen zwischen Erstkontakt und PCI maximal 90 Minuten verstrichen, deutlich niedriger war als bei Patienten, bei denen diese Zeitspanne überschritten wurde.

Besonders günstig wirkte sich die raschere PCI auf das Überleben bei Patienten mit kardiogenem Schock und/oder Herzstillstand aus. Bei ihnen wurde durch Einhaltung einer Contact-to-Balloon-Zeit von maximal 90 Minuten die Mortalitätsrate deutlich um rund 50% verringert. Innerhalb einer Contact-to-Balloon-Zeitspanne zwischen 60 und 180 Minuten ging bei Patienten mit kardiogenem Schock (ohne Herzstillstand) jede Zeitverzögerung um 10 Minuten im Schnitt mit 3,31 zusätzlichen Todesfällen pro 100 mit PCI-behandelten Patienten einher.

In der Akutversorgung bei STEMI sollte deshalb alles unternommen werden, um die Zeit bis zur PCI weiter zu verkürzen. Für die Forscher sehr überraschend fand sich aber auch bei längeren (6 bis 12 Stunden) und sehr langen (12 bis 24 Stunden) Zeitintervallen zwischen Symptom-Beginn und medizinischem Erstkontakt jeweils eine deutlich bessere Überlebensrate bei den Patienten, die innerhalb von 90 Minuten nach Erstkontakt behandelt wurden. Ein lebensrettender Effekt einer schnellen Behandlung ist also auch eindeutig nachweisbar bei langen Symptomdauern bis zu 24 Stunden. Somit muss auch bei einem Infarkt mit längerer Symptomdauer alles unternommen werden, die Behandlungszeiten so kurz wie irgend möglich zu halten.

Herausforderungen:

Eine lückenlose Dokumentation aller STEMI in der notfallmedizinischen Versorgung ist notwendig. Dies ist jedoch mit hohem Aufwand verbunden und erfordert angesichts der ohnehin hohen Arbeitsdichte in den Kliniken zusätzliche Personalressourcen. Zugleich ist eine dauerhafte Umsetzung erforderlich, d. h. neben der sauberen Dokumentation muss auch eine Kontinuität bei den regelmäßigen Feedback-Veranstaltungen gewährleistet sein, um eine nachhaltige Verbesserung der notfallmedizinischen Versorgung von STEMI-Patienten sicherzustellen. Wünschenswert wäre auch eine Beteiligung möglichst aller Kliniken mit notfallmedizinischer Versorgung von STEMI-Patienten am FITT-STEMI-Projekt. Bisher sind es in Deutschland aber nur gut 10 % dieser Kliniken.

Ausblick 2019:

Die Erkenntnisse des FITT-STEMI-Studienprojektes sind für die notfallmedizinische Versorgung von Patienten mit akutem ST-Hebungsinfarkt sowohl hierzulande, wie auch für andere Europäische Länder von großer Bedeutung. Die Studie legt offen, wie wichtig gerade bei dieser Patientengruppe ein Höchstmaß an Zeiteffizienz innerhalb der Rettungs- und Therapiekette für das Überleben und die weitere Lebensqualität der STEMI-Patienten ist.

Gesundheitsbehörden müssten daher prüfen, welche Kliniken in einem Versorgungsgebiet über eine adäquate Versorgungs-Infrastruktur mit garantierter Rund-um-die-Uhr-PCI zur Behandlung von STEMI mit kardiogenem Schock verfügen, so dass definitiv auch nur solche Kliniken von den Rettungskräften angesteuert werden sollten. Die FITT-STEMI-Studie bildet für Entscheidungsträger der Gesundheitsversorgung eine wichtige wissenschaftliche Grundlage. Nicht umsonst fand sie Eingang in die Europäischen Leitlinien zur Revaskularisation.*  

Projektförderung durch die Deutsche Herzstiftung e. V.: € 58.769,–

Davon u. a.:

Personalkosten (Studienarztstelle):     € 28.712,40

Medizinisch-technische Ausstattung: € 30.056,60 (anteilig Kosten f. Datenerfassung)

Publikation:

Scholz, K-H et al., Impact of treatment delay on mortality in ST-segment elevation myocardial infarction (STEMI) patients presenting with and without haemodynamic instability: results from the German prospective, multicentre FITT-STEMI trial. European Heart Journal (2018), 0, 1-10, dx.doi.org/10.1093/eurheartj/ehy004

*Neumann, F-J, et al., 2018 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization, European Heart Journal (2018), Vol. 40, Issue 2, dx.doi.org/10.1093/eurheartj/ehy394

Autor: Michael Wichert, Deutsche Herzstiftung e. V.