Das Gehör funktioniert möglicherweise anders als gedacht

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Laut einer aktuellen schwedischen Studie könnte die Art wie wir Musik oder Sprache wahrnehmen anders funktionieren als bislang gedacht: Die Studie belegt, dass viele Haarsinneszellen gleichzeitig auf Schall im niedrigen Frequenzbereich reagieren.

Bislang ging man davon aus, dass jede Haarsinneszelle im Innenohr eine „optimale Frequenz“ hat, auf die sie am stärksten reagiert. Man nahm auch an, dass alle Bereiche der Cochlea in der gleichen Weise funktionieren. Jetzt konnten schwedische Froschende im Tiermodell belegen, dass beides nicht auf Haarsinneszellen zutrifft, die Schallwellen im Bereich unter 1000 Hz verarbeiten, also im Niedrigfrequenzbereich. Nicht nur menschliche Sprache liegt in diesem Frequenzbereich, sondern auch Musik: So hat das mittlere C bei einem Klavier eine Frequenz von 262 Hz. Die Studie arbeitete mit Meerschweinchen, deren Gehör im Niedrigfrequenzbereich dem von Menschen ähnelt.

„Unsere Studie zeigt, dass viele Zellen im Innenohr gleichzeitig auf Geräusche im Niedrigfrequenzbereich ansprechen. Wir glauben, dass das es einfacher macht, Geräusche in diesem Frequenzbereich wahrzunehmen als es sonst der Fall wäre, das das Gehirn Informationen von vielen sensorischen Zellen gleichzeitig bekommt“, erklärt Anders Fridberger, Professor der Abteilung für Biomedical and Clinical Sciences an der Linköping Universität. Er und sein Team gehen davon aus, dass dieser Aufbau unser Gehör robuster macht: Auch wenn einige Sinneszellen beschädigt sind, gibt es noch viel andere, die Nervenimpulse zum Gehirn weiterleiten können.

Insbesondere für Menschen mit einer schweren Hörschädigung könnten diese Ergebnisse bedeutsam sein, denn sie könnten dabei helfen bessere Cochlea-Implantate zu entwickeln: „Zurzeit basiert das Design von Cochlea Implantaten auf der Annahme, dass jede Elektrode nur eine Nervenstimulation bei einer bestimmten Frequenz erzeugen sollte – also das zu kopieren, was wir über die Funktion unseres Gehörs wissen. Wir schlagen vor, die Stimulations-Methode bei niedrigen Frequenzen zu verändern, um sie der natürlichen Stimulation ähnlicher zu machen. Auf diese Weise sollte sich die Hörerfahrung der Nutzer verbessern“, so Fridbergers Einschätzung.

Er und sein Team wollen nun untersuchen, wie sich ihre Ergebnisse in der Praxis anwenden lassen. Ein Projekt dreht sich um neue Methoden zur Stimulation der Niedrigfrequenzbereiche der Cochlea. (ja)