Das Geschlecht des Körpers: Warum unsere Organe kein einfaches männlich oder weiblich kennen18. September 2025 Männlich? Weiblich? Viele Organe müssten “beides” ankreuzen – beim Mann wie bei der Frau. Foto: lagom – stock.adobe.com Unsere Organe bilden offenbar ein Mosaik geschlechtsspezifischer Merkmale – fernab der strikten Einteilung in „männlich“ und „weiblich“. Dies belegt eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön und des Biomedical Pioneering Innovation Center der Peking University in Beijing (China). Die Untersuchung zeigt, dass nur Sexualorgane klar zwischen den beiden Polen trennen. In allen anderen Organen zeigen sich überlappende Muster männlicher und weiblicher Genaktivität. Dabei sind die Unterschiede beim Menschen im Vergleich zu Mäusen geringer und stark überlappend. Laut den Forschungsergebnissen wäre das Geschlecht als Spektrum sehen: Organe können bei einem Individuum teils männlich, teils weiblich geprägt sein – wie ein mosaikartiges Muster. Geschlecht im Körper: Viel komplexer als gedacht Biologisches Geschlecht wird meist in einfachen binären Begriffen beschrieben: männlich oder weiblich. Diese Sichtweise passt gut, wenn es um Keimzellen (Spermien versus Eizellen) geht – für die übrigen Körperorgane ist sie jedoch wenig hilfreich. Die jetzt in „eLife“ veröffentlichte Studie zeigt: In vielen Organen überlappen die geschlechtsspezifischen Muster stark. Nur Hoden und Eierstöcke sind demnach klar unterscheidbar. In allen anderen Organen finden sich mosaikartige Kombinationen von weiblichen und männlichen Eigenschaften. Bei Mäusen zeigen vor allem Niere und Leber große Unterschiede, beim Menschen das Fettgewebe. Das Gehirn dagegen weist bei beiden Arten nur minimale Unterschiede auf – was sich auch mit früheren Untersuchungen zur Hirnstruktur beim Menschen deckt. Um diese Vielfalt messbar zu machen, entwickelten die Forschenden einen Sex-Bias-Index (SBI). Dieser fasst die Aktivität aller männlich- und weiblich-spezifischen Gene in einem Organ zu einem einzigen Wert zusammen. Während der Index in den Sexualorganen eine klare Trennung zeigt, liegen die Werte anderer Organe oft so dicht beieinander, dass Männer und Frauen nicht eindeutig zu unterscheiden sind. So kann das Herz eines Mannes stärker „weiblich“ geprägt sein als das mancher Frauen. Und sogar innerhalb eines Individuums können sich Organe unterschiedlich ausprägen – das Herz eher weiblich, die Leber eher männlich. Es entsteht ein mosaikartiges Muster von Geschlechtsmerkmalen, das dem Bild einer klaren Trennung widerspricht. Evolutionäre Dynamik: Warum Unterschiede so schnell wechseln Die Studie zeigt außerdem, dass die geschlechtsspezifische Genaktivität in Körperorganen sehr schnell evolviert – viel schneller als Gene, die bei beiden Geschlechtern gleich aktiv sind. Schon zwischen Mausarten, die sich erst seit weniger als zwei Millionen Jahren getrennt haben, hat der Großteil der Gene seine geschlechtsspezifische Rolle verloren oder sogar gewechselt. Im Vergleich zwischen Mensch und Maus finden sich deshalb nur sehr wenige Gene mit dauerhaft konservierter geschlechtsspezifischer Aktivität. Das bedeutet auch: Mausmodelle sind nur sehr eingeschränkt geeignet, um als Modelle für geschlechtsspezifische Medizin beim Menschen verwendet zu werden. Die Forschenden fanden zudem, dass geschlechtsspezifische Gene häufig in „Modulen“ vorkommen, die gemeinsam reguliert werden. Die Evolution verändert Geschlechtsunterschiede also oft nicht an einzelnen Genen, sondern indem ganze Netzwerke neu angeordnet werden. Der treibende Faktor dafür ist die sexuelle Selektion – also der ständige evolutionäre Konflikt zwischen den Interessen von Männchen und Weibchen. Dieser Konflikt kann nie vollständig aufgelöst werden, da jede Anpassung wiederum neue Gegensätze schafft. Überträgt man die Methode auf menschliche Gewebe, zeigt sich ein klares Muster: deutlich weniger geschlechtsspezifische Gene als bei Mäusen und noch stärkere Überlappungen zwischen Männern und Frauen. In unserer Spezies sind die Unterschiede also schwächer ausgeprägt, was die Vorstellung einer strikten binären Einteilung zusätzlich in Frage stellt. Fazit: Geschlecht als Spektrum, nicht als Schublade Die Studie kommt zu dem Schluss: Während die Sexualorgane ein klares binäres Muster zeigen, weisen die meisten anderen Gewebe ein Kontinuum geschlechtsspezifischer Genaktivität auf – ein dynamisches Spektrum, das sich zwischen Arten wie auch zwischen Individuen unterscheidet. Geschlecht ist also laut dieser Studie nicht starr und eindeutig, sondern geprägt durch Evolution, Überschneidungen und individuelle Unterschiede. Statt den Körper anhand molekularer Merkmale streng als männlich oder weiblich einzuordnen, sollte er als ein komplexes Mosaik verstanden werden. (ms/BIERMANN)
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