DDG: Wie hilfreich ist der Klinik-Atlas für eine sichere Diabetesversorgung?

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Prof. Andreas Fritsche, Präsident der DDG, sprach auf der Kongress-Pressekonferenz im Rahmen der 18. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am 22. November über den Klinik-Atlas und die Krankenhausreform.

Für Diabetespatienten sei der Klinik-Atlas nutzlos, sagt Prof. Andreas Fritsche zum Beginn seines Statements. Mit den Suchwörtern „Diabetes“ oder „Diabetologe“ finde man keine Klinik. Beim Klinik-Atlas seien die Verantwortlichen davon ausgegangen, dass es gar keine Diabetespatienten im Krankenhaus geben darf, da diese angeblich alle ambulant behandelt werden, beklagt Fritzsche. „Jedoch müssen tatsächlich knapp 3 Millionen Diabetespatienten jährlich in deutschen Krankenhäusern behandelt werden (1), die Diabeteserkrankung spielt somit bei vielen Krankenhausaufenthalten eine bedeutende Rolle“, betont er.

Betroffene Patienten sollten wissen, ob die Grunderkrankung Diabetes auch bei Krankenhausaufenthalten aus anderen Gründen gut behandelt wird, so Fritzsche. Denn sie führten ansonsten zu längeren Krankenhausaufenthalten, mehr Komplikationen und höherer Mortalität (2).

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft hat in der Pressemitteilung am 15. Mai 2024 den Klinik-Atlas bereits kritisiert (3). Sie hatte gefordert, dass die Diabetologie-Zertifizierungen für Kliniken „Diabetes im Blick DDG“, „Diabeteszentrum DDG“ und „Diabetes Exzellenzzentrum DDG“ in den Klinik-Atlas aufgenommen werden. „Die Zertifikate der DDG geben Menschen mit Diabetes mellitus und möglichen Folge- und Begleiterkrankungen eine qualitätsbasierte Orientierung bei der Suche nach der passenden Behandlungseinrichtung“, kommentiert Fritzsche.

Älter werdende Patienten im Fokus

Ein wichtiger Punkt seien auch die immer älter werdenden Patienten mit Diabetes im Krankenhaus, besonders diejenigen mit Typ-1-Diabetes, betont Fritzsche. Typ-1-Diabetes werde in der Öffentlichkeit, aber auch oft beim Personal im Krankenhaus als eine Erkrankung des Kindes- und Jugendalters angesehen. Jedoch tritt etwa die Hälfte der Typ-1-Diabetes-Neuerkrankungen im Erwachsenenalter auf (4), erklärt der Diabetologe. „Außerdem haben heute Typ-1-Diabetespatienten eine sehr gute Chance auf eine normale Lebenserwartung. Wenn sie dann wegen einer Herzerkrankung, einer Hüftgelenksprothese, einer Lungenentzündung oder anderem ins Krankenhaus müssen, kann es sehr gefährlich für sie werden, wenn das Personal und die Ärzte im Krankenhaus keine Erfahrung in der Typ-1-Diabetesbehandlung haben und diese mit Typ-2-Diabetes verwechselt wird (5)“, sagt er. Diese Gefahr gebe es schon jetzt, sie wird aber nach Einführung der Krankenhausreform noch sehr viel höher werden.

Beispielhaft nennt Fritzsche Probleme bei älteren Typ-1-Diabetespatienten:

  • Erstens: Der Typ-1-Diabetespatient wird als Typ-2-Diabetespatient gesehen. Dies kann zur Folge haben: Er bekommt vor Operationen oder Eingriffen das Insulin abgesetzt, was lebensbedrohlich bis tödlich enden kann. Er bekommt Typ-2-Diabetesmedikamente, die beim Typ-1-Diabetes nicht zugelassen und lebensgefährlich sein können.
  • Zweitens: Das Krankenhauspersonal kann nicht mit seiner Insulinpumpe, seiner kontinuierlichen Gewebezuckermessung und seiner automatischen Insulinverabreichung (AID) umgehen.
  • Drittens: Die schwere Hypoglykämie wird als Schlaganfall behandelt, die Ketoazidose wird übersehen.

Diabetes Units gefordert

„Es ist eine qualifizierte Diabetesbehandlung im Krankenhaus nötig und zu fordern“, schlussfolgert Fritzsche. Diese werde aber im neuen Krankenhausgesetz durch die Vorhaltepauschalen nicht gewährleistet, sondern könne nur durch flächendeckende zertifizierte Diabetesabteilungen (Diabetes Units) erbracht werden, fordert der Diabetologe.