Dem Parkinson-Protein auf der Spur

Graphische Darstellung von Proteinbindung und Spektrum. (© AG Drescher, Univerität Konstanz)

Wissenschaftlern der Universität Konstanz und der Freien Universität Amsterdam ist in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsteam des Unternehmens Bruker BioSpin erstmals der direkte spektroskopische Nachweis der Bindung von α-Synuclein an Lipidmembranen in der Zelle gelungen.

Das Protein α-Synuclein zählt zu den häufigsten im Gehirn des Menschen vorkommenden Eiweißen. Es wird oft als Parkinson-Protein bezeichnet, da die Ablagerung des Eiweißstoffes in Gehirnzellen ein Kennzeichen der Parkinson-Erkrankung ist. Trotz des hohen Interesses der biomedizinischen Forschung an dem Protein sind viele Fragen über die Funktion und Physiologie von α-Synuclein in lebenden Zellen weiterhin offen.

So bestand zum Beispiel bisher Unklarheit darüber, ob und in welchem Umfang der Eiweißstoff an innere Zellbestandteile wie Membranen bindet und mit diesen interagiert. Da derartige Vorgänge eine Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielen könnten, nutzte das Team um den Konstanzer Physikochemiker Prof. Malte Drescher die Weiterentwicklung der Elektronenspinresonanz-Spektroskopie (ESR-Spektroskopie), um mehr über die Bindungseigenschaften des Parkinson-Proteins zu erfahren.

Langsamer ist nicht immer gründlicher

Die weiterentwickelte Variante der ESR-Spektroskopie, welche in der aktuellen Studie erstmalig zur praktischen Anwendung gebracht wurde, wird als Schnellscan-ESR-Spektroskopie bezeichnet. Bei beiden Methoden, der herkömmlichen und der weiterentwickelten, werden die zu untersuchenden Proteine zunächst mit Spin-Sonden versehen. Diese chemischen Sonden ermöglichen es, Veränderungen in der Proteinstruktur festzustellen.

Aus Vorgängerstudien war bereits bekannt, dass α-Synuclein mit elektrisch negativ geladenen Lipidmembranen Bindungen eingehen kann. Bei der ESR-Spektroskopie geht dieser Bindungsvorgang mit einer charakteristischen Veränderung des gemessenen Signals einher. „Das zunächst ungeordnete α-Synuclein nimmt bei der Bindung an die Membran eine geordnete Form an. Dadurch sinkt die Beweglichkeit der Spin-Sonde und die Bindung des Proteins kann durch die Messmethode direkt erfasst werden“, erläutert Theresa Braun, Doktorandin in der Arbeitsgruppe Drescher und gemeinsam mit Juliane Stehle Erstautorin der Studie.

Mithilfe synthetischer, negativ geladener Vesikel und aufgereinigtem α-Synuclein konnten Drescher und seine Kollegen dieselbe Signalveränderung bei der ESR-Spektroskopie nachweisen. Dies gelang ihnen jedoch nicht nur in-vitro, sondern auch innerhalb von Zellen des afrikanischen Krallenfroschs (Xenopus laevis), in welche zuerst die künstlichen Membrankügelchen und kurze Zeit später das Protein eingebracht wurden. Anschließend führte das Forscherteam zeitabhängige Messungen durch und konnte anhand der Veränderung des Messsignals dabei direkt beobachten, wie der Anteil des in der Zelle gebundenen Proteins mit der Zeit zunahm.

Eine vergleichbare – wenn auch deutlich schwächere – Zunahme der Menge an gebundenem α-Synuclein mit der Zeit zeigte sich außerdem, wenn keine künstlichen Membranen in die Zelle eingebracht wurden. Deshalb blieb laut Drescher nur eine Erklärung für diese entscheidende Beobachtung. „Wir sehen hier zum ersten Mal direkte Anzeichen dafür, dass α-Synuclein auch mit den zelleigenen, sprich natürlich vorhandenen Lipidmembranen interagiert“, schlussfolgert der Wissenschaftler. Aufgrund der vergleichsweise geringen Größe des Effekts blieb dies in Experimenten mit weniger genauen Messmethoden bislang verborgen.

Vom Frosch zum Mensch

In zukünftigen Studien plant das Team um Drescher, auf diesem Ergebnis aufzubauen und den Vorgang der intrazellulären Bindung von α-Synuclein an natürliche Zellbestandteile weiter aufzuklären, um mehr über die Funktion des Eiweißstoffes zu erfahren. Ein wichtiger Schritt wird dabei der Wechsel von den Froschzellen als Modellsystem zu verschiedenen Säugetierzelltypen sein. Das langfristige Ziel ist, die Protein-Lipid-Interaktionen des Parkinson-Proteins und dessen Rolle bei der Entstehung der Parkinson-Erkrankug besser zu verstehen, um so geeignete Therapieansätze entwickeln zu können.

Originalpublikation:
Braun TS et al. Intracellular Protein-Lipid Interactions Studied by Rapid-Scan Electron Paramagnetic Resonance Spectroscopy. J Phys Chem Lett 2021 ;247122475.