Den Geruchssinn von Insekten erforschen26. Mai 2025 Duftkodierung im Hirn der Fruchtfliege. Die meisten Düfte, wie das fruchtige Limonen oder das nach Mandeln riechende Benzaldehyd, erzeugen ein spezifisches Aktivierungsmuster. Düfte, die für das Überleben essenziell sind, sind an einem Punkt konzentriert. Bild: Silke Sachs Wie werden Düfte im Gehirn von Fliegen verarbeitet? Wie steuern sie das Verhalten der Tiere? Das untersucht Biologie-Professorin Silke Sachse, die von Jena nach Würzburg gewechselt ist. Jeder kennt Fruchtfliegen. Meist tauchen sie wie aus dem Nichts in der Küche auf. Sie machen sich über die Alkoholreste in den ungespülten Weingläsern vom Vorabend her oder sammeln sich an den Bananen in der Obstschale. Und immer verschwinden sie so abrupt, wie sie gekommen sind. Im Leben einer Fruchtfliege gibt es einige wichtige Fixpunkte: Futter aufstöbern. Gefahren aus dem Weg gehen. Sex haben. Und einen guten Ort für die Eiablage finden. Bei all diesen Verrichtungen muss sich das kleine Insekt auf seinen Geruchssinn verlassen können. Der Duft von reifem Obst verheißt Futter, der Geruch von Schimmel bedeutet Gefahr, die Sexuallockstoffe der Artgenossen sind eine klare Verführung. Düfte erzeugen spezifische Muster im Gehirn Eine Nase hat die Fruchtfliege nicht. Sie riecht mit zwei kurzen Antennen, die oben auf ihrem Kopf sitzen. Dort docken die Duftmoleküle an. Sie stimulieren Nervenzellen, die wiederum Impulse ins Riechzentrum des Fliegenhirns schicken und dort bestimmte Aktivierungsmuster und Verhaltensreaktionen auslösen. „Jeder einzelne Duft erzeugt im Gehirn sein ganz spezifisches Muster, auch beim Menschen“, erklärt Sachse. „Dabei gibt es hunderttausende unterscheidbare Düfte, und selbst Insekten wie die Fruchtfliege schaffen es, diese multidimensionale Welt der Düfte in einem relativ kleinen Areal ihres Gehirns abzubilden.“ Für die Details dieser Gehirnleistung interessiert sich die Biologin schon lange. Sie will verstehen, wie neuronale Schaltkreise Geruchsreize verarbeiten und das Verhalten bei Insekten kontrollieren. Mit diesen Forschungsfragen ist Sachse jetzt vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena ans Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg gewechselt. Hier leitet sie seit April 2025 den Lehrstuhl für Neurobiologie und Genetik. Bei Fliege und Mensch fast identisch Warum sie das Riechen ausgerechnet an einem Insekt erforscht? Weil das Geruchssystem der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) dem des Menschen und anderer Säugetiere stark ähnelt, aber weniger komplex und leicht zugänglich für genetische Manipulationen ist. „Viele Mechanismen, die im Gehirn ablaufen, wurden zuerst bei Insekten entdeckt und später beim Menschen bestätigt“, führt die Neurobiologin aus. Mit genetisch veränderten Fruchtfliegen kann die neue Professorin zum Beispiel direkt sichtbar machen, welche Düfte welche Muster im Riechzentrum des Fliegenhirns erzeugen. Ihr Team verwendet dafür transgene Fliegen, deren Gehirnzellen grün fluoreszieren, wenn sie mit Laserlicht bestrahlt werden. Aktive Gehirnzellen leuchten dabei deutlich intensiver, so dass man sie gut identifizieren kann. Manche Düfte sind wichtiger als andere Das Riechzentrum der Fliege sieht aus wie eine Weintraube aus etwa 50 kugeligen Strukturen. Die meisten Düfte aktivieren mehrere dieser Kugeln gleichzeitig. Anders sieht es bei Gerüchen aus, deren Erkennung überlebenswichtig ist: Sie bringen jeweils nur eine einzige Kugel zum Leuchten. Das ist beim Duftstoff Geosmin aus Schimmelpilzen der Fall und auch bei dem Sexuallockstoff, mit dem die Fliegenmännchen ihre Geschlechtspartnerinnen anlocken. Aktuell erforscht Sachse, wie plastisch die Schaltkreise im Gehirn sind, wie sie sich beispielsweise bei Lernvorgängen verändern. Präsentiert man einer Fruchtfliege im Experiment einen sehr attraktiven Geruch und versetzt ihr gleichzeitig einen unangenehmen elektrischen Impuls, geht sie dem verlockenden Duft bald aus dem Weg. Das veränderte Verhalten spiegelt sich im Gehirn wider: Das Muster für den attraktiven Geruch verändert sich in der zentralen Gehirnregion für das angeborene Verhalten. „In der Forschung herrschte bisher die Meinung, dass diese Hirnregion nicht plastisch sei. Wir haben gezeigt, dass sie es doch ist“, so Sachse. Schimmelpilz schlägt Orange Wie die Fliege verschiedene Sinneseindrücke im Gehirn integriert, ist eine weitere Forschungsfrage der Wissenschaftlerin. Riecht eine Fruchtfliege zum Beispiel eine reife Orange, ist das sehr verlockend – ein guter Ort zum Fressen und für die Eiablage. Stößt sie aber beim Umherlaufen auf der Orange auf eine verschimmelte Stelle, droht Gefahr: Schimmelpilze sind giftig für Insekten und ihren Larven-Nachwuchs. Riecht die Fliege nun gleichzeitig die Orange und den Pilz, bildet sich in ihrem Gehirn ausschließlich das Warnsignal heraus, wie das Team von Silke Sachse herausgefunden hat. In ihrer Arbeit vergleicht die Professorin auch verschiedene Drosophila-Arten, um Einblicke in die Evolution der Duftkodierung zu bekommen. Bislang zeigen die Ergebnisse keine nennenswerten Unterschiede, auch nicht bei Fliegen, die sich auf eine einzige Nahrungsquelle spezialisiert haben: „Diese Form der Duftkodierung scheint sich in der Evolution bewährt zu haben.“ Interessanterweise konnte Sachse aber kürzlich zeigen, dass die Art, wie Düfte im Gehirn kodiert werden, bei Heuschrecken komplett anders funktioniert als bei Drosophila. Wer hier die bessere Strategie entwickelt hat, ist Gegenstand ihrer zukünftigen Forschung.
Mehr erfahren zu: "Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen" Weiterlesen nach Anmeldung Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen Ein Forschungsteam der Johns Hopkins University (USA) hat herausgefunden, dass sequenzierte Tumorproben deutlich weniger mikrobielles Erbgut aufweisen, das tatsächlich mit einer bestimmten Krebsart assoziiert ist, als bisher angenommen. Bisherige Ergebnisse […]
Mehr erfahren zu: "KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen" KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen Was denken Patienten über Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin? Eine internationale Studie liefert eine Antwort. Zentrales Ergebnis: Je schlechter der eigene Gesundheitszustand, desto eher wird der Einsatz von KI […]
Mehr erfahren zu: "Lassen sich Depressionen und Schmerzen über das Ohr bekämpfen?" Lassen sich Depressionen und Schmerzen über das Ohr bekämpfen? Depressionen, Schlafstörungen, Schmerzen – Millionen Menschen leiden unter langwierigen medizinischen Problemen. Forschende der Hochschule Fresenius und der Universität Düsseldorf arbeiten an einer ungewöhnlichen Lösung. Ausgerechnet das Ohr wird dabei wichtig.