Den Herzinfarktauslösern auf der Spur10. November 2020 Ablauf der OPTICO-ACS-Studie (Grafik: Leistner/ Charité). Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) konnten eine weitere Ursache für Herzinfarkte aufdecken. Ein Teil der bei Betroffenen untersuchten Gefäßablagerungen ist durch aktivierte Immunzellen charakterisiert, die sich unter verändertem Blutfluss an der Gefäßinnenwand ansammeln und dort zu einer Schädigung der gefäßauskleidenden Zellen beitragen. Die Auslöser der Blutgerinnselbildung beim akuten Koronarsyndrom und damit des Herzinfarkts sind bisher nur unzureichend geklärt. Lange vermutete man, dass diese Blutgerinnsel ausschließlich durch eine Ruptur der Bindegewebshülle um die Ablagerung und die Freisetzung des darunterliegenden Materials entstehen. Neuere Befunde legen allerdings nahe, dass sie auch an intakten Gefäßablagerungen gebildet werden können. Wie diese Form der sogenannten Plaque-Erosion zum Herzinfarkt beitragen kann, haben nun Forschende der Medizinischen Klinik für Kardiologie am Charité Campus Benjamin Franklin und am DZHK erstmals gezeigt.In der OPTICO-ACS-Studie hat das Team um die beiden Studienleiter Prof. Dr. David M. Leistner und Klinikdirektor Prof. Dr. Ulf Landmesser 170 Patienten mit akutem Koronarsyndrom untersucht. Bei etwa 25 Prozent der Betroffenen konnten sie statt einer Ruptur eine Erosion der Gefäßablagerung als Ursache feststellen. „Unsere Studie liefert erstmals eine Erklärung, warum solche Plaque-Erosionen einen Herzinfarkt auslösen können: Es zeigte sich, dass die Plaque-Erosions-Stellen durch spezielle aktivierte Immunzellen – sogenannte T-Lymphozyten – charakterisiert sind, die sich unter veränderten Blutflussbedingungen in der Wand von Herzkranzgefäßen ansammeln und dort zu einer Schädigung der Gefäßinnenwand beitragen können“, sagt Leistner, Erstautor der Studie.Durch eine optische Kohärenztomographie (OCT) gelang es den Forschenden, die infarktauslösenden Plaques hochauflösend darzustellen und zuverlässig in Ruptur oder Erosion als Herzinfarktauslöser zu unterteilen. Daraufhin wurde an der infarktauslösenden Stelle mit einem Absaugkatheter das Blutgerinnsel entfernt und zusätzlich Blut zur Untersuchung von Immunzellen und Entzündungsmarkern gewonnen. Bei den in etwa einem Viertel der Fälle durch eine Erosion verursachten Blutgerinnseln fand das Team eine veränderte Zusammensetzung von Immunzellen. Vermehrte CD4- und CD8-positive Lymphozyten sowie deren zytotoxische Effektormoleküle deuteten auf eine Entzündungsreaktion hin, durch die Endothelzellen der Gefäßinnenwand geschädigt werden. Die Blutgerinnsel fanden sich in diesen Fällen zudem häufiger in der Nähe von Gefäßverzweigungen, die durch spezielle Strömungsverhältnisse gekennzeichnet sind. Leistner ergänzt: „Um die Beobachtungen aus den Patientinnen und Patienten nochmals zu unterstreichen, konnten wir – entsprechend dem translationalen Ansatz unserer Studie – diese Erkenntnisse auch durch Zellkulturexperimente bestätigen.“Somit können einem Herzinfarkt unterschiedliche pathophysiologische Ursachen zugrunde liegen. Der neu beschriebene Mechanismus umfasst vor allem ein fehlgeleitetes adaptives Immunsystem. „Nachdem sich das Konzept von immunmodulierenden Therapien in der kardiovaskulären Medizin als sicher und als effektiv erwiesen hat, liegt hier sicher ein interessanter Forschungsansatz, um bestimmte Ausprägungen des akuten Koronarsyndroms gezielter behandeln und so eventuell auch Folgeereignisse vermeiden zu können“, resümiert Landmesser, der auch Berlin Institute of Health (BIH)-Professor ist. Um eine gezielte Beeinflussung des Immunsystems zu ermöglichen, wird künftig genauer untersucht, welche Rolle die involvierten T-Lymphozyten spielen und wie sie sich in den Gefäßen ansammeln. Publikation: Leistner DM et al. Differential immunological signature at the culprit site distinguishes acute coronary syndrome with intact from acute coronary syndrome with ruptured fibrous cap: results from the prospective translational OPTICO-ACS study. Eur Heart J (2020), doi.org/10.1093/eurheartj/ehaa703
Mehr erfahren zu: "KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen" KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen Was denken Patienten über Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin? Eine internationale Studie liefert eine Antwort. Zentrales Ergebnis: Je schlechter der eigene Gesundheitszustand, desto eher wird der Einsatz von KI […]
Mehr erfahren zu: "ESC2025: Was bringt die intravenöse Plättchenhemmung bei herzinfarktbedingtem kardiogenem Schock?" Weiterlesen nach Anmeldung ESC2025: Was bringt die intravenöse Plättchenhemmung bei herzinfarktbedingtem kardiogenem Schock? Im Vergleich zu oralem Ticagrelor bewirkte intravenös (i.v.) verabreichtes Cangrelor in der randomisierten Studie DAPT-SHOCK-AMI eine sofortige, wirksame Thrombozytenhemmung ohne Anstieg schwerer Blutungen und mit einer Tendenz zu niedrigeren Mortalitätsraten […]
Mehr erfahren zu: "DKG zur ePA: „Kliniken treiben Umsetzung aktiv voran“" DKG zur ePA: „Kliniken treiben Umsetzung aktiv voran“ Fast alle Klinken in Deutschland (98%) haben mit den organisatorischen Vorbereitungen zur Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) begonnen. Dies geht aus einer aktuellen Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) hervor.