Den Wandel in der Medizin gestalten: Vorschau auf den Kongress Viszeralmedizin im September

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Medizin findet nicht im Elfenbeinturm statt, sie muss auf gesellschaftliche, berufspolitische und technische Entwicklungen reagieren – und sie steht in den nächsten Jahren vor enormen Herausforderungen, finden auch die Organisatoren des diesjährigen Kongresses Viszeralmedizin: von der Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft bis hin zur überfälligen Digitalisierung.

Ihren gemeinsamen Kongress 2022 haben die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), deren Sektion Endoskopie und die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) daher unter das Motto „Viszeralmedizin im Wandel“ gestellt. Aber auch die fachlich-medizinischen Themen werden diskutiert: Von neuen Erkenntnissen zum Reizdarm, über die Volkskrankheit Reflux bis hin zum Pankreaskarzinom – vom 12. bis 17. September 2022 werden die Teilnehmenden Neues zu Diagnostik und Behandlung in ihrem Fachgebiet diskutieren. Das Hybrid-Format des vergangenen Jahres bleibt erhalten: Die ersten beiden Kongresstage finden als abendlicher After-Work-Stream online statt, die weiteren vier Tage dann als ganztägige Präsenzveranstaltung im Congress Center Hamburg.

Der Wandel hat viele Facetten: Die Restrukturierung der Krankenhauslandschaft durch Ambulantisierung und Mindestmengenregelungen, Digitalisierung, die Vereinbarkeit von Karriere und Familie; oder der demografische Wandel, der mehr Patienten, aber immer weniger ärztlichen Nachwuchs mit sich bringt – nur einige Schlagworte, die die Herausforderungen für die Medizin und den Fachbereich verdeutlichen. In über 100 wissenschaftlichen Sitzungen sowie einer Vielzahl von Kursen und Kurzvorträgen wird neben diesen übergeordneten Versorgungsthemen aber auch die gesamte medizinisch-fachliche Bandbreite der Gastroenterologie, der Viszeralchirurgie und der Endoskopie abgedeckt.

Wichtige Schwerpunkte werden – ganz im Sinne des Kongressmottos – im Bereich der künstlichen Intelligenz, der Robotik und der Digitalisierung liegen. „Diese Entwicklungen werden den klinischen Alltag zunehmend und nachhaltig verändern“, sagt Prof. Thomas Frieling, Kongresspräsident für die DGVS. Im Hinblick auf den politisch gewünschten Wandel hin zu mehr Ambulanz und einer stärkeren Zentralisierung stationärer Leistungen sei ein zeitnaher Ausbau digitaler Versorgungsangebote geradezu zwingend. Denn nur mithilfe standortübergreifender Netzwerke könne weiterhin eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Versorgung gewährleistet werden. „Unser Ziel muss es bleiben, jeder Patientin und jedem Patienten das individuell passende, optimale Behandlungskonzept anbieten zu können.“

Auch im Bereich der Endoskopie werden Mediziner zunehmend durch künstliche Intelligenz unterstützt – diese kommt unter anderem in diagnostischen Assistenzsystemen bei der Darmkrebsvorsorge zum Einsatz. Durch neue Resektionstechniken dringt die Endoskopie zudem immer weiter in das Gebiet der Chirurgie vor. „Viele vormals offen chirurgische Eingriffe können heute minimal-invasiv durchgeführt werden“, sagt Prof. Ulrike Denzer, Vorsitzende der Sektion Endoskopie der DGVS. Durch die Verknüpfung von Endoskopie und Sonographie, die so genannte interventionelle Endosonographie, werden immer neue anatomische Bereiche für diagnostische sowie zunehmend auch für therapeutische Eingriffe erschlossen. Die submukosale Endoskopie erweitert das Spektrum der endoskopischen Eingriffe, indem sie Bereiche jenseits der Schleimhaut zugänglich macht; auch sie wird ein Schwerpunkt auf dem Kongress sein.

Beim Wandel der Krankenhauslandschaft nimmt die Chirurgie innerhalb der Viszeralmedizin eine Art Vorreiterrolle ein. „Im Bereich der Viszeralchirurgie sind Mindestmengenregelungen und Qualitätsanforderungen bereits heute üblich“, sagt Prof. Jens Werner, Präsident der DGAV, die mit ihren 14 Arbeitsgemeinschaften für das chirurgische Programm des Kongresses verantwortlich zeichnet. „Dieser Zentralisierungsprozess bedeutet eine Herausforderung, bietet aber auch Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten, und sollte von den Fachgesellschaften aktiv mitgestaltet werden.“ Thematische Schwerpunkte werden in diesem Jahr auf der onkologischen und funktionellen Chirurgie liegen, sowie auf technischen Innovationen. „In unserem vielfältigen Programm werden alle Aspekte der Viszeralchirurgie berücksichtigt“, so Werner.

Zum ersten Mal wird es beim Kongress in diesem Jahr einen Next Generation(NextGen)-Tag geben, der vom viszeralmedizinischen Nachwuchs für den viszeralmedizinischen Nachwuchs gestaltet wird. „Wir brauchen junge, talentierte Menschen, die wir für unsere faszinierenden Berufsfelder begeistern können“, sagt Kongresspräsident Frieling. Er freue sich daher, dass mit dem NextGen-Tag am 14. September gezielt die jungen Gastroenterologen (JUGA) und Chirurgen (CAJC) in die Kongressgestaltung eingebunden werden. Um die Zukunft der Gastroenterologie und Viszeralmedizin zu sichern, ist darüber hinaus auch ein Wandel bei den Arbeitsbedingungen notwendig. „Frauen wie Männer legen heute Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf, Karriere und Familie“, betont Frieling. „Dem müssen sich die Strukturen in der Medizin anpassen – nicht andersherum.“