Der Hörkortex verarbeitet nicht nur Töne

Dr. Ying Huang und Prof. Michael Brosch werten die Ergebnisse ihrer Studie aus. (Foto: LIN/Reinhard Blumenstein)

Wie wir auf akustische Signale reagieren, hängt von der Situation ab, in der wir uns befinden. Forscher des Leibniz-Instituts für Neurobiologie (LIN) haben in einer Studie mit Langschwanzmakaken gezeigt, dass eine Assoziation zwischen akustischem Reiz und gelernter Reaktion im Hörkortex repräsentiert ist und dass diese unmittelbar an die verschiedenen Situationen angepasst werden kann.

Eine Folge von zwei Tönen erklingt. Der Langschwanzmakake weiß, dass er jetzt die Taste vor sich drücken muss, um eine Belohnung zu bekommen. Der Ablauf wiederholt sich etliche Male, dann ändert sich die Aufgabe im Experiment plötzlich: Das Tier darf die Taste nun nicht mehr drücken, wenn diese Tonfolge zu hören ist und er trotzdem die Belohnung haben möchte. „Doch diesen Aufgabenwechsel kriegt es sehr gut hin“, erklärt Versuchsleiter Prof. Michael Brosch. Er leitet am LIN das Speziallabor Primatenneurobiologie, das insbesondere die Hörverarbeitung bei Langschwanzmakaken untersucht. Zusammen mit seiner Kollegin Dr. Ying Huang und Prof. Peter Heil, Leiter der AG Hören, haben die Forscher aus Magdeburg die kognitive Flexibilität anhand dieses sogenannten Go/No-Go-Paradigmas untersucht.

„Die Tonfolge ist ein ganz einfacher Reiz, den die Langschwanzmakaken gelernt haben, schnell mit einer Handlung und deren Konsequenz in Verbindung zu bringen, sprich ob sie eine Belohnung bekommen oder nicht. Sie werden darin so perfekt trainiert, dass im Experiment ein bis zwei Drücker ausreichen, um diese kognitive Flexibilität zu zeigen“, sagt Brosch. Die Tiere werden dafür über ein Jahr lang auf die Experimente vorbereitet.

Mithilfe feiner Elektroden messen die Wissenschaftler dann, welche Nervenzellen für die Bewertung der Geräusche und die Handlungsreaktionen verantwortlich sind. Das Forscherteam konnte mit seiner Studie zeigen: „Die Antworten der Nervenzellen im Hörkortex auf die Tonfolge hängt davon ab, welche Reaktionen erfolgen muss. Der Hörkortex repräsentiert somit die Assoziation zwischen Geräuschen und Handlungen.“

Wichtig ist hierbei, dass auf den gleichen akustischen Reiz eine andere Reaktion zielführend ist, je nach Kontext. Die Langschwanzmakaken müssen im Experiment nach der Tonfolge zwischen ,drücken´ und ,nicht drücken´ unterscheiden lernen und blitzschnell ihre Handlungskonsequenz anpassen, um an die Belohnung zu gelangen.

„Bisher ist die Forschung davon ausgegangen, dass spezialisierte Gebiete im Assoziationskortex für die Verarbeitung von Reaktionen und Konsequenzen verantwortlich sind. Wir konnten jedoch zeigen, dass die Handlungsbewertung, die für die kognitive Flexibilität wichtig ist, auch im Hörkortex stattfindet“, so die Magdeburger Wissenschaftler. Darauf aufbauend wollen sie nun in weiteren Studien erforschen, welche Neurotransmitter für diese kognitive Flexibilität von Bedeutung sind, um herauszufinden, ob sich diese Flexibilität durch Medikamente verändern lässt.

Originalpublikation:
Huang Y. et al.: Associations between sounds and actions in early auditory cortex of nonhuman primates.
eLife 2019;8:e43281.