Der lange Weg zurück zum Sport nach komplexen Knieverletzungen 

Foto: kunchainub – stock.adobe.com

Auf dem Zeulenrodaer Kongress für Orthopädie und Sportorthopädie (ZKOS) vom 29. bis 31. August referiert Prof. Lukas Negrin über die Therpie komplexer Knieverletzungen an diversen Stellen.

Kreuzband, Knorpel, Meniskus – viele Sportler erleiden in ihrer Sportart früher oder später eine ernsthafte Verletzung am Knie. Jede dieser Verletzungen wird anders therapiert und für jede gelten hinterher auch andere Rehabilitations-Maßnahmen, Zeiträume und Abläufe. Was aber, wenn sich ein Athlet komplexe Verletzungen an vielen verschiedenen Strukturen gleichzeitig zuzieht? Wie wird dann behandelt, wonach wird entschieden, was der Sportler in welcher Reha-Phase wieder tun darf? Wie lang und beschwerlich ist der Weg zurück in den Sport? Diese Fragen Negrin, Facharzt für Unfallchirurgie, Orthopädie/Traumatologie/Sporttraumatologie und Referent auf dem ZKOS.

„Die Behandlung komplexer Verletzungen erfordert ein hohes Maß an Erfahrung”

Als stationsführender Oberarzt an der klinischen Abteilung für Unfallchirurgie der Medizinischen Universität Wien (AKH Wien) und IOC zertifizierter Sportarzt sieht der Experte viele Hochrasanz-Traumata mit komplexen Verletzungsmustern. „Die Behandlung von Verletzungen dieser Art, bei denen mehrere verschiedene Strukturen gleichzeitig betroffen sind, erfordert ein hohes Maß an Erfahrung. Das Therapie-Regime muss individuell zusammengestellt werden und gehört in die Hände von Spezialisten. Gerade bei Sportlern ist es meines Erachtens sinnvoll, die Meinung von Fachkollegen einzuholen, um den Erfahrungsschatz zu bündeln und somit das bestmögliche Ergebnis zu erzielen“, so Negrin.

Komplexe Knieverletzungen treten häufig beim Skifahren, Basketball, Fußball oder in Kontaktsportarten wie American Football auf. Während z. B. bei einem reinen Kreuzbandriss das Knie sofort wieder bewegt werden kann, muss bei einer Verletzung des Streckapparates oder, wenn auch die Seitenbänder gerissen sind, eine Einschränkung der Beweglichkeit in Kauf genommen werden. Befindet sich der Knorpelschaden hinter der Kniescheibe, kann das Bein zwar belastet, aber nicht frei bewegt werden. Befindet sich der Knorpelschaden im gewichtstragenden Teil des Oberschenkels, ist die Situation genau umgekehrt, konstatiert die Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS).

Unterschiede bei der Therapie und Reha von Leistungs- und Freizeitsportlern

Die Art der ausgeübten Sportart beeinflusse in der Regel, wie komplexe Knieverletzungen operativ behandelt werden; zwischen Freizeit- und Leistungssportlern werde dabei nicht unterschieden. Anders verhalte es sich beim Therapieweg und der Dauer der Rehabilitation.

Negrin: „Bei Patienten, die ‘nur’ in ihrer Freizeit Sport treiben, gehen wir viel restriktiver vor, um das Risiko irreversibler Folgen zu vermeiden.“ Für Leistungssportler, die ihr Training meistens schnell wieder aufnehmen möchten, gebe es hingegen kein Standardrezept. Physiotherapeuten, Konditionstrainer und Ärzte arbeiteten direkt nach der Operation durchgehend zusammen, die Ergebnisse würden viel engmaschiger kontrolliert.

„Freizeitsportler müssen wir in dieser Phase eher bremsen“, so Negrin, während Leistungssportler im Rahmen des Möglichen recht schnell gefordert werden müssen. Diese spüren jedoch meist ihren Körper besser und kennen selbst die Grenzen.“

„Grundsätzlich ist es ein Irrglaube, dass im Leistungssport Dinge schneller heilen“, so Negrin weiter. „Der Unterschied besteht darin, dass sich Leistungssportler täglich viele Stunden ihrer Reha widmen können – von Lymphdrainagen, über Mobilisierung, Unterwasser-Therapien, Strombehandlungen bis hin zum gezielten 1:1-Training. Freizeitsportler hingegen haben maximal zweimal pro Woche eine 50-minütige Physiotherapie, den Rest machen sie, wenn überhaupt, alleine zu Hause.“

Abhängig von der jeweiligen Sportart sei bei komplexen Knieverletzungen ein Return to Training im Leistungssport in vielen Fällen zwischen sechs und neun Monaten möglich, Wettkämpfe könnten oft nach einem bis anderthalb Jahren wieder bestritten werden. Bei Nervenverletzungen könne sich die Rekonvaleszenz drastisch verlängern. Grundsätzlich sollte bei allen Betroffenen, die in der Regel zwischen 18 und 45 Jahre alt sind, der Rehabilitationsverlauf und die zeitliche Planung der Wiederaufnahme der sportlichen Betätigung individuell angepasst werden, so der Experte. Die meisten hätten es schwer, nach so langer Zeit wieder an ihr Leistungsniveau anzuknüpfen.