Der virtuelle Krebspatient18. Dezember 2018 Foto: © Alexander Limbach – Fotolia.com An der Schnittstelle zwischen Biologie und Algorithmen: Professor Heinz Koeppl und seine Mitarbeiter entwickeln Computermodelle für die personalisierte Medizin. Krebs ist nicht gleich Krebs. Sogar Zellen innerhalb eines Tumors können sich genetisch unterscheiden. Die Genveränderungen beeinflussen aber nicht nur das Wachstum der kranken Zellen, sondern auch deren Ansprache auf eine Behandlung. „Bei einer herkömmlichen Therapie dreht man daher oft an Stellschrauben, die für einen spezifischen Patienten keinen Effekt haben“, sagt Heinz Koeppl, Professor am Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik und Zweitmitglied im Fachbereich Biologie. Bislang verläuft nur jede vierte Krebstherapie erfolgreich – unter den Nebenwirkungen leiden die Patienten trotzdem. Die Vision von Koeppl und seinen Mitarbeitern: Zukünftig soll sich vorab abschätzen lassen, ob eine bestimmte Therapie einer erkrankten Person überhaupt helfen kann. Dafür entwickeln die Wissenschaftler Computermodelle, quasi virtuelle Patienten, die sie aus Gen- und Protein-Daten der Krebszellen, aus Ergebnissen von Zellversuchen im Labor, aus histologischen Befunden, anderen klinischen Untersuchungen sowie vielen weiteren Informationen konstruieren. Die Darmstädter Forschungsarbeiten sind eingebunden in zwei EU-Projekte: Das internationale Verbundvorhaben PrECISE, das nunmehr endet, hat sich auf Prostata-Krebs konzentriert. Im Februar 2019 startet das iPCProjekt, das sich mit häufigen Krebsleiden von Kindern beschäftigt. Für einige Krebstypen gibt es bereits grobe Netzwerkmodelle und Datenbanken, die Zellprozesse, beispielsweise Signalkaskaden und katalytische Aktivitäten von Proteinen, beschreiben. Dieses Netzwerkskelett verfeinern die Forscher, indem sie aktuelle krankheits- und patientenspezifische Informationen integrieren. Die Kunst liege darin, Algorithmen zu finden, die das vorhandene Wissen korrekt an die neuen molekularen Daten anpassen, erklärt Koeppl. Es sei extrem wichtig, das Detailwissen in den Köpfen von Biologen und Biochemikern in die Modelle mit einzubeziehen: „Rein datengetriebene Verfahren der Künstlichen Intelligenz sind hier nicht zielführend.“ Netzwerk der molekularen Wechselwirkungen Der virtuelle Patient bildet das Netzwerk der molekularen Wechselwirkungen in den Krebszellen ab. Wollen die Forscher ein Medikament testen, das ein bestimmtes Protein hemmt, müssen sie in ihrem Computermodell nur die Aktivität dieses Proteins verringern oder ausschalten. Sie sehen dann die Auswirkungen auf das gesamte Netzwerk und somit auf die Krebszellen. Wird der gewünschte Signalpfad deaktiviert? Vermehren sich die Zellen jetzt langsamer? Sterben sie gar ab? Oder ist der Effekt vernachlässigbar? „Wenn man verschiedene Wirkstoffe am Netzwerkmodell durchspielt, kann man einem Patienten die beste verfügbare Therapie vorschlagen. Das ist die Idee der personalisierten Medizin“, sagt Koeppl. Immuntherapien und andere neue Behandlungsmethoden lassen sich ebenfalls mit solchen Modellen testen. Im PrECISE Projekt wurde die Wirkung bestimmter Anti-Krebs-Mittel bereits am Computer abgeschätzt. „Die aktuellen Ergebnisse stimmen zumindest gut mit Daten aus Krebszelllinien überein“, sagt Koeppl. Das lässt hoffen, auch wenn bis zur klinischen Anwendung noch Jahre vergehen werden.
Mehr erfahren zu: "Visualisierung chemischer Signale auf Einzelzell-Ebene" Visualisierung chemischer Signale auf Einzelzell-Ebene Ein Forschungsteam der Universität Münster hat durch die Kombination von Fluoreszenzmikroskopie und Massenspektrometrie Stoffwechselunterschiede im Tumor sichtbar gemacht. Die neue Methode könnte vielseitig bereichern.
Mehr erfahren zu: "Asbest-assoziierter Lungenkrebs: Expression spezifischer miRNAs im Blut könnte als Biomarker dienen" Weiterlesen nach Anmeldung Asbest-assoziierter Lungenkrebs: Expression spezifischer miRNAs im Blut könnte als Biomarker dienen Aus einer systematischen Literaturrecherche haben sich Hinweise darauf ergeben, dass die Expression spezifischer MicroRNAs (miRNAs) im Blut (Serum oder Plasma) mit der Diagnose und Prognose von Lungenkarzinomen (LCs) und malignen […]
Mehr erfahren zu: "Genetische Grundlagen der Gehirnalterung identifiziert" Genetische Grundlagen der Gehirnalterung identifiziert Forschende der Humboldt-Universität zu Berlin untersuchten die genetischen Grundlagen der Gehirnalterung. Daten von über 56.000 Teilnehmenden zeigen, welche Gene und beeinflussbaren Faktoren das Tempo der Gehirnalterung bestimmen. Die Ergebnisse liefern […]