Detailgenauer Blick in die Knochen a la „Google Earth“

Toni Tang (Foto: Tom Daly for UVA Engineering)

Forschende aus den USA und Kanada arbeiten an einer neuen Bildgebungstechnik, um Erkrankungen des Bewegungsapparates noch genauer zu untersuchen.

In einer neuen Arbeit, die in „Nature: Scientific Reports“ veröffentlicht wurde, skizziert Toni Tang, Assistenzprofessorin für Ingenieurwesen und angewandte Wissenschaften an der an der University of Virginia School of Engineering and Applied Science (UVA), einen idealen Arbeitsablauf für die Kombination der neuesten fortschrittlichen Bildgebungs- und Charakterisierungstechnologien, die zu einem verbesserten grundlegenden Verständnis poröser Knochen führen könnten, was wiederum die Erkennung von Krankheiten ermöglichen würde.

„Der wichtigste Durchbruch dieser Studie ist die Einrichtung eines korrelativen Arbeitsablaufs, mit dem ein biologisches Gewebe über viele Längenskalen von Millimetern bis Nanometern untersucht werden kann, und zwar in 3D und innerhalb genau desselben Gewebevolumens“, so Tang. „Dies ist das erste Mal, dass die Knochenstruktur in allen relevanten Größen in 3D dargestellt wurde.“

Sie vergleicht dabei das Prinzip der Methodik mit dem Konzept von Google Earth: Wollen Sie die Ansicht aus 280 Meilen Höhe oder eine Ansicht im Straßenraster oder auf Bodenhöhe?

Die Grundlagen der Studie

Anhand einer Knochenprobe aus dem Femur eines erwachsenen knochengesunden Probanden, wollten Tang und Forscherteams in Kanada und Kalifornien mehr über die nicht durgängig festen Trabekel-Strukturen der Spongiosa erfahren, die z. B. dazu beitragen, Stöße zu dämpfen, Wirbel zu festigen oder Teile des Hüftknochens vor Frakturen zu schützen.

Das Team verwendete einen Femtosekundenlaser, der kurze, schnelle Lichtimpulse aussendet, um ein präzises Gitter zu erzeugen. Anhand dieses Gitters konnten die Forscher Korrelationen zwischen den Bildgebungsmethoden und der Identifizierung von Strukturen von Interesse herstellen. Zu den Abbildungsmethoden gehörten die Ionenstrahl-Rasterelektronenmikroskopie, die auf die Oberfläche fokussiert ist, und die Röntgenmikroskopie, die tief in eine Probe eindringt.

„Dieses neue Verfahren kann hoffentlich dazu beitragen, die biologische Gewebestruktur aus einer grundlegenden Perspektive zu untersuchen“, sagt Tang. „Zum Beispiel treten bei vielen Knochenkrankheiten Strukturveränderungen auf allen Ebenen auf – auf der Ebene von Kollagen und Mineralien, aber auch auf der Ebene von mikroskaligen Knocheneinheiten sowie auf der Ebene des gesamten Knochens.“

Mögliche zukünftige Anwendungen

Die Ingenieure wollen präzisere Methoden für die Medizin entwickeln, um etwa das Risiko von Frakturen oder Knochenerkrankungen zu bewerten. So wird derzeit etwa der Trabecular Bone Score (TBS) häufig von Ärzten bei postmenopausalen Frauen und Männern über 50 erstellt, um die Knochengesundheit und das Verletzungsrisiko zu bestimmen. Der Score wird durch die Aufnahme der Wirbelsäule im unteren Rückenbereich und die anschließende Anwendung eines Computeralgorithmus ermittelt. Mit der neuen Methodik von Tang et al. könnten bestimmte Muster im Nanoskala-Bereich besser erkannt werden, wie etwa frühe Anzeichen einer Arthrose.

„Frühe Stadien der Arthrose weisen subtile strukturelle Veränderungen auf, die mit klinischen Instrumenten nicht zu erkennen sind“, sagt die Forscherin. „Dieser neue Arbeitsablauf könnte zum Beispiel genutzt werden, um diese kleinen Veränderungen zu erkennen und die Ätiologie der Arthrose zu verstehen.“ Dafür sei jedoch noch weitere Forschung nötig. Ein besseres Verständnis der komplexen hierarchischen Struktur der trabekulären Knochenstrukturen könne laut Tang nicht nur zu einer besseren Knochengesundheit beitragen, sondern auch einen Beitrag zum Bereich der bioinspirierten Materialien leisten.

Auch andere biologische Gewebe und sogar nichtbiologische Materialien, könnten mit der neuen Methodik analysiert werden, fügte sie hinzu – von Halbleitergeräten bis hin zu geologischen Proben.

Tangs Labor im Zentrum für Angewandte Biomechanik der UVA kooperiert mit Labors des Kanadischen Zentrums für Elektronenmikroskopie an der McMaster University in Hamilton, Kanada, der Bharti School of Engineering and Computer Science an der Laurentian University in Sudbury, Kanada, und dem Department of Preventive and Restorative Dental Sciences an der University of California.