Detaillierte Funktionsweise der tektorischen Membran

BU: Mikroskopische Aufnahme eines Querschnitts der tektorischen Membran. Foto: Massachusetts Institute of Technology/Jonathan Sellon, MIT micromechanics group

US-amerikanische Wissenschaftler konnten zeigen, dass die erstaunliche Empfindlichkeit des Gehörs auf die Eigenschaften der tektorischen Membran zurückzuführen ist, die sich entsprechend der Schallfrequenzen bewegt.

Das menschliche Ohr ist erstaunlich empfindlich: Es kann – wie die Ohren anderer Säugetiere auch – durch Schallwellen erzeugte Schwingungen des Trommelfells von weniger als einer Atombreite detektieren. Jetzt haben Forscher neue Details zum Mechanismus der Detektion sehr schwacher Töne aufgedeckt.

Sowohl die Empfindlichkeit als auch die Selektivität der Ohren – also die Fähigkeit verschiedene Tonfrequenzen zu erfassen – hängen entscheidend von der tektorischen Membran ab, einer gelantineartigen Struktur im Innenohr. Seniorautor der aktuellen Studie Dennis Freeman vom Massachusetts Institute of Technology beschäftigt sich seit zehn Jahren mit der tektonischen Membran. Jetzt konnten er und sein Team zeigen, dass die Art und Weise wie die Membran für die erstaunliche Empfindlichkeit des Gehörs sorgt, mit Größe, Steifheit und Verteilung von Nanoporen in der Membran zusammenhängt. Auch die Art und Weise wie diese Nanoporen die Bewegung von Wasser im Gel kontrollieren spielt eine Rolle.

Die tektonische Membran liegt auf den Haarsinneszellen des Innenohres. Die Haarsinneszellen sind in Büscheln angeordnet, die jeweils auf eine bestimmte Tonfrequenz ansprechen. Die Tatsache, dass die Spitzen dieser Haarsinneszellen in die tektonische Membran eingebettet sind, bedeutet dass das die Reaktionen der Membran die Reaktionen der Haarsinneszellen auf Schall stark beeinflussen.

„Mechanisch gesehen ist die Membran Gelee“, sagt Freeman. Auch wenn es im Grunde eine gesättigte, schwammartige Struktur ist, die hauptsächlich aus Wasser besteht, könne man „das Wasser nicht herausbekommen, egal wie fest man sie zusammendrückt. Die Struktur wirde durch elektrostatische Kräfte zusammengehalten“, erklärt Freeman. Es gibt verschiedene Gel-basierte Strukturen im Körper, etwa Knorpel, Elastin oder Sehnen – die tektorische Membran hat jedoch andere genetische Grundlagen.

Anfangs war die Funktion der galertartigen Struktur direkt auf den Haarsinneszellen rätselhaft. „Aber sie ist essenziell für das Gehör“, sagt Freeman. Defekte, die etwa auf bestimmte Genvarianten zurückgehen, können das Gehör der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.

Nach detaillierten Untersuchungen konnten die Forscher zeigen, dass Größe und Verteilung der Poren in der tektorischen Membran und wie dies die Art und Weise es beeinflusst wie sich Wasser innerhalb der Membran als Reaktion auf Schwingungen bewegt, das Gehör hoch selektiv machen. Sowohl die höchsten als auch die tiefsten Töne, die im Ohr ankommen, werden durch die Membran weniger verstärkt als die mittleren Frequenzen. Das System sei genau auf die Signale eingestellt, die wir brauchen, sagt Freeman. So würden die nützlichsten Töne verstärkt.

Das Team um Freeman hat herausgefunden, dass die tektorische Membran „wie ein Feststoff aussieht, sich aber wie eine Flüssigkeit verhält.“ Das mache Sinn, denn sie bestehe weitgehend aus einer Flüssigkeit. „Was wir herausgefunden haben ist, dass die tektorische Membran weniger fest ist, als wir dachten,“ so Freeman weiter. Das Schlüsselergebnis hatte das Team nicht vorausgesehen: „Für die mittleren Frequenzen bewegt sich die Struktur wie eine Flüssigkeit, bei den hohen und tiefen Tönen verhält sie sich wie ein Feststoff.“

Insgesamt erhoffen sich die Wissenschaftler, dass ein besseres Verständnis dieser Mechanismen neue Wege zur Bekämpfung von Schwerhörigkeit eröffnet – entweder durch mechanische Neuerungen wie verbesserte Cochlea-Implantate oder durch medikamentöse Interventionen. Dies könnten etwa Wirkstoffe sein, die die Nanoporen oder die Eigenschaften der Flüssigkeit der tektorischen Membran verändern. „Wenn die Größe der Nanoporen in der Membran eine Rolle spielen, gibt es Dinge, die wir tun können“, ist sich Freeman sicher.