Deutsche Experten sehen Blasentransplantation kritisch

Johannes Huber und Peters Albers (v.l.) kommentieren die weltweit erste Blasentransplantation. Fotos: UKHD / Universitätsklinikum Düsseldorf

Prof. Johannes Huber (Heidelberg) und Prof. Peter Albers (Düsseldorf) sehen die Transplantation einer Harnblase, wie sie kürzlich in den USA erfolgt ist, eher als Nischentherapie denn als Option für einen Großteil der Patienten. Die damit verbundenen Risiken würden derzeit die der etablierten Methoden übersteigen, so die beiden renommierten Urologen.

Huber, Ärztlicher Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Heidelberg, erkennt grundsätzlich die außergewöhnliche Leistung seiner US-Kollegen an: „Das ist zunächst einmal ein sehr interessanter Eingriff. Und Inderbir Gill ist in den USA auch ein sehr profilierter Operateur.“  Die Blasentransplantation sei sehr kompliziert. „Die Blase verfügt über mindestens sechs kleine Arterien und der venöse Abstrom erfolgt auch über mehrere Gefäße. Daher ist es nicht so einfach, die Blase anzuschließen“, erklärt Huber. „Zudem hat die Blase ja nicht nur eine Speicherfunktion. Eine gesunde Blase kann sich auch durch neuronale Befehle zusammenziehen und entleeren. Ob dies zum Beispiel auch mit einer transplantierten Blase möglich ist, ist noch unklar und muss sich jetzt zeigen.“ Albers ist hier skeptisch: „Die willentliche Entleerung dieses Organs erfordert aber eine gute Nervenversorgung, die man üblicherweise nicht herstellen kann, auch nicht bei einer transplantierten Harnblase.“

Problem Innervation

Die etablierten Verfahren, eine Blase zu ersetzen, arbeiten meist mit Dünndarmgewebe, das man zu einer Neoblase oder einem “Pouch” umfunktioniert. „Die Reservoirfunktion der Blase können wir damit und mit anderen Verfahren sehr gut wiederherstellen“, so Huber. „Die Entleerung kann man aber bislang durch kein operatives Verfahren so steuern, wie dies bei einer normalen eigenen Blase über die Nervenversorgung ermöglicht wird“, betont Albers. „Entleert die Blase aber nicht korrekt, ist damit die Nierenfunktion der Transplantatniere gefährdet“, so der Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.

Problem Immunsuppression

Das größte Manko sehen beide Experten aber in der notwendigen Immunsuppression. „Der Einsatz eines fremden Organs geht ja auch immer mit einer starken Immunsuppression einher. Und diese ist Stand jetzt für ein nicht überlebenswichtiges Organ in den allermeisten Fällen nicht zu rechtfertigen“, erklärt Huber. „Im Unterschied zu den üblichen Dünndarmersatzblasen würde eine transplantierte Blase immer eine Immunsuppression erfordern, die dann ja das Tumorrisiko für alle Organe des Körpers erhöht“, gibt sein Kollege aus Düsseldorf zu bedenken. „Dies war auch immer der Grund, lieber aus körpereigenem Gewebe eine Ersatzblase zu formen, als eine fremde Blase nur unter Immunsuppression einnähen zu können.“

„Rein experimenteller Ansatz“

Wird also jetzt, wie von den US-Urologen propagiert, die Harnblase auf die Liste der durch Transplantation ersetzbaren Organe gesetzt? „Das sehe ich nicht“, sagt Huber. „Es wird in absehbarer Zeit keine Wartelisten für Harnblasen geben.“ Die Blasentransplantation werde als einzelne Transplantation keinen Sinn ergeben, so der Chefarzt aus Heidelberg. „Als kombinierter Eingriff zusammen mit einer Nierentransplantation – so wie jetzt in den USA durchgeführt – wäre das in hochselektionierten Einzelfällen denkbar, aber nicht systematisch.“ Auch sein Düsseldorfer Kollege erinnert daran, dass bei dem US-Patienten die Nierentransplantation im Vordergrund stand. „Die Niereninsuffizienz war offensichtlich ausgelöst durch Nierentumore, die die Entfernung beider Nieren erforderlich machte und offensichtlich hatte der Patient zusätzlich Blasenkarzinome, die durch repetitive Geweberesektionen aus der Blase behandelt wurden, die letztlich die Blasenkapazitätsminderung auslösten. Es ist also insgesamt eine sehr seltene Kombination zweier Krebserkrankungen, die nicht üblich ist.“ Albers hält daher den aktuellen Fall für „einen rein experimentellen Ansatz ohne entsprechende Nachsorgedaten.“

(ms)