Deutsche Notaufnahmen: Es mangelt an geeignetem Personal

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Eine aktuelle Umfrage zur personellen Ausstattung in deutschen Notaufnahmen zeigt: Weder bei Ärzten noch beim Pflegepersonal sind die geforderten Mindeststandards flächendeckend erfüllt.

„Allem voran ist die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte mit Zusatzweiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin noch viel zu gering, wie auch der Anteil der Pflegekräfte mit Fachweiterbildung Notfallpflege“, kommentiert Prof. Florian Hoffmann, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die von DIVI und DGINA (Deutsche Gesellschaft für Notfallmedizin) vorgenommene Bestandsaufnahme.

„Die Zahlen zeigen: Es sind noch große Anstrengungen erforderlich, um die von uns geforderten Struktur- und Personalanforderungen in Notaufnahmen zeitnah erfüllen zu können“, betont der Erstautor der Studie, DIVI-Generalsekretär Prof. Uwe Janssens. Schließlich wolle man weiterhin und vor allem in der Zukunft eine qualitativ hochwertige Versorgung aller Patienten sicherstellen.

Auch bei der interdisziplinären Betreuung gebe es Nachholbedarf. In vielen Notaufnahmen fehle es an Mitarbeitenden für Sozialdienst, Krisenintervention oder Case-Management – Angebote, die gerade für vulnerable Patientengruppen unverzichtbar seien. „Notfallmedizin endet nicht mit der Stabilisierung der Vitalfunktionen“, weiß Dr. Torben Brod, Sprecher der DIVI-Sektion Strukturen in der Klinischen Akut- und Notfallmedizin und Mitautor der Studie. „Auch psychosoziale Unterstützung und die Koordination weiterer Versorgungswege sind elementar.“

Daten von deutschlandweit 176 Notaufnahmen

Die Bestandsaufnahme basiert auf einer bundesweiten Online-Umfrage unter den Leitungen von 1008 Notaufnahmen in Deutschland. Insgesamt beteiligten sich 176 Häuser aller Versorgungsstufen, von der Basis- bis zur umfassenden Notfallversorgung. Im Fokus standen Personalstruktur und -qualifikation, verfügbare diagnostische und therapeutische Verfahren, Qualitätsmanagement und bauliche Struktur.

Die Befragung erfolgte anonym im Sommer 2023. Grundlage für die Fragen war ein gemeinsam erarbeiteter Vorschlag von DIVI und DGINA zur Mindestvorhaltung in Notaufnahmen.

Fachärzte fehlen – auch in der Kernarbeitszeit der Notaufnahme

Ein zentrales Ergebnis: In rund der Hälfte der Notaufnahmen ist die durchgehende Präsenz von Fachärzten nicht gewährleistet. Besonders kritisch ist die Situation in Häusern der Basisnotfallversorgung – dort lag die permanente ärztliche Anwesenheit teilweise nur bei 76 Prozent. In Krankenhäusern höherer Versorgungsstufen zeigten sich ebenfalls Lücken bei der Präsenz fachärztlich qualifizierter Mediziner in der Kernarbeitszeit.

Nicht besser sieht es bei den Pflegefachpersonen aus. Zwar verfügen rund 90 Prozent der Notaufnahmen über eine fachlich qualifizierte Pflegeleitung. Aber der empfohlene Stellenschlüssel – eine Vollzeitkraft pro 1200 Patientenkontakte – wird nur in 40 bis 63 Prozent der Kliniken erreicht.

Strukturelle Engpässe auch bei Ersteinschätzung von Notfallpatienten

„Die im Zuge der Krankenhausreform so häufig angesprochene und wichtige Patientensteuerung kann in vielen Fällen durch fehlendes und nicht ausreichend qualifiziertes Personal durch die Notaufnahme nicht gewährleistet werden“, betont DIVI-Generalsekretär Janssens, Direktor der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital Eschweiler. Bei der Ersteinschätzung von Notfallpatienten zeigten sich strukturelle Engpässe – diese könnten zu verzögerter Behandlung bei vital bedrohlichen Krankheitsbildern und fehlender Priorisierung mit ineffektiven Abläufen führen.

DIVI fordert mehr Anstrengung bei Weiterbildung des Personals in deutschen Notaufnahmen

Entsprechend müssten jetzt die von den Fachgesellschaften bereits vor Jahren entwickelten Standards für Notaufnahmen flächendeckend umgesetzt werden, fordert die DIVI.

„Der Zeitpunkt der Befragung liegt nunmehr fast zwei Jahr zurück“, gibt Sektionssprecher Torben Brod zwar zu bedenken. „Die Dynamik der angekündigten Reformen in der Notfallversorgung hat so auch möglicherweise bereits zu einer weiteren Verbesserung der Personalstrukturen geführt, aber hier können wir derzeit nur spekulieren.“ „Fakt ist“, ergänzt deshalb DIVI-Präsident Florian Hoffmann, „dass noch mehr Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Weiterbildung des gesamten Personals in deutschen Notaufnahmen weiter zu verbessern. Dazu zählt dann auch die angemessene finanzielle und infrastrukturelle Ausstattung der Notaufnahmen.“