Deutsche Schmerzgesellschaft fordert politische Rückendeckung für Millionen Schmerzbetroffene4. Juni 2025 Symbolfoto: ©Coloures-Pic/stock.adobe.com „Ohne klare gesetzliche Vorgaben und eine eigenständige Leistungsgruppe für die Schmerztherapie im Rahmen der Krankenhausreform droht der schleichende Rückbau schmerzmedizinischer Versorgungsstrukturen“, warnt der Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft Prof. Frank Petzke. Anlässlich des bundesweiten Aktionstages gegen den Schmerz machte die Deutsche Schmerzgesellschaft gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Medizin, Pflege, Psychologie, Physiotherapie und Selbsthilfe in einer Online-Pressekonferenz auf die strukturellen Mängel in der Versorgung von Schmerzpatienten in Deutschland aufmerksam. Bereits heute sei für Millionen Betroffene eine angemessene Behandlung weder zeitnah noch wohnortnah verfügbar. Es drohten Chronifizierung, psychische Begleiterkrankungen und Arbeitsausfall. „Eine spezialisierte, multimodal angelegte Schmerzmedizin braucht finanzierte, feste Strukturen – mit Qualitätssicherung und Planbarkeit“, erklärte Petzke, Leiter der Schmerzmedizin an der Universitätsmedizin Göttingen. Die Deutsche Schmerzgesellschaft fordert daher: Die Bundesregierung muss eine eigene Leistungsgruppe „Interdisziplinäre multimodale Schmerzmedizin“ mit klaren Standards und Vorhaltepauschalen einführen. Denn bereits jetzt dauere es mehrere Jahre, bis Schmerzpatientinnen und -patienten in eine spezialisierte und für sie indizierte fachliche Versorgung überwiesen werden. „Der Leidensdruck für Betroffene und die volkswirtschaftliche Belastung sind schon heute immens groß. Ohne zügige Nachbesserungen könnte künftig auch noch bis zu 40 Prozent der Versorgung wegbrechen. Und bei den dann noch versorgten Schmerzbetroffenen wird sich die Behandlungsqualität erheblich verschlechtern“, prognostizierte Petzke. Um in einen Dialog mit der Gesundheitspolitik zu treten, richtet die Deutsche Schmerzgesellschaft am 5. Juni 2025 einen parlamentarischen Abend in Berlin aus. „Unser Ziel ist klar: eine flächendeckende, interdisziplinär aufgestellte Schmerzversorgung – dauerhaft gesichert und für alle zugänglich“, sagte Thomas Isenberg, Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft. Schmerzversorgung ist Teamarbeit – nicht Einzelleistung Schmerzversorgung gelingt nur in einem multiprofessionellen Team. Pflegekräfte seien hier oft die ersten, die Schmerzen erkennen und lindern, erläuterte Vera Lux, Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK). Sie stellte zwei neue Handreichungen für Pflegekräfte vor, die pflegerische Interventionen zur Schmerzreduktion systematisch darstellen. „Sie richten sich an Pflegefachpersonen in allen Versorgungsbereichen und geben Orientierung bei der Auswahl, Durchführung und Dokumentation komplementärer Maßnahmen. Dabei geht es nicht um Beliebigkeit, sondern um fundiertes pflegerisches Handeln auf Grundlage aktueller Evidenz“, so Lux. Dr. Claus Beyerlein, Physiotherapeut und Vorstandsmitglied von Physio Deutschland, verdeutlichte, dass Physiotherapie für Schmerzbetroffene unabdingbar ist: „Bewegung ist mehr als Mobilisation – sie ist Therapie, Prävention und Rückfallprophylaxe zugleich.“ Physiotherapie sei daher ein zentrales Element in der multimodalen Schmerzbehandlung und fördere Selbstwirksamkeit und Lebensqualität. „Schon geringe sportliche Aktivität kann das Schmerzempfinden positiv beeinflussen. Entscheidend ist, Patient:innen dauerhaft zu Bewegung zu motivieren – individuell, alltagstauglich und realistisch.“ Psycho-soziale Aspekte würden in der Ausbildung von Fachpersonal und damit in der Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen noch zu wenig berücksichtigt, erklärte Prof. Christiane Hermann, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologische Schmerztherapie und -forschung (DGPSF): „Ein biopsychosoziales Verständnis von Schmerz ist wissenschaftlich belegt. Strukturell wird es bislang aber vor allem nur stationär und teilstationär berücksichtigt, kaum jedoch in der ambulanten Versorgung.“ Gerade die interdisziplinäre Zusammenarbeit müsse noch stärker in der Aus- und Weiterbildung verankert werden und im ambulanten Bereich müssten beispielsweise für interdisziplinäre Fallkonferenzen neue Abrechnungswege etabliert werden, forderte Hermann. Auf die Bedeutung der Selbsthilfe machte Heike Norda, Vorsitzende der Patientenorganisation UVSD SchmerzLOS e. V., aufmerksam. „Viele Schmerzbetroffene fühlen sich nicht nur körperlich, sondern auch gesellschaftlich im Abseits“, sagte Norda. Sie berichtete von Stigmatisierung am Arbeitsplatz, mangelnder Aufklärung und fehlender Unterstützung. „Wer chronisch krank ist, braucht kein Mitleid, sondern Zugang zu verständlichen Informationen, angemessener Therapie, Anerkennung der Einschränkungen – und Teilhabe“, so Norda. Die Selbsthilfe leiste hier wertvolle Arbeit. (ah)
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